Dresden - Wusstet Ihr das? Mitten im Prohliser Plattenviertel stand einst ein Neorenaissance-Schloss. Nach einem rätselhaften Brand wurde es 1985 abgerissen, geriet in Vergessenheit. Bis jetzt! In einem einzigartigen Stadtteil-Projekt buddeln junge und alte Einheimische seit Jahren die Überreste aus, bringen Artefakte auch aus dem 19. Jahrhundert zurück ans Tageslicht.
Möglich macht es Moritz Freiherr von Crailsheim (61). Er ist der Ur-Ur-Enkel von Johann Christian Freiherr von Kap-herr (1837-1918), der das Schloss ab 1887 hatte erbauen lassen, damit sein Rittergut erweiterte, seinen Garten zum Park ausbaute.
Nach 1945 wurde die Familie enteignet, Areal und Bauten verfielen. 1980 brannte das Schloss nieder. Die Hintergründe wurden nie vollständig aufgeklärt.
Wahrscheinlicher als die Zündelei eines damals 14-jährigen Tatverdächtigen ist staatliche Brandstiftung: Den DDR-Bonzen, die ab 1976 in Prohlis Plattenriesen hochzogen, war das verfallene Märchenschloss ein Dorn im Auge. 1990 war nur noch der Schlosspark übrig geblieben.
"Jetzt können wir die Geschichte wieder erleben", sagt der Nachkomme erfreut. Der gebürtige Münchner Immobilien-Unternehmer, der mit Dresden verbunden ist, hier ein Haus hat, hat sich gegen einen lukrativen Wohnungs-Neubau auf seinem Wiesenareal entschieden.
Opa und Enkel nehmen den Spaten in die Hand
Stattdessen überließ er Schlossgrundstück und Park, dem heutigen Prohliser Wäldchen, für geringste Pacht der Stadt, die mit dem benachbarten Palitzsch-Museum und viel Engagement zahlreicher Helfer - angeleitet von Archäologen - in den vergangenen Jahren die Grundmauern des Schlosses wieder freilegte.
"Opa und Enkel nehmen hier den Spaten in die Hand, lernen so viel über Heimatkunde", sagt Museumsleiter Peter Neukirch (51). So wurden Mauern des Erdgeschosses freigelegt, auch Keramik-Kacheln des Schloss-Badezimmers sind wieder sichtbar.
Neben allerlei Stuck fanden die Ausgräber auch eine Silbergabel, ein Türschloss oder auch einen Zirkel aus DDR-Zeiten, der nach dem Abriss aufs Areal gelangt sein muss.
Die Ausgrabungen gehen weiter. "Unsere Vision ist es, die Ruine für Prohliser und Besucher wieder mit Leben zu füllen", sagt Stadtbezirksamtsleiter Jörg Lämmerhirt (58). Auch eine neue Stele im Prohliser Wäldchen (nahe Haltestelle Gamigstraße) macht die Vergangenheit jetzt wieder sichtbar.
Vor 7000 Jahren siedelten die ersten Dresdner
Die jüngste Stele im Prohliser Wäldchen erweitert den "Archaeo-Pfad" um eine zwölfte Station. Der kulturhistorische Rundwanderweg führt über zwölf Kilometer durch Prohlis, Kauscha und Nickern, veranschaulicht dabei die Entwicklung der Region von der Eiszeit bis heute auch mit archäologischen Funden.
So kann "Dresden" als Metropole der Steinzeit gelten. Bereits vor etwa 7000 Jahren siedelten "Ur-Dresdner" in Nickern, errichteten im Elbtal Kreisgrabenanlagen, die laut Archäologen als zentrale Versammlungsplätze mit Kult- und Marktfunktionen gedient haben könnten.
Das war lange bevor die ersten Pyramiden in Ägypten oder auch Stonehenge gebaut wurde. Der Pfad soll auch künftig Stück für Stück erweitert werden, könnte für die Bundesgartenschau bis zur Elbe führen.