Ein großes Herz für Kunst aus der Dose: Dresdnerin kümmert sich seit Jahrzehnten um Graffiti-Jugend

Dresden - Graffiti kennt jeder. Es gilt als Sammelbegriff für Schmierereien in Toiletten oder Vandalismus auf Hausfassaden. Der jahrzehntelangen Arbeit von Ellen Demnitz-Schmidt (63) ist es zu verdanken, dass Graffiti-Sprüher als Künstler wahrgenommen werden und in Dresden malen können, ohne kriminell zu werden.

Die gute Seele der Dresdner Hip-Hop-Szene: Ellen Demnitz-Schmidt (63), Geschäftsführerin des SPIKE-Vereins.
Die gute Seele der Dresdner Hip-Hop-Szene: Ellen Demnitz-Schmidt (63), Geschäftsführerin des SPIKE-Vereins.  © Thomas Türpe

1995 sah es in Dresden noch nicht so bunt aus. Die Jugendlichen in Strehlen verbrachten die Zeit auf der Straße, ohne einen gemeinsamen Ort, um sich (kreativ) auszuleben.

Ellen Demnitz-Schmidt war damals Geschichtslehrerin und traf eine Entscheidung fürs Leben: "Mitte der Neunziger gab es in ganz Dresden keine einzige Möglichkeit für Jugendliche legal zu sprühen. Wer mit Dosen malte, war gleichzeitig kriminell. Also habe ich als Lehrerin gekündigt und im Mai 1995 den Verein Altstrehlen e.V. gegründet."

Zur Zeit der Kündigung und der Vereinsgründung wusste die ehrenamtliche Sozialarbeiterin noch gar nicht, wie sie Geld verdienen sollte. Sie traf die Entscheidung dennoch, in der Absicht "die Jugendkultur Graffiti in ihren positiven Wirkungen und in ihren legalen Ambitionen zu unterstützen."

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Der Plan sollte aufgehen.

Aus dem Verein Altstrehlen e.V. wurde SPIKE!

Eine Hausfassade in der Neustadt, die in Zusammenarbeit mit der Stadt gestaltet worden ist.
Eine Hausfassade in der Neustadt, die in Zusammenarbeit mit der Stadt gestaltet worden ist.  © Thomas Türpe

Der Verein erhielt die ersten Räume in einer leerstehenden Kita. Die Kita wurde abgerissen.

Nach ein paar Monaten ohne Obdach bezog der Verein die leerstehende "Wikinger"-Kneipe in Strehlen. Auch die Kneipe wurde abgerissen. 1999 dann endlich der Umzug ins Erdgeschoss der 130. Grundschule in der Karl-Laux-Straße.

Gleich zur Anfangszeit lernte Ellen Demnitz-Schmidt den mittlerweile international gefeierten Graffiti-Künstler namens Slider kennen: "Slider war der beste Kumpel meines Sohnes. Er hat sofort angeboten, ein Bild an die Wand des Vereinsheims zu sprühen."

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Eine wunderbare Zusammenarbeit entstand. Aus dem Verein Altstrehlen e.V. wurde SPIKE.

Sozialarbeiterin und Slider arbeiten nun schon 25 Jahre zusammen!

In Dresdens Graffiti-Szene nicht wegzudenken: Style-Meister Slider von den berühmten "Bandits".
In Dresdens Graffiti-Szene nicht wegzudenken: Style-Meister Slider von den berühmten "Bandits".  © Thomas Türpe

Seit 25 Jahren arbeiten die Sozialarbeiterin und Slider nun zusammen.

Einer der größten Erfolge ist gewesen, als die Landeshauptstadt im Jahr 2000 die erste legale Fläche für Graffiti-Künstler in Dresden vergab. Ein weiterer Erfolg ist die 1998 gegründete Party-Reihe "Urban Syndromes", die damit zu den ältesten Graffiti-Veranstaltungen in Ostdeutschland zählt:

"Der verbindende Ansatz ist die Liebe zur Kultur und die antirassistische Vision von Graffiti im Hip-Hop-Kontext", berichtet die Chefin.

Vom 22. bis 25. Juni findet die große Jubiläumsfeier statt (Informationen unter: www.spikedresden.de).

Bandits gelten heute als "Alte Meister"

Dieses Bild zeugt von den Anfängen von Slider aus den 90er Jahren.
Dieses Bild zeugt von den Anfängen von Slider aus den 90er Jahren.  © privat

Schon als Jugendlicher begann Slider damit, Schriftzüge in Dresden zu fotografieren. Das war 1993. Nur kurze Zeit später griff er selbst zur Dose und gründete mit zwei Freunden die heute weltbekannte Crew "Bandits".

Damals gab es Sprühdosen nur im Baumarkt. Gemalt wurde ausschließlich illegal: "Wir haben in leerstehenden Fabrikhäusern gesprüht oder an Fassaden, die gut versteckt waren", erinnert sich Slider.

Die ersten Vorbilder fand er in seiner Umgebung, denn Graffiti gab es schon in der DDR: "Die Bandits sind die zweite Generation im Osten. Ich hatte Freunde, die mir Graffiti gezeigt haben.

"Heute gelten Slider und seine Dresdner Bandits als alte Meister der Szene. Sie werden "Kings of Style" genannt. Denn sie haben Meisterschaft darin erlangt, ihre Namen zu sprühen: "Im Zentrum steht für mich der Buchstabe. Jeder Buchstabe muss Style haben. Das ergibt dann den Namen. Comic-Figuren und Bildermotive sind mir nicht so wichtig."

Die Bandits-Crew zählt heute 13 Mitglieder. Schriftzüge findet man in ganz Dresden. Wer sich einen farbenreichen Eindruck verschaffen will: instagram.com/sliderbandits.

Eine der frühen Konzept-Wände der Dresdner Bandits.
Eine der frühen Konzept-Wände der Dresdner Bandits.  © privat

Was ist eigentlich Hip-Hop?

Afrika Bambaataa (66) gilt als einer der Vorväter der Hip-Hip-Kultur.
Afrika Bambaataa (66) gilt als einer der Vorväter der Hip-Hip-Kultur.  © Imago Images/Ronald Grant

Hip-Hop ist keine Musik. Hip-Hop ist eine Kultur, die 1973 in New York entstand.

Als Erfinder gilt der Jamaikaner Clive Campbell (58), dessen Künstlername DJ Kool Herc lautet. Dieser zog als Jugendlicher in die US-amerikanischen Ghettos und veranstaltete dort regelmäßig Partys in einem Wohnblock.

Diese Feiern wurden "Jam" (Marmelade) genannt und bestanden aus vier Zutaten: Ein DJ spielte Schallplatten von zwei Plattentellern.

Ein Rapper animierte mit lustigen Reimen die Leute zum Tanz. Breakdancer zeigten ihre Tanz-Künste zu speziellen Momenten der Musik. Graffiti-Sprüher trafen sich, um ihre Skizzen-Bücher auszutauschen.

Titelfoto: Bildmontage: Thomas Türpe (2)

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