Gegründet, um die Wirtschaft zu befeuern: Als eine Dresdner Börse noch regen Handel trieb

Dresden - Im beginnenden Industriezeitalter herrschte vielerorts Aufbruchstimmung - auch in Dresden. Das beweist eine 1857 getroffene Entscheidung: Damals gründeten Unternehmer eine Börse in der Elbestadt. Heute sind von einem vormals bedeutenden Handelsplatz nur Papiere übrig geblieben. Im Rahmen unserer Sommerserie "Geheimes Dresden" begibt sich Carola Schauer (61), Vize-Chefin des Stadtarchivs, auf Zeitreise.

Dresden zur Zeit der Industrialisierung. Die gediegene Residenzstadt war auch Handelszentrum.  © SLUB

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Sachsen eigentlich schon eine Börse - nämlich in Leipzig, wo man seit zweihundert Jahren im großen Stil handelte.

Doch am 18. März 1857 schickten sich zehn Firmen aus Dresden an, etwas Neues auf die Beine zu stellen - und eine eigene Börse zu gründen.

"Begründet wurde dieser Schritt mit der gewachsenen Bedeutung Dresdens als Handelsplatz. Ziel war, die Industrie und die Wirtschaft zu fördern - und natürlich auch, selbst Geld zu verdienen", erklärt Archivarin Carola Schauer.

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Unter den Börsengründern waren Bankiers, Kolonialwarenhändler, Fabrikanten ... Schon im Juni 1857 waren 120 Kaufleute, Bankiers und Schifffahrtsprokuristen Mitglied im Börsenverein (Mitgliedsbeitrag: 5 Taler pro Jahr), die zunächst einmal wöchentlich am Jüdenhof Handel trieben.

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Zeugnis von damals, als das Industriewachstum brummte: Die Tabakfabrik Yenidze (1908 bis 1909 erbaut) prägt - anders als die Börse - noch immer das Stadtbild.  © imago stock&people

Dresden mausert sich zum Börsenstandort

In diesem repräsentativen Stadthaus residierte die Börse ab 1875. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört.  © Stadtarchiv Dresden

Dabei waren die Behörden erst einmal skeptisch.

"Man sah Dresden als altehrwürdige königliche Residenzstadt und nicht als Börsenstandort", weiß die Archiv-Vizechefin. Dem Geschäft schadete die ämterliche Skepsis nicht - nun hatten Dresdner Aktiengesellschaften wie die Felsenkeller-Brauerei oder die Sächsische Champagner-Fabrik erstmals die Möglichkeit, ihre Papiere direkt vor Ort zu handeln. "Mit der Börsengründung ging ein Aufschwung der Dresdner Wirtschaft einher", sagt Carola Schauer.

Zwar blieb die Dresdner Börse von Großereignissen wie dem Gründerkrach 1873 oder dem Ersten Weltkrieg nicht verschont. Auch verlor sie mit dem Börsengesetz 1897 ihre Eigenständigkeit, stand fortan unter Aufsicht der sächsischen Landesregierung.

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Und das 1875 errichtete, prachtvolle Börsengebäude zwischen Waisenhausstraße 11 und dem heutigen Dr.-Külz-Ring steht längst nicht mehr.

Die Dresdner Börse war sogar größer als die in Leipzig

Zentraler geht's nicht - am heutigen Dr. Külz-Ring trafen sich noch vor hundert Jahren Kaufleute und Bankiers und machten Geschäfte.  © Stadtarchiv Dresden

Doch zwischenzeitlich lief das hiesige Geschäft richtig gut.

"Anfang der Dreißigerjahre waren die Umsätze doppelt so hoch wie in Leipzig. Der Brauereiaktienmarkt war der größte in Sachsen. Dennoch wurde damals im Zuge einer Börsenreform Leipzig der Vorzug als Börsenstandort eingeräumt."

Archivarin Schauer erschließt sich die Entscheidung für Leipzig nicht - damals protestierte sogar das sächsische Wirtschaftsministerium, wie die Presse berichtete.

Trotzdem schloss die Dresdner Börse ihre Pforten 1935 für immer.

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Stadtarchiv-Vizechefin Carola Schauer (61) stöberte vergessene Börsen-Unterlagen in der Archivsammlung auf.  © Norbert Neumann

Weitere spannende Anekdoten aus der Stadtgeschichte finden sich im neuen Buch des Stadtarchivs namens "in civitate nostra Dreseden". Exklusiv erhältlich im Stadtarchiv Dresden (Preis: 49 Euro) oder per Online-Bestellung unter: www.dresden.de/stadtarchiv-buch

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