Lauter Hochhäuser am Altmarkt? Solche Pläne gab es wirklich mal

Dresden - Dresden - das sind Zwinger, Schlösser, Frauenkirche. Der stadtgewordene Barock. Doch hätte aus "Elbflorenz" auch eine Millionenstadt mit Wolkenkratzern auf dem Altmarkt werden können? Stadtarchiv-Vizechefin Carola Schauer (61) kramt in unserer Serie "Geheimes Dresden" vergessene Visionen von Architekt Arthur Fritzsche (1871-1943) hervor.

Das barocke Dresden ist ein Touristenmagnet. Hätten futuristische Bauten am Altmarkt daran etwas geändert?  © Dresden

Der wollte Dresden Anfang des 20. Jahrhunderts mächtig umgestalten.

Erstmals sprach er im Jahr 1905 öffentlich darüber, die Stadt nach Pariser Vorbild mit breiten Uferpromenaden und Boulevards aufzuwerten.

Da lebte der gebürtige Zwickauer, der erst Steinmetz und dann Architekt lernte, schon einige Jahre an der Elbe.

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"Bei näheren Überlegungen wird der Plan, spät hin eine Einverleibung von Pirna bis Meißen vorzunehmen und aus Dresden eine Großstadt, eine Stadt von einer Million zu machen, gar nicht mehr so absurd erscheinen, als dies vielleicht auf den ersten Blick der Fall ist", schrieb Fritzsche im "Dresdener Anzeiger."

Er träumte nicht nur von ausladenden Reit-, Fuß- und Radfahrwegen, Hochbahn und einem Volkspark in der Heide.

Eine 47 Seiten starke Studie, die er Anfang 1911 ausarbeitete, ziert eine ungewöhnliche Altmarktkulisse auf der Titelseite. Ihn umsäumen Wolkenkratzer, die auch in Manhattan stehen könnten!

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Altmarkt in Dresden hätte hochmoderne Bürotürme bekommen

Im Zweiten Weltkrieg wurde der historische Altmarkt zerstört und später ohne Wolkenkratzer wiederaufgebaut.  © Foto Koch

Denn Fritzsche wollte das klassische Dresden-Panorama um hochmoderne Bürotürme ergänzen. "Jedenfalls würde hiermit eine wunderbare Belebung des jetzigen, im Vergleich mit mittelalterlichen Stadtansichten, langweiligen Stadtbildes erreicht", schrieb er.

Von oben betrachtet sei Dresden aktuell "nur ein unklares, verschwommenes, ausdrucksloses Häusermeer, aus dem schüchtern einige dünne Kirchturmspitzen hervorragen."

Davon nicht genug. Er überlegte auch, Dresden im Interesse der Rosenzüchter als "Rosenstadt" zu bezeichnen, träumte von einem Vergnügungspark in den umliegenden Anhöhen und einem städtischen Eispalast mit Palmenhaus:

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"Zweifellos würde ein eigener Reiz darin liegen, nach erfolgtem Eislaufen aus dieser Umgebung heraus, sich zur Erholung einige Zeit in den angrenzenden Hallen unter Palmen niederzulassen."

Fritzsches Studie wurde von Hans Erlwein abgelehnt

Carola Schauer (61) findet die Ideen des Dresdner Architekten fantastisch. Zeitgenossen sahen sie auch kritisch.  © Norbert Neumann

Im Mai 1911 sandte der Visionär seine Studie an den Stadtrat. Doch sie erfuhr brüske Ablehnung von Vertretern der konservativen Bauweise wie Stadtbaurat Hans Erlwein (1872-1914).

"Arthur Fritzsche gehörte nicht zu den erlesenen Kreisen von Erlwein. Man musste dazugehören, um aufzusteigen", sagt Archivarin Carola Schauer.

In der Tat fällte Erlwein ein vernichtendes Urteil: "Nach Kenntnis von dem Inhalt dieser Broschüre, ja schon nach Besichtigung des Titelblattes, auf dem der Altmarkt mit Wolkenkratzern ausgestattet gedacht ist und schließlich auch nach Würdigung der Person des Herrn Fritzsche als Architekt bin ich der Meinung, dass ich es mir versagen muss, Herrn Fritzsche in irgendeiner Form eine Unterstützung angedeihen zu lassen."

Die Visionen versandeten ...

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Stadtbaurat Hans Erlwein (1872-1914) durchkreuzte die Pläne von Arthur Fritzsche.  © Deutsche Fotothek Dresden

Wo in Dresden Arthur Fritzsche Spuren hinterlassen hat

Diese Mehrfamilienhäuser am Käthe-Kollwitz-Ufer bezeugen Fritzsches Wirken in Dresden.  © Thomas Türpe

Die Vizechefin des Stadtarchivs hingegen ist begeistert von Fritzsches Kreativität und betont: "Arthur Fritzsche war kein Spinner, seine Ideen waren durchdacht und tiefgründig recherchiert. Er wollte seine Himmelskratzer zum Beispiel nur dort bauen, wo es Sinn ergab und plante seine Gebäude nicht höher als die Kreuzkirche. Vielleicht hätte er nach Berlin oder Leipzig gehen sollen anstatt nach Dresden."

Einige Spuren hinterließ er trotzdem im hiesigen Stadtbild, weil er für private Bauherren Häuser entwarf.

Ein Zeugnis seiner Bauweise sind die Mehrfamilienhäuser mit Art-déco-Fassade am Käthe-Kollwitz-Ufer 24 bis 26.

In der Nummer 24 betrieb Fritzsche höchstpersönlich einst sein Architektenbüro.

Weitere spannende Anekdoten aus der Stadtgeschichte finden sich im neuen Buch des Stadtarchivs namens "in civitate nostra Dreseden". Exklusiv erhältlich im Stadtarchiv Dresden (Preis: 49 Euro) oder per Online-Bestellung unter: www.dresden.de/stadtarchiv-buch

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