Dresden - Sportliche Wettkämpfe erleben Hochkonjunktur, ebenso wie der damit verbundene Lebensstil. So freut sich der Dresden-Marathon pünktlich zum 25. über Teilnehmerrekorde. Grund genug, zu fragen: Schafft man den (Halb-)Marathon auch untrainiert? TAG24-Reporter Erik Töpfer hat es probiert.
Dieser Text entsteht unter Schmerz, Reue und Stolz. Ich bin wohl der Letzte meiner Generation, der weder Garmin-Uhr noch Rennrad besitzt. Dennoch bin ich umzingelt von selbsternannten High-Performern, die in Kneipen lieber Herzfrequenz-Statistiken diskutieren, statt ihre Leber zu trainieren.
Dieser Selbstversuch sollte sie zum Schweigen bringen. Ein Pamphlet, das die Morgenroutine in ihre Schranken weist. Hätte ich doch bloß auf sie gehört ...
Denn nun stehe ich hier. Zehn nach zehn mit Tausenden Läufern, deren Outfits mehr an Laufsteg als Marathon erinnern. Männer und Frauen, denen man die Lebensziele am Schweißband abliest.
Ich hielt es mit Marc Uwe Klings "Not-To-Do-Liste". Bislang ganz weit oben: jemals Joggen. Ich spürte toxisch-männliche Verachtung für Männer in hautengen Longsleeves. Nie wollte ich sein wie sie. Doch nun stehe ich hier.
Doch dann geschah es ...
Nicht zu schnell loslaufen, Brustwarzen abkleben und viel Vaseline hatte man mir geraten. Doch niemand warnte mich vor den Befindlichkeiten meiner Schienbeine ab Kilometer fünf. Die Schönheit einer sauberen, autofreien Neustadt übertüncht das.
Doch auf der Stauffenbergallee folgt Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns. Über Waldschlößchenbrücke und Fetscherstraße warten schnurgerade Asphaltmeter auf den sich in meine Zehe bohrenden Nagel. Die erste Banane verlässt schon bald meinen schmerzenden Körper.
Doch dann geschieht es, das "Runner High". Von ganz allein laufen meine Beine im Gleichschritt über den Großen Garten zum Elbufer. Getragen von jubelnden Zuschauern, deren irrwitzige Pappschilder zur motivierenden Wohltat avancieren. Meine neue Lieblingsstadt ist Elbflorenz im Herbst. Die erste Träne fließt im Nieselregen.
Eine letzte Ehrenrunde im Steyer-Stadion zementiert die Selbstermächtigung. Ich bin Auslaufmodell der Generation Zyniker. Die in Kneipen am liebsten ihren Niedergang begießt. Eure Wettkämpfe sind der bessere Lebensstil. Auch wenn ich recht behalte: Man schafft so einen Marathon untrainiert. Zumindest halb.