"Würdelos, erschreckend, unfassbar dämlich": Amoklauf-Beitrag in Erfurter Amtsblatt sorgt für Kritik

Erfurt - Der 26. April bleibt ein Tag, den die Stadt Erfurt niemals vergessen wird. Heute vor 20 Jahren brachte Robert Steinhäuser am Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen um, anschließend erschoss er sich selbst. Auch in der aktuellen Ausgabe des Erfurter Amtsblattes geht es um jenen Tag, doch der Beitrag erntet Kritik.

Am 26. April vor 20 Jahren ereignete sich der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Die Stadt erinnert auch im Amtsblatt an jenen Tag - auf durchaus fragwürdige Weise.
Am 26. April vor 20 Jahren ereignete sich der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Die Stadt erinnert auch im Amtsblatt an jenen Tag - auf durchaus fragwürdige Weise.  © Martin Schutt/dpa

Es ist vor allem ein Satz, der auf klare Ablehnung stößt. "Gottseidank hat die Tat dem Image Erfurts nicht geschadet", heißt es in dem Beitrag, der den Titel "Auf das Unfassbare folgten Trauer und Zusammenhalt" trägt (Rechtschreibung übernommen).

Ein/e Twitter-User/-in schreibt: "Niemand, wirklich niemand denkt über das Image einer Stadt nach bei einem Amoklauf. Als Angehörige eines der vielen überlebenden Opfer dieser schrecklichen und für immer prägenden Tat darf ich sagen: Ich habe lange nichts pietätloseres gelesen im Amtsblatt #Erfurt!" (Rechtschreibung bei allen Kommentaren übernommen)

"Unfassbar dämlich da an sowas zu denken!", schreibt ein anderer Twitter-User. "Würdelos gegenüber den Opfern und Betroffenen", heißt es in einem anderen Tweet.

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Doch es gibt noch eine weitere Formulierung zu Beginn des Textes, die kritisiert wird. Hier heißt es: "In diesem Jahr jährt sich die Wahnsinnstat bereits zum 20. Mal. Wie doch die Zeit vergeht!"

Eine Twitter-Userin fragt: "Wer gibt sowas frei?" Die Formulierung klingt ihrer Ansicht nach wie eine "bittersüß-nostalgische" Erinnerung.

Maicher: "Fragwürdige Thesen"

Auch das Erfurter Stadtratsmitglied David Maicher (Grüne) nimmt via Facebook Bezug auf den Beitrag im Amtsblatt. Er schreibt: "Es ist nicht das erste Mal, dass der Pressesprecher von Andreas Bausewein (Anm. d. Red.: Oberbürgermeister der Stadt Erfurt) das Amtsblatt für seine fragwürdigen Thesen ausnutzt."

Der Satz "Gottseidank hat die Tat dem Image Erfurts nicht geschadet" sei "erschreckend und von Pietätlosigkeit nicht zu überbieten". Zudem fragt er, wann der Oberbürgermeister endlich eingreife.

Die Pressesprecherin der Stadt Bad Liebenstein (Wartburgkreis) teilt via Twitter mit: "Ach, Erfurt wieder." Eine große Gedenkanzeige mit den Namen wäre ihrer Ansicht nach "wirkungsvoller" gewesen.

Titelfoto: Martin Schutt/Amtsblatt Erfurt

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