"Der Tod ist ständig unter uns": Ausstellung über deportierte Juden mit Zeitzeuge Fred Leser eröffnet

Hamburg – Im Hamburger Rathaus ist ab sofort die Holocaust-Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" zu sehen - zu der Eröffnung war auch ein ganz besonderer Gast eingeladen.

Fred Leser (95) vor "seiner Tafel", die Teil der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" im Hamburger Rathaus ist.
Fred Leser (95) vor "seiner Tafel", die Teil der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" im Hamburger Rathaus ist.  © Madita Eggers/TAG24

Der Holocaust in Osteuropa wird bis heute fast ausschließlich mit dem von den Nationalsozialisten besetzten Polen und dem Konzentrationslager Auschwitz in Verbindung gebracht. Dabei gab es im osteuropäischen Besatzungsgebiet über 1000 Ghettos, Konzentrations– und Vernichtungslager. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im Juli 1941 wurde auch die Stadt Riga in Lettland zu einem Zielort von Deportationen.

Damit beschäftigt sich die Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" im Hamburger Rathaus, die am heutigen Freitag Eröffnung feierte. Unter den Gästen war auch Zeitzeuge Fred Leser (95), der zu den 753 Hamburgern gehört, die damals verschleppt worden waren.

Im Dezember 1941 wurde Sigmund Manfred (Fred) Leser gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder nach Riga deportiert. Nur Fred überlebte. "Es ist lange her und ich denke jeden Tag und jede Nacht an die Sache", sagte der 95-Jährige im Gespräch mit TAG24.

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Nach seiner Befreiung hat er versucht, sich in Hamburg ein neues Leben aufzubauen und absolvierte eine Maurerlehre. Doch wohl fühlte er sich in seiner alten Heimat nicht, wie er selbst schilderte: "Ich sah aus wie die anderen, aber was ich auf dem Bau gehört habe, war schrecklich. Der Krieg war vorbei, aber die Nazis waren die Bürger", so Leser.

"Ich arbeitete gerade am Gerüst, als einer sagte: 'Ja, der Adolf hat doch einiges richtig gemacht und er hätte alle Juden vergasen sollen.' Und ich stehe daneben und dachte 'Ich muss hier raus!'"

Fred Leser emigrierte in die USA: "Ich dachte, ich bin im Paradies!"

Die Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" im Hamburger Rathaus befasst sich mit den Schicksalen deportierter und lettischer Juden.
Die Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns" im Hamburger Rathaus befasst sich mit den Schicksalen deportierter und lettischer Juden.  © Madita Eggers/TAG24

1949 emigrierte er schließlich in die USA, schloss ein Studium ab und arbeite 30 Jahre lang als Deutschlehrer in New York. Erst 2020 zogen er und seine Frau Judith wieder zurück nach Hamburg.

"Bis zum Ende von Bill Clinton war alles wunderbar. Ich dachte, ich bin in Amerika im Paradies. Und dann kam Bush. Ich dachte, er war das Schlimmste, was passieren konnte, und dann kam Trump. Ich musste 20 Lügen am Tag anhören und die haben das alle geglaubt", empörte sich der 95-Jährige.

"Irgendwann stand es meiner Frau bis hier und wir sind zurück in die Heimat", erklärte der Holocaust-Überlebende, dem es beim Wort "Heimat" ein ironisches Lachen entlockte.

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Angekommen ist er in Hamburg noch nicht: "Es ist sehr schwierig. Der Nationalismus und der Hass gegen Juden ist ja nicht ausgemerzt."

Und genau deswegen will er auch noch in seinem hohen Alter zur Aufklärung beitragen.

Fred Zimmak: "Ich hoffe ja immer, dass die Welt ein kleines bisschen besser wird"

Fred Zimmak (71), der Sohn eines nach Riga deportierten Hamburgers, hielt im Kaisersaal des Hamburger Rathauses eine Rede.
Fred Zimmak (71), der Sohn eines nach Riga deportierten Hamburgers, hielt im Kaisersaal des Hamburger Rathauses eine Rede.  © Madita Eggers/TAG24

Das gilt auch für Fred Zimmak (71), der Sohn eines nach Riga deportierten Hamburgers: "Am liebsten möchte ich nicht hier stehen. Wenn man sich die Ausstellung anguckt, ist das so furchtbar schrecklich", sagte er bei der Eröffnung am Freitag.

"Ich hoffe ja immer, dass die Welt ein kleines bisschen besser wird. Über einen Millimeter würde ich mich schon freuen. Besonders jetzt, angesichts des Kriegs gegen die Ukraine und neuen Formen von Rechtsextremismus in der ganzen Welt, ist es wichtig, aktiv zu werden."

Insgesamt wurden zwischen November 1941 und Winter 1942 25.000 Juden aus Deutschland, Wien, Prag und Brünn nach Riga deportiert. Nur etwa 1000 von ihnen überlebten.

"Das Schicksal der Deportierten und die Ermordung Zehntausender lettischer Jüdinnen und Juden sind in der deutschen und der lettischen Erinnerungskultur noch immer wenig präsent. Dies soll sich mit dieser Ausstellung ändern", sagte Dr. Oliver von Wrochem, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte.

Noch bis zum 8. Februar kann die vom Auswärtigen Amt finanzierte und mit Unter­stützung der Hamburgischen Bürgerschaft realisierte Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland" im Hamburger Rathaus besucht werden (Montag bis Freitag 7 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr). Es werden auch Führungen durch die Ausstellung angeboten.

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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