Enter Shikari 2023: So war's bei dem Konzert im Knust

Hamburg - Die britische Rockband Enter Shikari feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Bereits mit ihrem Debütalbum "Take to the Skies" erreichte die Formation Platz #4 in den britischen Charts und Goldstatus. In Deutschland sind Enter Shikari von derlei Erfolgen weit entfernt. Folgen tut ihnen dennoch eine loyale Fanbase. Bei der Show der Briten im Hamburger Musikclub Knust, wurde klar, warum. TAG24 hat sich umgesehen.

Sänger Roughton 'Rou' Reynolds (37) bei einer Show auf dem Szigit-Festival 2015. (Archivbild)
Sänger Roughton 'Rou' Reynolds (37) bei einer Show auf dem Szigit-Festival 2015. (Archivbild)  © Janos Marjai/dpa

Das Hamburger Knust ist eines dieser legendären Orte, wie es sie in der Hamburger Clublandschaft zuhauf zu geben scheint. Die Wahrheit ist: Insgesamt werden Orte, an denen sich Subkultur entfalten kann, immer weniger - daran ändert auch der ein oder andere Club nicht, der wesentlich älter ist als seine Besucher.

Das Knust wurde 1966 als "Jazzhouse" gegründet, es befindet sich heute am Lattenplatz, im Herzen des Karoviertels, in den Räumlichkeiten des ehemaligen Schlachthofs. Die Schlange an diesem Abend ist lang, sehr lang, sie führt bis in die Marktstraße. Auch so eine legendäre Straße, wie es so vieles legendäres gibt, auf St. Pauli.

Die Band, die heute spielen wird, ist nicht legendär, denn im Musikkontext werden so in erster Linie die Künstler bezeichnet, die musikalische Innovation mit weltweit monetärem Erfolg verbinden. Enter Shikari können diesen weltweiten Erfolg nicht vorweisen. Aber sie sind innovativ. Das wiederum hat in der strengen Musikszene bei nicht wenigen eine höhere Wertigkeit.

Enter Shikari in Hamburg: Klassische Instrumentierung aufgebrochen

Sänger Roughton 'Rou' Reynolds bei einem Festivalauftritt mit seiner Band "Enter Shikari."
Sänger Roughton 'Rou' Reynolds bei einem Festivalauftritt mit seiner Band "Enter Shikari."  © Janos Marjai/dpa

Die Leute in der Schlange, könnte man sagen, sehen aus wie die Leute in einer Konzertschlange vor einem Club auf St. Pauli eben aussehen: schwarz gekleidet, tätowiert, gepierced. Alternativer Chick halt.

In jedem Fall sehen die Besucher nicht so aus, als könnten sie mit elektronischer Musik etwas anfangen. Ja, man würde vermuten, dass hier die klassische Rockmusikinstrumentierung aus Gitarre/Bass und Schlagzeug als Heiliger Gral angesehen wird. Für alles andere, so könnte man meinen, hätten die Besucher nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig.

Drinnen eröffnet die Münchener Band Blackout Problems den Abend. "Alternative Rock", "Punk-Rock" heißt es bei Wikipedia über deren Stil, aber was heißt das schon, wenn irgendwas bei Wikipedia steht. Die Band ist eher im Post-Hardcore-Bereich einzuordnen, sitzt aber letztendlich zwischen allen Stühlen. Blackout Problems könnte man kennen, denn auch die Formation gibt es schon seit zehn Jahren, in Deutschland hatte die Band Charterfolge, sie galten mal als Künstlern "You have to watch" der Szene.

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Vor allem klingen und spielen sie wie ein Mainact. Als Sänger Mario Radetzky auf dem Innenbalkon des Knust Club über dem Publikum im ausverkauften Saal herumturnt, ist das definitiv einer der Hingucker des Abends.

Enter Shikari in Hamburg: Ausverkauft in weniger als einer Stunde

Nicht wenige Gäste dürften alleine wegen der Vorband gekommen sein, doch die meisten natürlich wegen des Headliners. In der Rekordzeit von unter einer Stunde seien die beiden Shows in Hamburg und Köln, die, Enter Shikari im Zuge der Veröffentlichung ihres neuen Albums "A Kiss For The Whole World" geben, ausverkauft gewesen. Dazwischen reisen die Briten noch nach Brüssel. Dann kommen die Sommerfestivals.

Enter Shikari hätten vor 20 Jahren den sogenannten Trancecore erfunden, erzählt mir ein guter Freund, der die Band am Vormittag des Tages interviewt hat. Die Band mischt also Core (Rock) und Trance, ein untrennbar mit den 1990er Jahren verbundenes Subgenre elektronischer Musik das immer auch irgendwo als asi galt. Paul van Dyk und Cosmic Baby, Sven Väth, Jam & Spoon, in England Paul Oakenfold, in den Niederlanden gehörten die heutigen Superstars Tiesto und Armin van Buuren zu den Vorreitern, dort entstand sogar ein eigenes Genre - der "Dutch Trance."

In ihren besten Momenten wirkt die Show von Enter Shikari wie ein interessanter Hybrid aus Clubparty und Rockkonzert, in den Schlechten macht sie den Eindruck einer Kirmesdisco.

Enter Shikari in Hamburg: Body Rock

Letzteres hat auch viel mit dem Licht zu tun, das nicht nur von oben, sondern von allen Seiten der Bühne kommt, mal flackert, sodass man die fehlende Epileptiker-Warnung sucht, mal in grün-pinker Farbgebung besonders trashig daherkommt.

20 Songs wird die Band an diesem Abend spielen, neue, wie den Opener "(pls) set me on fire", Klassiker wie "Juggernauts" aus dem Jahr 2009, oder das noch ältere Stock "Sorry, you're not a Winner" aus den Anfangstagen der Band (2004) im pendelum-Remix.

Vieles klingt gleich, nicht besonders anspruchsvoll. Wer bei "Post" an Gefrickel denkt, wird von Enter Shikari enttäuscht werden. Die Songs sind oft noch nicht mal stimmig, die Brücke wirken willkürlich.

Interessanterweise tut das weder der Stimmung, noch dem Fluss der Show einen Abbruch. Die 500 Gäste sind pausenlos in Bewegung, selbst an den Seiten des Raumes bleibt niemand stehen. Die T-Shirts und Haare schnell durchnässt oder ganz ausgezogen. Für Außenstehende mag auch der Trash-Faktor bei einer Show von Enter Shikari eine Rolle spielen.

Für alle ist es vor allem die Energie, der man sich nicht entziehen kann. Mit der Verschmelzung von Rock und elektronischer Musik haben Enter Shikari einst Maßstäbe besetzt und Generationen von Bands beeinflusst. Ihre Shows sorgen dafür, dass Sie das, was sie machen, seit 20 Jahren machen können - und die Leute immer wieder kommen.

Titelfoto: Janos Marjai/dpa

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