Pflegebedürftige Ehefrau "aus Liebe" erstickt: Urteil gegen überforderten 78-Jährigen gefallen

Berlin - Ein 78-jähriger Berliner, der seine zuletzt pflegebedürftige Frau nach 40 gemeinsamen Jahren umgebracht hatte, ist zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Das Landgericht ging von einer verminderten Steuerungsfähigkeit aus. (Archivbild)
Das Landgericht ging von einer verminderten Steuerungsfähigkeit aus. (Archivbild)  © Sonja Wurtscheid/dpa

Der Pensionär wurde am Montag des Totschlags in einem minderschweren Fall schuldig gesprochen.

Der Angeklagte, der sich aufopferungsvoll um die 79-Jährige gekümmert hatte, habe einerseits seine kranke Frau erlösen wollen und zum anderen aus Überforderung keinen Ausweg gesehen, hieß es im Urteil des Landgerichts Berlin. Es sei ihm nicht gelungen, angemessene Unterstützung zu organisieren.

Am 31. Mai 2022 hatte er seine Frau, deren körperlicher und geistiger Zustand sich seit 2021 stark verschlechtert hatte, in der gemeinsamen Wohnung in Berlin-Hakenfelde mit einem Kissen erstickt.

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Nach der Tat schrieb der deutsche Angeklagte einen Abschiedsbrief an die gemeinsame Tochter und bat sie darin um Verzeihung. Er informierte dann telefonisch die Polizei und öffnete die Tür der im dritten Stock gelegenen Wohnung, bevor er über das Balkongeländer sprang. Sanitäter retteten ihn.

Der Angeklagte hatte gestanden. Er und seine aus Norwegen stammende Frau hätten 40 wunderbare Jahre erlebt, schilderte der Senior.

"Sie war nur noch Haut und Knochen"

Schleichend habe sich ihr Zustand verschlechtert - "sie war nur noch Haut und Knochen, ich habe alles für sie gemacht, aus Liebe habe ich es gemacht." Er habe sie auch gewaschen und gewindelt. Bis er am Ende gewesen sei - "für mich war es unerträglich, sie so leiden zu sehen." Einige Monate zuvor sei sein Antrag auf eine Pflegestufe abgelehnt worden. Im Gespräch mit dem Medizinischen Dienst, das wegen der Corona-Pandemie telefonisch erfolgte, habe seine Frau behauptet, es gehe ihr gut.

Das Gericht ging von einer verminderten Steuerungsfähigkeit aus - nach einem psychiatrischen Gutachten habe sich der Mann zur Tatzeit in einer schweren depressiven Verfassung befunden.

Die Staatsanwältin hatte zweieinhalb Jahre Haft gefordert. Die Frau, die unter anderem an Atemnot und Demenz gelitten habe, sei "von ihm abhängig und nicht lebensmüde gewesen." Der Verteidiger plädierte auf eine Bewährungsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Normalerweise berichtet TAG24 nicht über versuchte Suizide. Da sich der Vorfall aber im Zusammenhang mit einem Verbrechen abgespielt hat, hat sich die Redaktion entschieden, es doch zu thematisieren.

Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, findet Ihr bei der Telefonseelsorge rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123.

Titelfoto: Sonja Wurtscheid/dpa

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