"Letzte Generation": Zwei Aktivistinnen in Hamburg verurteilt

Hamburg - Zwei Klimaaktivistinnen der "Letzten Generation" mussten sich am Montag vor dem Amtsgericht Hamburg-Mitte in gesonderten Prozessen verantworten. In beiden Fällen ging es um die Besetzung des Audimax der Universität Hamburg im Sommer 2022. Die jungen Frauen wurden zu Geldstrafen verurteilt.

Jana M. (30) beteiligt sich bundesweit an Protesten der "Letzten Generation". Sie kam mit ihrer Verteidigerin zum Prozess.
Jana M. (30) beteiligt sich bundesweit an Protesten der "Letzten Generation". Sie kam mit ihrer Verteidigerin zum Prozess.  © Oliver Wunder/TAG24

Jana M. (30) und Melanie G. (27) gaben in ihren Einlassungen zu, dass sie an der Beschädigung des Unigebäudes durch Farbe beteiligt waren. Amtsrichter Moritz Lieb, der beide Verhandlungen führte, sah die Vorwürfe bestätigt und verurteilte die Frauen zu Geldstrafen.

M. muss 50 Tagessätze je 30 Euro, insgesamt 1500 Euro, zuzüglich Verfahrenskosten zahlen. G. wurde ebenfalls zu 50 Tagessätzen verurteilt, diese liegen aber nur bei 5 Euro, sodass die Geldstrafe 250 Euro beträgt. Auch die 27-Jährige muss die Verfahrenskosten zahlen. Gegen die Entscheidung können Rechtsmittel eingelegt werden.

Die beiden Frauen waren dabei, als ab dem 30. Mai 2022 das Audimax von Klimaaktivisten besetzt wurde. Ziel war es, dass sich Uni-Präsidenten Hauke Heekeren (52) hinter ihre Forderungen stellen und einen Brief an die Bundesregierung schicken sollte. Das tat er aber nicht.

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Am 2. Juni 2022 eskalierten die Proteste daher. Die Aktivisten beschmierten Fassade, Türen, Fenster und Böden mit Farbe sowie Parolen. Es kam zur Räumung durch die Polizei, der Uni-Präsident stellte Strafanzeige wegen Sachbeschädigung.

Nicht nur wasserlösliche Farbe bei Protest am Audimax benutzt

Mehrere Aktivisten der "Letzten Generation" besetzten und beschmierten im Sommer 2022 das Audimax der Universität Hamburg. Sie werden alle juristisch verfolgt. (Archivbild)
Mehrere Aktivisten der "Letzten Generation" besetzten und beschmierten im Sommer 2022 das Audimax der Universität Hamburg. Sie werden alle juristisch verfolgt. (Archivbild)  © NEWS5 / Schröder

Der Schaden war enorm. Die Uni gab fast 18.000 Euro für die Reinigung der Fassaden und Innenräume sowie das Streichen der Gebäudesäulen und Türrahmen aus.

Da die Sachlage relativ eindeutig war, wurde gegen beide Frauen je ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen erlassen. Es ging um jeweils 1200 Euro. Der Fall wäre bei Zahlung nicht vor Gericht gelandet. Doch M. und G. erhoben Einspruch.

Zwar gaben beide im Prozess die Taten zu, doch verwiesen sie darauf, dass sie Sprühkreide benutzt hätten. Die sei wasserlöslich und bei etwas Regen nach kurzer Zeit verschwunden.

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Eine Überprüfung der Farbe durch das Landeskriminalamt ergab aber, dass beispielsweise das ebenfalls verwendete Baumarkier-Spray teilweise sogar mehrere Monate überdauern soll.

Außerdem wurde mit Feuerlöschern Wand- und Deckenfarbe der Marke "Schöner Wohnen" in den Farben Mango-Orange und Amarena-Rot verwendet, die sich nur schwer entfernen lässt. Da die Taten gemeinschaftlich begangen wurden, hafteten die beiden Frauen dafür mit.

Am und im Audimax hinterließen die Mitglieder der "Letzten Generation" zahlreiche Schmierereien. (Archivbild)
Am und im Audimax hinterließen die Mitglieder der "Letzten Generation" zahlreiche Schmierereien. (Archivbild)  © NEWS5 / Schröder

So rechtfertigen sich die Angeklagten der "Letzten Generation"

Melanie G. (27) hielt eine flammende Rede, um ihre Aktion zu rechtfertigen.
Melanie G. (27) hielt eine flammende Rede, um ihre Aktion zu rechtfertigen.  © Oliver Wunder/TAG24

Ihre Prozesse nutzten beide Frauen für teils flammende Reden, mit denen sie ihren Protest rechtfertigen wollten. Jana M. gab ihren Job als Psychologie-Dozentin an der Uni in Göttingen auf, "weil die Klimakrise zum Handeln zwingt". "Wissenschaftler warnen, dass die Klimakatastrophe unsere Lebensgrundlage unwiederbringlich vernichtet. Dann sterben hier Menschen auf den Straßen." Dagegen habe sie sich entschieden zu protestieren. "Daher ist es gerechtfertigt, Farbe irgendwo dran zu schmieren."

Ausführlicher führte Melanie G., ebenfalls Vollzeitaktivistin, die Gründe ihrer Teilnahme an den Protesten aus. Sie berief sich auf das 1,5-Grad-Ziel und sprach vom "Zwangsmarsch ins Verderben" angesichts drohender unbewohnbarer Zonen um den Äquator, Hungersnöten und Naturkatastrophen. Weitere Verzögerung beim Klimaschutz "bedeutet Tod". Derzeit werde nicht genug getan. "Wir leisten friedlichen zivilen Widerstand, um für notwendige politische Veränderungen zu sorgen."

Kein Parteiprogramm erreiche das 1,5-Grad-Ziel, mit Wahlen und Demos habe man es Jahrzehnte versucht, doch das habe nichts gebracht. "Wir befinden uns in einer Klimakrise, die Gefahr für Leib und Leben bedeutet." Zum Protest gebe es für sie keine Alternative. "Ich will einfach nicht, dass noch mehr Menschen sterben und wir unsere Welt zerstören."

Amtsrichter wendet sich mit Appell an Angeklagte

Amtsrichter Moritz Lieb (Mitte) verhandelte am Montag in zwei Prozessen wegen des beschmierten Audimax.
Amtsrichter Moritz Lieb (Mitte) verhandelte am Montag in zwei Prozessen wegen des beschmierten Audimax.  © Oliver Wunder/TAG24

In seinen Urteilsbegründungen kam Amtsrichter Lieb darauf zurück. Zur 30-jährigen M. sagte er: "Ihr politisches Anliegen kann ich und können sicherlich viele nur unterstreichen. Es wird immer weiter bewusst, dass es selbstverständlich Handlungsbedarf gibt." Klimaschutz sei sogar per Grundgesetz abgesichert.

Bei gesellschaftlichen Problemen und politischen Anliegen habe man sich in Deutschland aber darauf verständigt, die Dinge demokratisch, also mit Wahlen und in Parlamenten, zu lösen. "Wenn man nicht zufrieden ist, etwas durch Straftaten zu erzwingen, das machen wir nicht, sei das Anliegen auch noch so wichtig. Das ist die Büchse der Pandora." Diese wolle man nicht öffnen.

Der 27 Jahren alten G. sagte er: "Dadurch dass die Uni beschmiert wird, wird kein Mensch vor den schlimmen Folgen des Klimawandels gerettet." Sie solle stattdessen die Leute überzeugen, und zwar nicht im Gerichtssaal und nicht im Gefängnis. "Es ist keine Alternative mit Straftaten vorzugehen".

So wie das Audimax ausgesehen habe, war es eine "sinnlose Aktion". "Ich glaube, sie erweisen Ihrer Sache einen Bärendienst, weil viele Leute den Kopf schütteln".

Gegen beide Frauen laufen an anderen Gerichten weitere Verfahren. Auch die anderen Beteiligten des Protests in Hamburg werden juristisch verfolgt.

Titelfoto: Montage: Oliver Wunder/TAG24 (2)

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