Prozess gegen Attentäter von Magdeburg: Taleb A. soll für Diagnosen Google verwendet haben
Magdeburg - Am heutigen Mittwoch findet in Magdeburg der fünfte Tag im Prozess gegen den Attentäter vom Weihnachtsmarkt statt. Taleb A. (51) war vor seiner Tat als Arzt tätig, deshalb geht es um seinen Arbeitsplatz.
TAG24 ist vor Ort und berichtet in einem Liveblog direkt aus dem Gerichtsgebäude.
12.37 Uhr: Kollegin: Abwesenheit von Taleb A. hinterlässt keine Lücke
Laut der Psychotherapeutin wussten die Mitarbeiter teilweise bis zum Mittag nicht, ob er seinen Dienst antritt, weil seine häufigen Krankmeldungen auf sich warten ließen.
Taleb A. kontert darauf, dass er scheinbar vermisst wurde - was seiner Ansicht nach nicht der Fall gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit nicht gut ausgeführt hätte. Darauf raunt ein Lachen durch die Zuschauerreihen.
Der Aussage der Therapeutin nach habe er den Patienten oft seine eigene Meinung aufdrängen wollen, was als unangenehm empfunden wurde. Auch wenn er überwiegend still war, habe er in Einzelfällen starr auf seinen Ansichten beharrt.
Die Frage des vorsitzenden Richters, ob seine Abwesenheit eine Lücke hinterlassen hat, beantwortet sie mit einem klaren "Nein".
Kurz darauf ordnet der Vorsitzende eine Mittagspause bis 13.30 Uhr an.
11.48 Uhr: Taleb A. soll für Diagnosen Google verwendet haben
Eine Psychotherapeutin hat fünf Jahre lang mit Taleb A. zusammengearbeitet. Dass dieser oft abwesend war, bestätigt sie. Kollegen hätten ihn trotz Krankschreibung teilweise trinkend in Biergärten gesehen.
Sie habe seine ärztliche Kompetenz von Beginn angezweifelt, erklärt sie, da er sehr still gewesen sei und gerade anfangs schlecht Deutsch gesprochen habe. Dazu komme, dass er wenig engagiert gewesen sei, häufig müde gewirkt und psychotherapeutisches Verständnis schlicht gefehlt habe. Teils habe er zur Diagnose Google verwendet. Auch die Patienten hätten ihn nicht gut angenommen.
Die Aussage gegenüber seiner Kollegen im August 2024, dass er sich in einem Krieg befinde, bei dem das Endergebnis "sterben oder umbringen" sei, interpretierte sie nicht als fremdgefährdend - sie dachte, er beziehe sich auf seine Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe.
Er sei nie aggressiv oder auffällig gewesen: "Niemand von uns dachte, dass er plant, in der Lage ist, fähig ist, dieses grausame Attentat zu begehen."
11.13 Uhr: Magdeburg-Attentäter war oft krank
Die zweite Zeugin, eine Fachschwester für Psychiatrie, hatte ihr Büro neben dem des Attentäters.
Sie hat ihn laut eigener Aussage im Kontakt höflich wahrgenommen und keinen Grund, seine Kompetenz anzuzweifeln. In teils mehrstündigen Teamsitzungen, die dreimal die Woche stattfanden, habe er "souverän geantwortet". Beim Telefonieren sei er allerdings zweimal laut und wütend geworden, was sie durch die Wand gehört habe.
Im Oktober 2024 habe ihr Taleb A. bei einer Teambesprechung erzählt, dass er in seiner Heimat Saudi-Arabien als Islamkritiker politisch verfolgt werde und auch mit deutschen Behörden Probleme habe. Er schilderte ihr demnach, dass er in einem Polizeibericht als "wirr" beschrieben wurde, was ihn verärgere.
Kurz darauf ging er in den Urlaub und kam danach nicht in den Maßregelvollzug zurück. Schon vorher war er oft krankgemeldet und fehlte teilweise wochenlang.
10.39 Uhr: Taleb A. startet Diskussion über Unzuverlässigkeit
Nach den Aussagen der ersten Zeugin, bei der es sich um eine Krankenschwester handelte, deren Stationsarzt der Todesfahrer war, fängt dieser eine Diskussion an und wird laut.
Die ehemalige Kollegin nennt Taleb A. unzuverlässig und schildert zudem zwei Situationen, in welchen sie und ein Patient medizinisch gesehen anderer Meinung waren. Den saudi-arabischen Arzt machen ihre Schilderungen sichtlich wütend. Er verwickelt die Krankenschwester in eine Diskussion um Tatsachen, welche der vorsitzende Richter mehrfach unterbricht.
An dem Tag, als sie unterschiedlicher Auffassung zu einem Patiententransport waren, seien "alle gegen ihn gewesen", schreit Taleb A., bevor er sich wieder beruhigt.
Die Zeugin bleibt ruhig und sagt, dass er während des Arbeitsverhältnisses keine solchen Diskussionen mit ihr geführt habe.
10.11 Uhr: Taleb A. machte beunruhigende Aussage gegenüber ehemaliger Krankenschwester
Eine Krankenschwester, deren Stationsarzt Taleb A. seit Anfang 2024 war, nahm ihn regelmäßig als unzuverlässig wahr.
Sie habe Taleb A. nicht richtig als Teil des Teams erlebt, da er ruhig war und wenig kommuniziert habe. Außerdem habe sie ihm viel hinterhertelefonieren müssen: Morgens habe sie den Patienten oft nicht sagen können, ob er "da ist oder nicht". Andere Stationsärzte seien laut der Zeugin zuverlässiger gewesen.
Besorgt war sie, als ein Kollege den Arzt im August 2024 gefragt hatte, wie es ihm geht. Da sei von ihm die Aussage gekommen, dass nur noch "sterben oder umbringen" möglich sei. Sein Verhalten habe sich aber bis zum Schluss nicht verändert - er sei ruhig und distant geblieben.
9.37 Uhr: Arbeitgeber erscheint doch nicht
Der ehemalige Arbeitgeber von Taleb A. erscheint heute nicht zum Gerichtstermin, da sein Anwalt verhindert ist.
Dafür wird die Aussage von drei ehemaligen Kolleginnen, die für den Nachmittag geladen waren, vorgezogen.
7.30 Uhr: Ehemaliger Arbeitgeber vor Gericht geladen
An den ersten beiden Prozesstagen hat der Attentäter selbst ausgesagt. Anschließend ging es um die Autovermietung, bei der er seinen Wagen für den Anschlag abgeholt hatte. Zuletzt hatten Polizisten geschildert, wie sie Taleb A. am Tage der Tat erlebt hatten.
Am Mittwoch dreht sich der Prozess rund um den ehemaligen Arbeitsplatz des Attentäters: Taleb A. war als Arzt im (psychiatrischen) Maßregelvollzug in Bernburg tätig. Entsprechend sind der damalige ärztliche Leiter der Einrichtung sowie vier Mitarbeiter geladen.
Der Start des fünften Prozesstages ist um 9.30 Uhr geplant.
Titelfoto: Simon Kremer/dpa