Prozess gegen Attentäter von Magdeburg: Taleb A. gibt Polizei und Behörden Schuld

Magdeburg - Am heutigen Mittwoch findet in Magdeburg der fünfte Tag im Prozess gegen den Attentäter vom Weihnachtsmarkt statt. Taleb A. (51) war vor seiner Tat als Arzt tätig, weshalb nun seine Kollegen aussagen.

TAG24 ist vor Ort und berichtet in einem Liveblog direkt aus dem Gerichtsgebäude.

15.24 Uhr: "Wenn Deutschland das nicht versteht, dann hat Deutschland keinen Sinn“

Taleb A. berichtet im Video seiner Vernehmung vom Tag nach dem Anschlag weinend davon, wie er nur "Opfer schützen wollte".

Er berichtet von einem Prozess aus Februar 2023, bei dem er einen vermeintlichen Spendenbetrug gegen vier Asylsuchende durch die Säkulare Flüchtlingshilfe Köln angezeigt habe. Die Richter sollen ihn "ignoriert" und nur im Interesse der Kläger gehandelt haben, welche "nachweisbar Straftäter sind". Er habe die Opfer und ganz Deutschland schützen wollen.

Ausholend berichtet er davon, wie ein USB-Stick mit Beweisen aus seinem Briefkasten geklaut worden sei, was er der Kölner Polizei zuschreibt.

Auf die Frage des verhörenden Polizisten, was das mit dem Anschlug zu tun hat, antwortet er: "Wenn Deutschland das nicht versteht, dann hat Deutschland keinen Sinn“. Zu seiner Tat direkt will er sich nicht äußern.

14.38 Uhr: Die ersten Aussagen nach dem Anschlag

Nach der Mittagspause wird im Gericht ein Video vom 21. Dezember letzten Jahres gezeigt - die Beschuldigtenvernehmung vom Tag nach dem Anschlag.

Darin erklärt ein Beamter dem Attentäter seine Rechte und fragt, wie der Tag des Anschlags abgelaufen ist. Taleb A. erzählt, dass er die letzten 18 Stunden nicht geschlafen habe, die Nacht vorher nur vier Stunden. Gegessen habe er auch kaum etwas.

Am Tag des Anschlags habe er um 15 Uhr einen Termin mit der Autovermietung gehabt, wofür er die Bahn nach Magdeburg nahm. Nachdem er den späteren Anschlagswagen abgeholt hatte, mietete er sich ein Hotel in der Landeshauptstadt ein.

Als es zu seinem Motiv kommt, holt er weit aus: Seiner Meinung nach ist die Säkulare Flüchtlingshilfe Köln eine kriminelle Vereinigung. Seit 2019 habe er etliche Anzeigen gegen sie erstattet.

Zunächst sei er davon ausgegangen, dass die saudi-arabische Regierung hinter ihr stehe - bis er durch einen Tipp von einem Journalisten darauf gekommen sei, dass sie von Polizei-Informanten oder Behörden gegründet worden sei.

Da die Grünen die Flüchtlingshilfe unterstützten, seien auch sie beteiligt an der "kriminellen Vereinigung". Außerdem beschwert er sich darüber, dass die Kölner Polizei ihn "wirr" genannt hat. Er beginnt, über den Prozess mit der Organisation zu berichten und bricht in Tränen aus.

Taleb A. (51) wird zur Vernehmung von schwer bewaffneten Beamten hereingebracht.  © Simon Kremer/dpa

12.37 Uhr: Kollegin - Abwesenheit von Taleb A. hinterlässt keine Lücke

Laut der Psychotherapeutin wussten die Mitarbeiter teilweise bis zum Mittag nicht, ob er seinen Dienst antritt, weil seine häufigen Krankmeldungen auf sich warten ließen.

Taleb A. kontert darauf, dass er scheinbar vermisst wurde - was seiner Ansicht nach nicht der Fall gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit nicht gut ausgeführt hätte. Darauf raunt ein Lachen durch die Zuschauerreihen.

Der Aussage der Therapeutin nach habe er den Patienten oft seine eigene Meinung aufdrängen wollen, was als unangenehm empfunden wurde. Auch wenn er überwiegend still war, habe er in Einzelfällen starr auf seinen Ansichten beharrt.

Die Frage des vorsitzenden Richters, ob seine Abwesenheit eine Lücke hinterlassen hat, beantwortet sie mit einem klaren "Nein".

Kurz darauf ordnet der Vorsitzende eine Mittagspause bis 13.30 Uhr an.

11.48 Uhr: Taleb A. soll für Diagnosen Google verwendet haben

Eine Psychotherapeutin hat fünf Jahre lang mit Taleb A. zusammengearbeitet. Dass dieser oft abwesend war, bestätigt sie. Kollegen hätten ihn trotz Krankschreibung teilweise trinkend in Biergärten gesehen.

Sie habe seine ärztliche Kompetenz von Beginn angezweifelt, erklärt sie, da er sehr still gewesen sei und gerade anfangs schlecht Deutsch gesprochen habe. Dazu komme, dass er wenig engagiert gewesen sei, häufig müde gewirkt und psychotherapeutisches Verständnis schlicht gefehlt habe. Teils habe er zur Diagnose Google verwendet. Auch die Patienten hätten ihn nicht gut angenommen.

Die Aussage gegenüber seiner Kollegen im August 2024, dass er sich in einem Krieg befinde, bei dem das Endergebnis "sterben oder umbringen" sei, interpretierte sie nicht als fremdgefährdend - sie dachte, er beziehe sich auf seine Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe.

Er sei nie aggressiv oder auffällig gewesen: "Niemand von uns dachte, dass er plant, in der Lage ist, fähig ist, dieses grausame Attentat zu begehen."

Die Kollegen des Todesfahrers haben ihn nicht als aggressiv erlebt, eher als still.  © Simon Kremer/dpa

11.13 Uhr: Magdeburg-Attentäter war oft krank

Die zweite Zeugin, eine Fachschwester für Psychiatrie, hatte ihr Büro neben dem des Attentäters.

Sie hat ihn laut eigener Aussage im Kontakt höflich wahrgenommen und keinen Grund, seine Kompetenz anzuzweifeln. In teils mehrstündigen Teamsitzungen, die dreimal die Woche stattfanden, habe er "souverän geantwortet". Beim Telefonieren sei er allerdings zweimal laut und wütend geworden, was sie durch die Wand gehört habe.

Im Oktober 2024 habe ihr Taleb A. bei einer Teambesprechung erzählt, dass er in seiner Heimat Saudi-Arabien als Islamkritiker politisch verfolgt werde und auch mit deutschen Behörden Probleme habe. Er schilderte ihr demnach, dass er in einem Polizeibericht als "wirr" beschrieben wurde, was ihn verärgere.

Kurz darauf ging er in den Urlaub und kam danach nicht in den Maßregelvollzug zurück. Schon vorher war er oft krankgemeldet und fehlte teilweise wochenlang.

10.39 Uhr: Taleb A. startet Diskussion über Unzuverlässigkeit

Nach den Aussagen der ersten Zeugin, bei der es sich um eine Krankenschwester handelte, deren Stationsarzt der Todesfahrer war, fängt dieser eine Diskussion an und wird laut.

Die ehemalige Kollegin nennt Taleb A. unzuverlässig und schildert zudem zwei Situationen, in welchen sie und ein Patient medizinisch gesehen anderer Meinung waren. Den saudi-arabischen Arzt machen ihre Schilderungen sichtlich wütend. Er verwickelt die Krankenschwester in eine Diskussion um Tatsachen, welche der vorsitzende Richter mehrfach unterbricht.

An dem Tag, als sie unterschiedlicher Auffassung zu einem Patiententransport waren, seien "alle gegen ihn gewesen", schreit Taleb A., bevor er sich wieder beruhigt.

Die Zeugin bleibt ruhig und sagt, dass er während des Arbeitsverhältnisses keine solchen Diskussionen mit ihr geführt habe.

Taleb A. (51) machen die kritisierenden Aussagen zu seiner Verlässlichkeit im Arbeitsalltag sichtlich wütend.  © Simon Kremer/dpa

10.11 Uhr: Taleb A. machte beunruhigende Aussage gegenüber ehemaliger Krankenschwester

Eine Krankenschwester, deren Stationsarzt Taleb A. seit Anfang 2024 war, nahm ihn regelmäßig als unzuverlässig wahr.

Sie habe Taleb A. nicht richtig als Teil des Teams erlebt, da er ruhig war und wenig kommuniziert habe. Außerdem habe sie ihm viel hinterhertelefonieren müssen: Morgens habe sie den Patienten oft nicht sagen können, ob er "da ist oder nicht". Andere Stationsärzte seien laut der Zeugin zuverlässiger gewesen.

Besorgt war sie, als ein Kollege den Arzt im August 2024 gefragt hatte, wie es ihm geht. Da sei von ihm die Aussage gekommen, dass nur noch "sterben oder umbringen" möglich sei. Sein Verhalten habe sich aber bis zum Schluss nicht verändert - er sei ruhig und distant geblieben.

9.37 Uhr: Arbeitgeber erscheint doch nicht

Der ehemalige Arbeitgeber von Taleb A. erscheint heute nicht zum Gerichtstermin, da sein Anwalt verhindert ist.

Dafür wird die Aussage von drei ehemaligen Kolleginnen, die für den Nachmittag geladen waren, vorgezogen.

Taleb A. (51) arbeitete vor seinem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt als Arzt im Maßregelvollzug in Bernburg.  © Fotomontage: Heiko Rebsch/dpa, Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

7.30 Uhr: Ehemaliger Arbeitgeber vor Gericht geladen

An den ersten beiden Prozesstagen hat der Attentäter selbst ausgesagt. Anschließend ging es um die Autovermietung, bei der er seinen Wagen für den Anschlag abgeholt hatte. Zuletzt hatten Polizisten geschildert, wie sie Taleb A. am Tage der Tat erlebt hatten.

Am Mittwoch dreht sich der Prozess rund um den ehemaligen Arbeitsplatz des Attentäters: Taleb A. war seit März 2022 als Arzt im (psychiatrischen) Maßregelvollzug in Bernburg tätig. Entsprechend sind der damalige ärztliche Leiter der Einrichtung sowie vier Mitarbeiter geladen.

Der Start des fünften Prozesstages ist um 9.30 Uhr geplant.

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