Wirecard-Prozess: Verteidigung von Markus Braun bezeichnet Kronzeugen als "Lügner"!
München - Im Wirecard-Prozess um den mutmaßlich größten Betrugsfall in Deutschland seit 1945 attackiert die Verteidigung des früheren Vorstandschefs Markus Braun (53) den Kronzeugen der Anklage als "professionellen Lügner".

"Die Geschichte von Herrn Braun als Bandenanführer ist eine Gefälligkeitsaussage ohne jeden Realitätsbezug", sagte Brauns Anwalt Alfred Dierlamm am Donnerstag vor dem Landgericht in München.
"Ein professioneller Lügner", attackierte Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm den einstigen Untergebenen seines Mandanten. "Lügen ein Leben lang, auch nach Wirecard."
Ein Verwertungsverbot würde bedeuten, dass sämtliche Aussagen des Kronzeugen - inklusive der Anschuldigungen gegen seine Mitangeklagten - im Urteil nicht berücksichtigt werden.
Sowohl Brauns Anwälte als auch die Verteidigerin des ehemaligen Chefbuchhalters warfen Bellenhaus vor, in großem Umfang Daten gelöscht oder anderweitig vernichtet zu haben - E-Mails, Chats auf Telegram und Signal, sowie Wirecard-Geschäfts- und Firmendaten.
"Man muss immer seine Spuren vernichten", zitierte Sabine Stetter, die Verteidigerin des früheren Chefbuchhalters, aus einer erhalten gebliebenen Mail des Kronzeugen. "Der Angeklagte Bellenhaus hat sogar seine eigene Ehefrau über seine Identität getäuscht."
Wirecard-Prozess: "Die Geschichte von Herrn Braun als Bandenanführer ist eine Gefälligkeitsaussage"

Aktenkundig ist, dass Bellenhaus im Sommer 2020 unmittelbar vor seiner Inhaftierung auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft sein Handy verlor, das Mobiltelefon ist bis heute verschwunden. Bellenhaus habe den Ermittlern lediglich "einen präparierten Datenbestand" überlassen, sagte Stetter. Es sei ihm gelungen, "die Sichtweise der Staatsanwaltschaft zu manipulieren".
Der 49 Jahre alte Bellenhaus ist der einzige der drei Angeklagten, der die Vorwürfe der Münchner Staatsanwaltschaft einräumt. Der Kronzeuge hat im bisherigen Prozessverlauf sowohl Fälschungen und Manipulationen gestanden als auch Braun und den ehemaligen Chefbuchhalter schwer beschuldigt.
"Eine absurde Lügengeschichte", sagte Brauns Anwalt Dierlamm dazu. "Die Geschichte von Herrn Braun als Bandenanführer ist eine Gefälligkeitsaussage ohne jeden Realitätsbezug." Der Anwalt warf dem Kronzeugen einen "schmutzigen Handel" mit der Münchner Staatsanwaltschaft vor. "Ich habe aufgehört, in diesem Verfahren an Versehen und Zufälle zu glauben."
Laut Anklage agierten Braun und Komplizen als Betrügerbande, die mit Hilfe erfundener Umsätze und Gewinne Banken und Kreditgeber um über drei Milliarden Euro prellten. Braun selbst wird voraussichtlich am kommenden Montag erstmals persönlich zur Anklage Stellung nehmen.
Originalmeldung vom 9. Februar 2023; aktualisiert um 15.12 Uhr
Titelfoto: Peter Kneffel/dpa