Bedrohter Bürgermeister will eine Waffe tragen - doch er darf nicht

Harsum/Hannover - Marcel Litfin (36, parteilos) macht mit einem von ihm angestoßenen Prozess bundesweit Schlagzeilen, denn er will als erster deutscher Bürgermeister eine Waffe tragen dürfen. Doch er darf nicht.

Marcel Litfin (36, parteilos) neben seiner Anwältin Sarah Spiegelberg während der Verhandlung im Verwaltungsgericht Hannover.
Marcel Litfin (36, parteilos) neben seiner Anwältin Sarah Spiegelberg während der Verhandlung im Verwaltungsgericht Hannover.  © Julian Stratenschulte/dpa

Seit 2016 steht der 36-Jährige der kleinen 12.000-Einwohner-Gemeinde Harsum (Kreis Hildesheim, Niedersachsen) vor.

Wegen anhaltender Bedrohung seiner Person hatte er gegen den Landkreis auf das Tragen einer Waffe geklagt - denn der von ihm beantragte Waffenschein war dem parteilosen Politiker zuvor verwehrt worden.

Der Kammer sei zwar bewusst, dass es Angriffe auf Mandatsträger in Deutschland gebe, eine Waffe darf Litfin trotzdem auch in Zukunft nicht führen.

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Denn das Gericht schloss sich am Ende der Gefahreneinschätzung der Polizei an. Diese räume zwar eine Bedrohung des Bürgermeisters ein, sehe jedoch keine akute Gefährdungslage für Leib und Leben des 36-Jährigen gegeben.

Bedrohter Bürgermeister: Justiz und Behörden sehen keine akute Gefährdungslage

Marcel Litfin auf dem Weg in das Verwaltungsgericht Hannover.
Marcel Litfin auf dem Weg in das Verwaltungsgericht Hannover.  © Julian Stratenschulte/dpa

Litfin soll mehrfach von drei Männern - darunter ein mutmaßlich Rechtsradikaler und ein mutmaßlicher Reichsbürger - bedroht worden sein, so die Braunschweiger Zeitung.

Vor allem aber die Drohungen eines psychisch kranken Mannes und der Umgang mit diesem sorgen für Unverständnis bei dem Politiker. Der 50-Jährige ist mehrfach vorbestraft und im August 2022 wurde er festgenommen, weil er einen Gullydeckel von einer Brücke auf die A7 geworfen haben soll, wodurch zwei Personen schwer verletzt wurden.

Seit Dezember 2022 soll der Mann dem Bürgermeister Drohbriefe schreiben, vier Ordner mit Drohschreiben legte der Kläger im Prozess dem Gericht vor.

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Im Frühjahr 2022 soll der besagte Mann laut Anklage der Hildesheimer Justiz und dem Verein, der sich um seine Betreuung kümmert, telefonisch und via E-Mail mit Bombenanschlägen gedroht haben.

Das berichtet die Bild-Zeitung. Das Blatt schreibt auch, dass der Mann gedroht habe, dem Bürgermeister den Kopf einschlagen zu wollen.

Harsumer Bürgermeister spricht von Täter-Opfer-Umkehr

Der Harsumer Bürgermeister Marcel Litfin und seine Anwältin Sarah Spiegelberg werden gegen das Urteil wohl Revision einlegen.
Der Harsumer Bürgermeister Marcel Litfin und seine Anwältin Sarah Spiegelberg werden gegen das Urteil wohl Revision einlegen.  © Julian Stratenschulte/dpa

Der Mann soll durch den Sozialpsychatrischen Dienst des Kreises Hildesheim bereits begutachtet worden sein, eine Fremdgefährdung sei dabei allerdings nicht festgestellt worden.

Auch die Polizei und das Gericht sehen nicht die Gefahr, dass die Drohungen gegen Marcel Litfin in die Tat umgesetzt werden. Neben einem Waffenschein wurde dem Harsumer Bürgermeister auch Personenschutz verwehrt.

Litfin besitzt bereits den Kleinen Waffenschein, der ihn zum Tragen einer Gaspistole bevollmächtigt. Ausreichend geschützt fühlt sich der Amtsträger im Ernstfall dadurch allerdings nicht.

Wie er gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erklärte, verlasse er abends nicht mehr das Haus und nehme auch in den Abendstunden keine Termine mehr wahr, um seine Frau und seine beiden Töchter nicht alleine zu lassen.

Das Urteil, das Litfin als eine "Täter-Opfer-Umkehr" und eine "Farce" bezeichnete, ist noch nicht rechtskräftig. Vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg kann Berufung gegen das Urteil beantragt werden. Das wollen der Bürgermeister und sein Rechtsbeistand laut der Bild-Zeitung auch tun.

Titelfoto: Julian Stratenschulte/dpa

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