Strafrechtler: Deutsches Recht diente in vielen Ländern als Vorbild
Halle (Saale) - Trotz gleicher Systematik ist Strafrecht immer auch durch die Kultur des Landes geprägt. Um über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sprechen, empfängt Halle in dieser Woche Gäste aus der Ferne.
Wie Täterinnen und Täter vor Gericht bestraft werden, hängt immer auch von den Normen eines jeweiligen Landes ab. "In Japan wird beispielsweise ganz anders mit Fällen der Suizidhilfe umgegangen", sagte Henning Rosenau, Professor am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozess- und Medizinrecht der Universität Halle-Wittenberg im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Und der Strafvollzug sei dort im Vergleich zu Deutschland deutlich strenger.
Hierzulande lasse das Strafrecht hingegen die Bedeutung der Selbstbestimmung wie der Individualität des Menschen erkennen, sagte Rosenau.
Auch, um über eben diese Unterschiede zu sprechen, sind am 9. März Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Japan in Halle zu Gast. "Das deutsche Strafrecht war dort Vorbild für die Reform des Strafrechts 1907", erklärte der Professor. Dabei sei Japan längst nicht das einzige Land.
"Dass das deutsche Strafrecht solch eine Vorreiterrolle einnimmt, hat womöglich auch damit zu tun, dass wir Deutschen so exakt, systematisch und genau denken. Immerhin ist das fürs entscheidende Strafrecht unbedingt notwendig."
Anfang des 20. Jahrhunderts habe die deutsche Strafrechtswissenschaft als führend gegolten. Aber auch in jüngerer Vergangenheit - etwa bei der Reform des Strafrechts in der Türkei vor etwas mehr als zehn Jahren - sei Deutschland ein Vorbild gewesen.
Großes Thema bei Tagung in Halle: Hasskriminalität im Internet
Mittlerweile sei die japanische, ebenso wie die deutsche, eine ganz herausragende Strafrechtswissenschaft, sagte Rosenau, der auch Vorsitzender der Gendiagnostik-Kommission am Berliner Robert Koch-Institut ist.
"Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in Japan ist deshalb für beide Seiten sehr befruchtend", sagte der gebürtige Niedersachse.
Auf der Tagung in Halle sollen neben wissenschaftlichen Fragestellungen auch aktuelle Fragen mit strafrechtlichem Bezug behandelt werden. So steht beispielsweise der rechtliche Umgang mit rechtsgutverletzenden oder -gefährdenden Inhalten innerhalb sozialer Netzwerke auf dem Programm.
"Bei dem Thema ist ein Dialog zwischen den Ländern sicher gut. Immerhin geht es darum, zumindest einen Minimalkonsens über den Umgang mit Täterinnen und Tätern zu finden", so Rosenau. Dabei gelte es, ein dickes Brett zu bohren: "Denn sie stoßen schnell an die Grenzen, wenn es darum geht, die Normen verschiedenster Nationen miteinander zu vereinbaren", sagte der 58-Jährige.
Neben der Hasskriminalität im Internet wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem auch einen rechtswissenschaftlichen Blick auf die Reproduktionsmedizin und wirtschaftsstrafrechtliche Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Gesellschaft werfen. Insgesamt seien etwa 50 Kolleginnen und Kollegen angemeldet.
Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa