Ein Sommertag im Kölner Freibad und die Oben-Ohne-Diskussion: "Ekelhaft"

Köln - Der Sommer ist endgültig da und mit ihm die Freibadsaison. Für Kölner Frauen bedeutet das: "Oben ohne" in der Sonne brutzeln ist erlaubt. Die Autorin wurde allerdings Zeugin von einem Vorfall, an dem deutlich wird, dass längst nicht alle von der Idee begeistert sind. Ein Protokoll.

Seit dem 1. April haben in Kölner Schwimmbädern grundsätzlich erst einmal alle das gleiche Recht. (Symbolbild)
Seit dem 1. April haben in Kölner Schwimmbädern grundsätzlich erst einmal alle das gleiche Recht. (Symbolbild)  © Christian Knieps/dpa

Es ist einer der ersten richtig warmen Sommertage, seit in Köln das Oben-Ohne-Verbot für Frauen gefallen ist. Alle haben ab jetzt das gleiche Recht. Zumindest was das Weglassen der Kleidung auf der oberen Körperhälfte betrifft.

Zunächst einmal sollte allgemein klargestellt sein, dass die weiblichen Körpermerkmale durch einen Bikini - wer ihn trägt - nicht wie durch Zauberhand verschwinden. Sie sind da. Ob nun bedeckt oder nicht.

Während ich mir dessen als Frau seit meiner Pubertät bewusst bin, liege ich an einem gewöhnlichen Wochentag in einem Kölner Freibad im Westen der Stadt und lese. Die Schlangen an der Kasse werden nach Schulschluss länger, Familien liegen auf den noch verfügbaren Sonnenliegen.

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Die Sonne brennt bei 27 Grad gnadenlos vom Himmel, es riecht nach verbranntem Gras sowie Sonnencreme und aus der Ferne ertönt leichtes Kindergebrüll. So weit, so normal.

Als ich mich aufrichte, um etwas zu trinken, sehe ich eine Frau. Sie ist etwa Ende 20. Mein Alter. Sie legt sich zwei Meter von mir entfernt auf die Wiese und zieht sich mit einer Selbstverständlichkeit das Bikini-Oberteil über den Kopf, klappt ihr Buch auf und legt sich hin. "Ach ja, das darf man ja jetzt", erwische ich mich beim Denken, bewundere die Frau im selben Atemzug jedoch für ihre Lässigkeit.

"Das lass' ich mir nicht geben"

In einem vollen Freibad ist es noch immer mutig, sein Oberteil auszuziehen. (Symbolbild)
In einem vollen Freibad ist es noch immer mutig, sein Oberteil auszuziehen. (Symbolbild)  © Annette Riedl/dpa

Plötzlich ertönt ein lautes "Ekelhaft!" aus der Richtung der Familie, die es sich nur wenige Meter von uns entfernt auf fünf Liegestühlen gemütlich gemacht hat. "Das lass' ich mir nicht geben", folgt wenig später. Überrascht schaue ich auf, bis ich ungläubig feststellen muss, dass sich die Beleidigungen auf die gerade eben angekommene Frau in meinem Alter beziehen.

Auch sie schaut irritiert auf, geht auf die fiese Bemerkung jedoch nicht ein. Davon offenbar angestachelt macht die Besucherin, nur wenige Jahre älter als wir, weiter. "Ekelhaft" ertönt es immer häufiger, sobald die lesende Frau sich bewegt. Was sie wenig später entgegnet, kann ich nicht verstehen.

Allerdings spüre ich ihren Unmut und habe das Gefühl, sie unterstützen zu müssen. Weil sie von einer etwa Gleichaltrigen beschimpft wird. Es sei erlaubt und die freie Entscheidung einer jeden Frau. Kein triftiges Argument, wie die wütende Freibadbesucherin mir zu verstehen gibt. Kinder seien anwesend (in diesem Fall lediglich ihre Tochter im Teenageralter). Und so trägt es sich zu, dass drei Frauen aus derselben Generation darüber diskutieren, wer nun richtig handelt.

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Als ich merke, dass ich auf Granit beiße, gebe ich auf. Nur um wenige Minuten später erneut zu hören, wie "ekelhaft" die Oben-ohne-Tragende sei. Eine Beschwerde beim Bademeister habe zu nichts geführt, wie sie ihre ebenfalls weibliche Begleitung lautstark wissen lässt.

So werden Diskussionen in Köln ad acta gelegt

Die hitzige Diskussion um die Bikinis von Frauen ist nicht erst seit dem Vorfall im Freibad entbrannt. (Symbolbild)
Die hitzige Diskussion um die Bikinis von Frauen ist nicht erst seit dem Vorfall im Freibad entbrannt. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Während die Frau die Hass-Tiraden über sich ergehen lässt, sitzt sie weiterhin ohne Bikini-Oberteil in der Sonne und hält dem Gegenwind tapfer stand. Die Familie platziert ihre Sonnenliegen daraufhin anders, um sich "das nicht mehr geben" zu müssen.

Ich schüttle fassungslos den Kopf und versuche zu verstehen, was hier gerade passiert. Ich stelle mir die Frage, wieso wir uns heutzutage über solch eine Lappalie aufregen müssen. Ob Frauen sich nicht gegenseitig unterstützen sollten? Und wie kann man eine fremde Person überhaupt so sehr verletzen und vielleicht nachhaltig traumatisieren? Und welches Bild von Frauen vermittelt sie ihrer jungen Tochter, die doch auch frei sein sollte zu entscheiden, wie sie sich zeigen möchte?

Das ist offenbar eben jener Realitätscheck, vor dem bei Einführung der neuen Regelung "gewarnt" wurde. Ihre Energie hat die Besucherin zumindest umsonst verspielt. Neben ihr zieht sich eine weitere Frau das Oberteil aus. Am Ende ihrer Hass-Tirade kommen Bademeister und Security auf sie zu - gerufen von der jungen Frau - und weisen die unzufriedene Besucherin in ihre Schranken. Es sei normal, auch Kinder müssten nun mit dem neuen Bild in Freibädern lernen umzugehen.

Vier Kölsche Originale haben sich derweil ebenfalls auf die Wiese gelegt und schütteln gleichermaßen den Kopf. Als die junge Kölnerin, sichtbar angefasst von den Beleidigungen der letzten Stunden, gehen will, rufen die Frauen ihr unterstützend zu: "Mädche, bliev he. Die soll sich nit esu ahnstelle." Ich lächle und denke: "Gut, dass wir in Köln sind. So wird das hier geregelt."

Titelfoto: Montage: Annette Riedl/dpa, Sebastian Gollnow/dpa

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