Die Küstners: Eine über Jahrhunderte einflussreiche Familie kommt ins Museum
Leipzig - Mit einem Wollhandel um 1670 und der Gründung eines Bank- und Handelshauses beginnt die ruhmreiche Geschichte der Leipziger Familiendynastie der Küstners. Sie mischten fortan in Wirtschaft, Politik und Kultur von Stadt und Land mit. Die Kaufleute, Bankiers, Bürgermeister, Räte, Professoren, Stifter, Kunstmäzene, Bauherren und Rittergutsbesitzer haben überall in der Messestadt Spuren hinterlassen. Manche nennen sie sogar die "Fugger von Leipzig". Doch die langjährige Familientradition ist jetzt in Gefahr.

Vor gut 350 Jahren fing alles an. Lukrative Messegeschäfte lockten den 20-jährigen Johann Philipp Küstner (1650–1729) aus Dreieichenhain (bei Frankfurt/Main) nach Leipzig. Er steigt um 1670 in eine Manufaktur für Tuch- und Wollhandel ein. Doch es bleibt nicht beim Handel.
Der pfiffige Johann Philipp weitet seine Unternehmungen schon bald auf Geld- und Kreditgeschäfte aus und kauft 1741 das Eckhaus am Leipziger Marktplatz/Hainstraße als künftiges Bank- und Wohnhaus der Küstner-Dynastie.
Zu DDR-Zeiten war es das Gebäude der Sparkasse. Nach der Wende wurden hier die ersten D-Mark-Scheine ausgezahlt. Im Keller stehen noch die alten Tresore. Heute befindet sich das Restaurant "Weinstock" in dem Haus.
Viele der Küstners studierten Jura, heiraten sich in die höheren Schichten der Gesellschaft ein. Mit dem sozialen Aufstieg begann der Einfluss in Wirtschaft und Politik. Sie bestimmten als Bürgermeister, Bankiers und Kaufleute oder Wissenschaftler, Stifter und Künstler die Geschicke der Stadt.
Die Küstners sind inzwischen weltweit verstreut

Heute ist Hans Heinrich Ferdinand Küstner (83) der letzte Nachfahre in Leipzig: "Ich bin in der Ottostraße aufgewachsen, die 1945 zu Ehren meines Vaters in Paul-Küstner-Straße umbenannt wurde."
Als Sechsjähriger hat er seinen Vater zu Weihnachten 1944 zuletzt bei einem Besuch im Untersuchungsgefängnis in Leipzig-Reudnitz gesehen, bevor der Widerstandskämpfer ohne Prozess von der Gestapo erschossen wurde.
"Nachdem das Gefängnis ausgebombt war, hätte er - wie viele andere Häftlinge auch - fliehen können. Doch er blieb, weil er seine Familie nicht in Gefahr bringen wollte", erzählt sein Sohn. "Geblieben ist mir von ihm nur eine Armeetasche aus dem Ersten Weltkrieg und sein Abschiedsbrief an Mutter und uns drei Kinder", erzählt der 83-Jährige.
Die Küstners sind inzwischen weltweit verstreut. Ein großer Familienzweig lebt auch im spanischen Malaga. "Regelmäßig finden Familientreffen statt. Das nächste ist zu Ostern in Leipzig geplant", sagt Hans Heinrich Ferdinand Küstner. Er war Diplom-Wirtschaftler für den DDR-Außenhandel, arbeitete für das Kombinat TAKRAF und im Leipziger Messeamt.
Mit ihm wird die Leipziger Küstner-Dynastie eines Tages wohl aussterben: "Meine einzige Tochter bekommt leider keine Kinder."
Ihr Wappen ziert die Thomaskirche

Die Krone im Familienwappen zeugt von adeliger Herkunft der Küstners. Die zwei Schlüssel sind Symbole für einen Küster (Lateinisch: Hüter, Wächter), der als Kirchwart die Schlüsselgewalt über Gotteshäuser hat.
"Wir dachten lange, dass unser Familienname seinen Ursprung bei Küstern hat", erzählt Hans Küstner. "Jetzt wissen wir: Er geht auf den Beruf des Kistenmachers zurück." Beim 4. Familientreffen im Jahr 2000 in Leipzig wurden 10.000 D-Mark für ein neues Bleiglasfenster mit dem Familienwappen für die Thomaskirche gesammelt.
Küstner: "Das Fenster befand sich bis zu den Kriegsbeschädigungen auf der Nordseite des Kirchenschiffes, ist jetzt auf der Südseite eingebaut."

Im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig (Böttchergäßchen 2) ist ab kommenden Mittwoch bis zum 29. Mai eine Studioausstellung über die Familie Küstner zu sehen. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr. Eintritt: 5/2,50 Euro.
Titelfoto: Montage: Ralf Seegers