Tickets in Leipziger Trams nur noch ohne Bargeld: "Schlechte Erfahrungen mit der Stasi"
Leipzig - Wer zahlt denn noch mit Münzen? In Leipziger Straßenbahnen zumindest niemand - denn es geht gar nicht mehr. Die BSW-Fraktion forderte im Stadtrat den Erhalt der Möglichkeit, beschlossen wurde am Ende etwas anderes.
Alles in Kürze
- Leipziger Trams akzeptieren kein Bargeld mehr.
- Kunden müssen mit Bankkarte oder Handy zahlen.
- BSW-Fraktion fordert Erhalt von Bargeldzahlungen.
- Grünen-Stadträtin kritisiert Verschwörungstheorien.
- Abstimmung: Grüne-Änderungsantrag geht durch.

"Seit Januar dürfen Kunden und Kundinnen des Leipziger ÖPNV nicht mehr mit Bargeld in den Fahrzeugen zahlen, sie werden gezwungen, wenn sie dort kaufen wollen, dies mit ihrer Bankkarte oder dem Handy zu tun", sagte Eric Recke (38, BSW) am Mittwoch in der Ratsversammlung. So sei ein eigentlich als Zusatz gedachtes Angebot schließlich zum Ersatz geworden.
"Zwar kann noch in den Servicestellen und an den stationären Automaten mit Bargeld gezahlt werden, aber diese sind eben nicht überall vorfindbar", so der Stadtrat. Dass sich bisher keiner bei der LVB beschwert habe, überrasche ihn nicht: "Wer sich heutzutage der heilsversprechenden Digitalisierung entzieht und beispielsweise ein Recht auf analoges Leben einfordert, wird meist belächelt und direkt für nicht mehr ganz dicht erklärt."
Darüber hinaus seien die Betroffenen ja schon bei der Abschaffung nicht einbezogen worden: "Warum sollten sie auch denken, irgendjemand schert sich um sie in dieser Frage."
Gründe, um gegen bargeldlose Zahlung zu sein, beschrieb der BSW-Mann so: "Zuvorderst steht das Misstrauen gegenüber dem Staat, die Leute wollen nicht gläsern und überwachbar sein, ob nun aus schlechten Erfahrungen mit der Stasi, dem Verfassungsschutz, dem BND oder anderen übergriffigen staatlichen Instanzen." Zudem bestehe die Sorge vor Kriminalität und bei "älteren Menschen, Menschen mit geistigen Behinderungen oder mit seelischen Störungen" die Gewohnheit.
Grünen-Stadträtin: "Bizarr, wenn man hier ein bisschen verschwörerisch unterwegs ist"

In einer Stellungnahme der Verwaltung dazu hieß es: "Der Oberbürgermeister beauftragt die LVB, das Kundenverhalten weiterhin genau zu analysieren und im Rahmen eines verantwortungsbewussten Umgangs mit öffentlichen Geldern regelmäßig das Vertriebsnetz zu überprüfen." Denn: Das Interesse an Bargeldzahlungen habe stark nachgelassen, der Unterhaltungsaufwand lohne sich nicht.
Katharina Krefft (47, Grüne) brachte dazu eine Ergänzung an: "Wir haben grundsätzlich Verständnis für die Initiative des BSW, wenngleich wir ausdrücklich nicht teilen, was sie hier an Gefahren benennen, denn immerhin haben wir eine Datenschutz-Grundverordnung und auch ein Bankgeheimnis, insofern ist das schon bizarr, wenn man hier ein bisschen verschwörerisch unterwegs ist."
Wichtig sei der Blick auf Fahrgäste ohne Zugang zu bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten: etwa Schulkinder zwischen sechs und 14 Jahren, Senioren und Menschen ohne eigenes Konto. Der geforderte Zusatz: auch "die Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr" zu analysieren.
Der Änderungsantrag der Grünen ging bei der anschließenden Abstimmung durch.
Titelfoto: Montage: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa; TAG24