Aufstieg und Fall des Gremium MC in Sachsen

Die Rockerszene in Sachsen - sie ist bunt und vielfältig, aber auch verschlossen und voller Rätsel. In unserer neuen Serie wollen wir einen Einblick in eine faszinierende, teilweise auch verstörende Subkultur geben - unverstellt, ungeschönt und jenseits üblicher Klischees. Rockerclubs haben uns ihre Türen geöffnet, Polizisten ihre Akten, ein Philosoph seine Gedankenwelt.

In Dresden waren sie die Chefs

Nach dem Prozess um den Überfall auf die Highway Wolves posierten Gremium-Rocker vor dem Gericht.
Nach dem Prozess um den Überfall auf die Highway Wolves posierten Gremium-Rocker vor dem Gericht.

Von Alexander Bischoff und Jens Fuge

Dresden - Unter den „Big Four“ in Deutschland, den international verbreiteten Rockerclubs, ist der Gremium MC der einzige deutsche Club. Er wurde 1972 in Mannheim gegründet und hat heute weltweit rund 140 Chapter.

Nach Sachsen kamen die Schwarz-Weißen mit der geballten Faust im Colour 1999. Der Dresdner Clan MC, der 1996 aus dem zwei Jahre zuvor gegründeten White Priest MC entstand, wurde da zum Gremium MC Dresden.

Im Jahr 2010 kam das Chapter Chemnitz dazu, 2011 Plauen und die Nomads Eastside.

In der Landeshauptstadt waren die Gremium-Rocker lange Zeit tonangebend in der Szene. Allerdings nicht immer mit feinen Methoden. So geht der bislang blutigste Konflikt in Sachsens Rockerszene auf das Konto des Dresdner Gremium-Chapters.

Am 9. Februar 2000 überfielen die Mannen um Ex-Präsi Heiko R. (49) den damaligen Döbelner MC Highway Wolves. Bei dem Überfall wurde Wölfe-Präsident Thomas „Borsti“ D. (22) mit einer abgesägten Schrotflinte erschossen.

Sechs weitere Döbelner Rocker wurden von den Dresdnern krankenhausreif geschlagen, das Inventar ihres Clubhauses zerstört.

Tragen ihren Präsidenten Thomas "Borsti" D. (22, kl. Foto) zu Grabe: Mitglieder Highway Wolves MC Döbeln. Kurz danach fusionieren die Wölfe mit den Road Lions aus Leipzig.
Tragen ihren Präsidenten Thomas "Borsti" D. (22, kl. Foto) zu Grabe: Mitglieder Highway Wolves MC Döbeln. Kurz danach fusionieren die Wölfe mit den Road Lions aus Leipzig.
Der damalige Gremium-Präsident Heiko R. (mit Zigarette) hinter Stacheldraht - er war der Todesschütze.
Der damalige Gremium-Präsident Heiko R. (mit Zigarette) hinter Stacheldraht - er war der Todesschütze.

Vor Gericht stellten die zwölf angeklagten Gremium-Mitglieder die Tat später als Rache für eine vorangegangene Schlägerei mit den Wölfen in Zwickau dar.

Allerdings schien das wahre Motiv ein anderes zu sein: Die Highway Wolves standen damals kurz vor dem Übertritt zum Leipziger Road Lions MC, aus dem später der Hells Angels-Unterstützerclub Red Devils MC wurde. Ein Dorn im Auge der Schwarz-Weißen.

Tatsächlich konnte der Überfall den Wechsel der Döbelner in das Lager der Rot-Weißen nicht verhindern. Kurz nach "Borstis" Tod fusionierten die Clubs. Allerdings schloss sich das Döbelner Chapter drei Jahre später dem Dark Forces MC an, der bis heute zu den großen, unabhängigen Regionalclubs in Mitteldeutschland zählt.

Nach einem späten Geständnis wurde Gremium-Präsi Heiko R. im Rahmen eines „Big Deal“ vom Landgericht Leipzig als Todesschütze zu fünf Jahren und fünf Monaten Knast verurteilt.

Die anderen Angeklagten kamen mit Haftstrafen von 33 Monaten bis vier Jahren davon, mussten „Borstis“ Familie aber ein fünfstelliges Schmerzensgeld zahlen.

In der Rockerszene war Gremium Sachsen damit „untendurch“. Denn bei dem Überfall hatten die Dresdner gleich gegen mehrere Ehren-Kodizes der Rocker verstoßen: So erfolgte der Angriff ohne vorherige Ansage, zudem maskiert und ohne Kutte. Auch galt die physische Vernichtung eines Gegners damals noch als Tabu.

Eines der letzten Fotos der sächsischen Gremium-Rocker vor dem Verbot ihres Clubs.
Eines der letzten Fotos der sächsischen Gremium-Rocker vor dem Verbot ihres Clubs.

Mit dem Aufkommen von Bandidos und Hells Angels in Sachsen verlor Gremium in der Szene an Bedeutung, zumal es mehrere Mitglieder zum „Farbenwechsel“ drängte.

So wechselte auch Ex-Präsi Heiko R. die Seiten und heuerte bei den Dresdner Angels an. Größere Scharmützel unter den Clubs blieben zumindest in Sachsen aus.

Dafür sorgten die Schwarz-Weißen in Brandenburg für Ärger, was 2013 zum Verbot aller vier sächsischen Gremium-Chapter sowie des Unterstützerclubs „Härte Plauen“ durch das Bundesinnenministerium führte.

Hintergrund: Sächsische Gremium-Rocker hatten im Dezember 2011 vor einer Disco in Königs-Wusterhauen einen 16-Jährigen niedergestochen, weil sie ihn für einen Hells Angel hielten.

Der völlig unbeteiligte Junge, der lebensgefährlich verletzt wurde, war das erste „zivile“ Opfer im Krieg der Rocker.

Weitere Teile der Serie:

HELLS ANGELS MC: DIE ROT-WEISSE MACHT AUS LEIPZIG

INTERVIEW MIT HELLS ANGELS-LEGENDE SONNY BARGER

WIE KRIMINELL SIND DIE HELLS ANGELS WIRKLICH?

ALLE TEILE DER ROCKER-SERIE

Fotos: Ronald Bonß, Maik Börner, Jens Fuge, Picture Point, Andrzej Rydzik, Bikers News