Niedrigwasser in Talsperre: Wiedersehen mit einem versunkenen Dorf

Dippoldiswalde - In Scharen pilgern die Sachsen in diesen Tagen ins Osterzgebirge - alle wollen die Talsperre Lehnmühle guck'n! Wo das Wasser für gewöhnlich 15 Meter tief ist, herrscht wegen extremer Trockenheit seit Tagen Ebbe.

Auch das Wasserrad der alten Schmiede ist wieder aufgetaucht.
Auch das Wasserrad der alten Schmiede ist wieder aufgetaucht.  © Eric Münch

Sogar die Überreste eines alten Dorfes sind nun aufgetaucht: Steinbrückmühle wurde 1932 der Talsperre Lehnmühle geopfert, ging in den Fluten unter.

Das Staubecken ist gerade mal noch zu einem Viertel gefüllt. Plötzlich ragt die alte Steinbrücke des untergegangenen Dorfes wieder aus dem Wasser. Ähnlich niedrig war der Pegel erst ein Mal, erinnern sich Einheimische. "1975 war die Brücke schon einmal aufgetaucht. Wir sind damals gleich drauf, haben die alten Bergahorn-Baumstümpfe untersucht. Die erkenne ich jetzt wieder. Für mich werden alte Kindheitserinnerungen lebendig", berichtet Kathrein Göhler (56), die an der Talsperre aufwuchs.

Ihr Vater zeigt auf die alte Dorfstraße, die jetzt wieder sichtbar ist: "Früher kam hier der Bus von Olbernhau nach Dresden entlang, fuhr über die Brücke", weiß Wolfgang Pretzsch (89). "Da unten war die alte Schmiede. Zu der gehörte das Wasserrad, das man jetzt wieder sehen kann." Erkennbar sind auch die steinernen Überreste von Mühle und Gasthof. Unentwegt pilgern neue Interessierte zum sächsischen "Atlantis": "So etwas habe ich noch nie gesehen, finde das super interessant", sagt René Göpfert (45). Er ist extra mit Verwandten aus dem Kurort Hartha gekommen.

Die alten Dorfbewohner kennt kaum noch einer, da die meisten längst verstorben sind. Rund 55 Steinbrückmühler lebten in den Zwanzigerjahren in elf Häusern. Sie mussten für den Talsperrenbau ihre Heime aufgeben, wurden entschädigt. Wegen der frühen Schneeschmelze im Januar 1932 kam die Flut allerdings eher als geplant. Als der Gasthof im Wasser versank, waren noch Bewohner darin. Die Nachbarn aus Hartmannsdorf eilten herbei, zimmerten am Waldrand ein Floß, retteten die letzten Bewohner aus Steinbrückmühle.

Wer die Ruinen sehen will, sollte sich aber nicht zu nah ans Ufer wagen, um nicht unverhofft zu versinken. Auch die Brücke sollte wegen Einsturzgefahr nicht mehr betreten werden, warnt die Landestalsperrenverwaltung.

Kathrein Göhler (56) wuchs an der Talsperre Lehnmühle auf. Als Kind erkundete sie bereits 1975 die Bergahorn-Stümpfe.
Kathrein Göhler (56) wuchs an der Talsperre Lehnmühle auf. Als Kind erkundete sie bereits 1975 die Bergahorn-Stümpfe.  © Eric Münch
Steinbrückmühle vor der Flut: Rund 55 Bewohner lebten in den Zwanzigerjahren in elf Häusern. 1932 ging der Ort im Wasser unter.
Steinbrückmühle vor der Flut: Rund 55 Bewohner lebten in den Zwanzigerjahren in elf Häusern. 1932 ging der Ort im Wasser unter.  © Eric Münch
Dieselbe Perspektive heute: Wo sonst nur Wasser sichtbar ist, tauchen jetzt Überreste von Steinbrückmühle auf. Erkennbar die alte Brücke mit Baumstümpfen und Straße sowie Überreste der Gebäude.
Dieselbe Perspektive heute: Wo sonst nur Wasser sichtbar ist, tauchen jetzt Überreste von Steinbrückmühle auf. Erkennbar die alte Brücke mit Baumstümpfen und Straße sowie Überreste der Gebäude.  © Eric Münch
Einige Monate früher als geplant flutete im Januar 1932 das Wasser den Ort Steinbrückmühle. Die letzten Bewohner mussten mit einem Floß evakuiert werden.
Einige Monate früher als geplant flutete im Januar 1932 das Wasser den Ort Steinbrückmühle. Die letzten Bewohner mussten mit einem Floß evakuiert werden.  © Eric Münch

Titelfoto: Eric Münch