Dieser Mann ist der "Goldgräber" von Dynamo

Kristian Walter (li.) mit Trainer Uwe Neuhaus im Wintercamp in Marbella. Ab und an werden auch Trainingseinheiten gefilmt.
Kristian Walter (li.) mit Trainer Uwe Neuhaus im Wintercamp in Marbella. Ab und an werden auch Trainingseinheiten gefilmt.  © Lutz Hentschel

Dresden – Wenn am Sonntag die Fans die Uhren wieder nach Dynamo ausrichten, die Spieler gespannt auf den Anpfiff warten und der Trainer dem Team die letzten Anweisungen für die Auftaktpartie gegen den MSV Duisburg gibt, ist ein Mann mit den Gedanken ganz woanders: Kristian Walter wird nicht im Stadion weilen, sondern in Tschechien auf geheimer Mission für Dynamo unterwegs sein.

Wie immer hat er im Vorfeld Uwe Neuhaus eine präzise Analyse des Gegners vorgelegt, dem Team in einer Videositzung aufgezeigt, was es vom Aufsteiger zu erwarten hat. „Manche schauen gespannt hin und stellen Fragen, andere kratzen sich am Arm und der Dritte sagt, er erkennt am Schuhwerk des Gegenspielers, was er drauf hat“, lacht der 33-Jährige.

In bunten knalligen Schuhen stecke demnach der technisch versierte Dribbler, vom Träger eines bestimmten schwarzen Beckenbauer-Modells von Adidas seien Kabinettsstückchen eher nicht zu erwarten.

Walter ist ein Mann im Hintergrund, doch gemeinsam mit Ralf Minge und Uwe Neuhaus der „Goldgräber“ bei Dynamo. Aus seiner 4.000 Spieler umfassenden Datenbank fischte der Verein Spieler wie Hefele, Eilers, Moll, Gogia, Kutschke und Ballas, die bei den Schwarz-Gelben eine Entwicklung nahmen, die ihnen nicht viele Vereine zugetraut hätten.

Den Blick geschärft für Dinge, die andere nicht sehen: Kristian Walter ist maßgeblich daran beteiligt, welche Spieler Dynamo holt.
Den Blick geschärft für Dinge, die andere nicht sehen: Kristian Walter ist maßgeblich daran beteiligt, welche Spieler Dynamo holt.  © Robert Michael

„Nach dem Abstieg 2014 saßen Ralf und ich zusammen, mussten tief Luft holen. Aber wir waren gut vorbereitet und nach wenigen Wochen brutal überzeugt von den Spielern, die wir gesichtet und am Ende geholt haben“, erinnert er sich. Auch wenn er zugibt, dass Furghill Zeldenrust einer der schlechtesten Transfers in seiner Zeit bei Dynamo war. „Er hat bei uns einfach nicht funktioniert.“

Walter war damals erst eineinhalb Jahre im Verein, obwohl er in Dresden geboren ist. Er hat bis zur Verbandsoberliga gespielt, sich schon als Teenager für Fußball-Analyse interessiert und durch den Mann seiner 14 Jahre älteren Schwester, dem Spielerberater Helmut Richter, früh ins Geschäft reingeschnuppert.

Vor 5 Jahren stellte der studierte Sportmanager Dynamo „InstatFootball“ vor, einen Datenlieferanten im Scoutingbereich. Der damalige Sportdirektor Steffen Menze war begeistert davon, entschied sich nicht nur für das Angebot, sondern Walter selbst. Nach einiger Zeit wurde er zum Leiter der Abteilung und versuchte, sich etwas aufzubauen.

Seit der Rückkehr von Minge zu Dynamo sind die beiden ein unschlagbares und unzertrennliches Team, dem noch zwei feste, zwei freie Mitarbeiter und zwei Ehrenamtliche angehören. Alle von ihnen leben den Verein mit viel Herzblut. „Wenn ich auf einer Tagung andere Scouts treffe, bin ich stolz darauf, sagen zu können, dass ich von Dynamo Dresden komme. Viel cooler als Bayern München“, sagt der 33-Jährige.

Der Laptop ist immer griffbereit und ständiger Begleiter. Mehr als 4000 Spieler hat Walter in seiner Datenbank gespeichert.
Der Laptop ist immer griffbereit und ständiger Begleiter. Mehr als 4000 Spieler hat Walter in seiner Datenbank gespeichert.

Abgänge wie die von Kutschke, aber vor allem Gogia sind für alle richtig bitter. „Dass ‚Andy’ ein Kracher ist, wussten wir. Aber, dass er so explodieren würde, damit konnte keiner rechnen. Er war einfach der beste Mittelfeldspieler der zweiten Liga.“

Für die neue Saison macht sich Walter keine Sorgen, er bekommt die Diskussionen im Umfeld, gerade um den noch fehlenden Stürmer mit, „aber ich bin da ganz entspannt.“ Wieso sollen nicht auch Sascha Horvath oder Patrick Möschl Kracher sein. Es passt zur erfolgreichen Philosophie der vergangenen zwei Jahre, hoch talentierte Spieler auszugraben, die den vermeintlich „großen“ Namen noch nicht haben, aber mehr Potenzial als der eine oder andere bekannte Spieler.

Mittlerweile konzentriert sich Dynamo nicht nur auf Österreich, sondern auch Dänemark und Schweden. Die Gründe liegen auf der Hand: „Finanzierbarkeit, Integration und Mentalität“, sind die wichtigen Faktoren und auch, ob der Spieler etwas mit Dynamo anfangen kann.

Für die erfolgreiche Spiel- und Spielerbeobachtung schrubbt Walter im Jahr 80.000 Kilometer mit dem Auto, Zug- und Flugreisen kommen hinzu. Zeit zum Abschalten bleibt da wenig, aber mit Freundin Alexandra hat er zum Glück eine verständnisvolle Partnerin an seiner Seite, beim Thai-Boxen kommt der Asien-Liebhaber auf andere Gedanken.

Am Sonntagabend wird er aber wieder alle Hände voll zu tun haben, wenn es gilt, die Partie gegen Duisburg zu analysieren und für Trainer und Team aufzubereiten.