Mehr Laster, mehr Autos - Wie Verkehrsminister Wissing den Verbrenner doch noch retten will

Berlin - Bundesverkehrsminister Volker Wissing (52, FDP) hat zusammen mit seinem Ministerium in einer Studie prognostiziert, wie der Verkehr in Deutschland im Jahre 2051 wohl aussehen wird. Doch lässt sich überhaupt so weit in die Zukunft blicken?

Verkehrsminister Volker Wissing (52, FDP) präsentierte am Freitag in Berlin die Ergebnisse einer Studie zur Verkehrsentwicklung.
Verkehrsminister Volker Wissing (52, FDP) präsentierte am Freitag in Berlin die Ergebnisse einer Studie zur Verkehrsentwicklung.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Verkehr werde überall zunehmen und insbesondere im Güterbereich auf der Straße und auf den Schienen stark ansteigen, lautet das Ergebnis der Studie zur "Verkehrsentwicklung in Deutschland", die Wissing am Freitag in Berlin präsentierte.

Unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren, wie Ukraine-Krieg, Energiewende und Bevölkerungswachstum, habe das Verkehrsministerium errechnet, dass der Laster "das dominierende Verkehrsmittel" im Güterverkehr und dass das Auto und Motorrad, trotz einem Anstieg bei Bahn- und Luftverkehr, das "beliebteste Fortbewegungsmittel" bleiben werden.

Als Ursache für den zukünftig weiter ansteigenden Straßenverkehr nennt die Studie einerseits die Energiewende, die den Schienen-Transport von Kohle und weiteren traditionellen Energieträgern verringere. Andererseits werde es einen Zuwachs bei jenen Gütern geben, die über die Straße transportiert werden.

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Doch eine Studie, die einen Verkehrszuwachs von Lastwagen und Automobil vorhersagt, genau dann zu veröffentlichen, nachdem im Streit um sogenannte "E-Fuels" auf Druck von Bundesminister Wissing die EU-Abstimmung über das Verbrenner-Aus ab 2035 verschoben wurde, wirft Fragen auf.

"Erstmalig erstellt" - Ist die Studie überhaupt geeignet?

Bis 2051 soll der Gütertransport per Lastwagen laut der Studie zunehmen.
Bis 2051 soll der Gütertransport per Lastwagen laut der Studie zunehmen.  © Angelika Warmuth/dpa

Dient diese Studie zur Verkehrsentwicklung nur dazu, Fahrzeugen mit Verbrenner-Motoren den Rücken zu stärken und neue Regelungen für synthetisch hergestellte Kraftstoffe zu erzwingen, oder verweist das Verkehrsministerium tatsächlich auf eine gefährliche Fehlkalkulation in Bezug auf Energie- und Klimawandel?

Wirft man einen Blick in die Studie, die von der Münchner Beratungsfirma "Intraplan" im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde, lassen sich einige Kritikpunkte erkennen.

Zunächst zeigt sich, dass diese Langzeit-Prognose sehr stark von dem Ergebnis der Verkehrs-Vorhersage bis 2030 abweicht, die von einer konstanten Abnahme des Verkehrs ausgeht.

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Auch die Methode für die Vorhersage bis 2051 scheint fragwürdig, da diese Art einer "gleitenden Langfrist-Verkehrsprognose" überhaupt "erstmalig" zum Einsatz gekommen sei, heißt es in der Studie selbst.

Im Vergleich zu anderen mittel- und langfristigen "Prognoseformaten" sei die hier verwendete Methode zudem vom Aufwand her "reduziert", schreiben die Studien-Autoren.

"Was wäre wenn?" - Verbrenner-Verbot der EU würde Studienergebnis auf den Kopf stellen!

Die EU wollte am kommenden Dienstag über ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 abstimmen. Doch Deutschland hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, die Abstimmung auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Die EU wollte am kommenden Dienstag über ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 abstimmen. Doch Deutschland hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, die Abstimmung auf unbestimmte Zeit zu verschieben.  © Christoph Schmidt/dpa

Für diese Langzeitprognose wurden dabei Daten zu Verkehr, Wirtschaft und Bevölkerung aus dem Jahr 2019 verwendet, um aus der Perspektive des Jahres 2022 für insgesamt vier verschiedene Jahre in der Zukunft Aussagen treffen zu können: 2036, 2041, 2046 und 2051.

Zwar gibt die Studie an, die Entwicklungen wie Klimawandel, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg berücksichtigt zu haben, doch inwiefern damit auch unvorhersehbare Ereignisse in der Zukunft abgedeckt werden, erklärt die Studie nicht.

Aber die Studie an sich soll hier keinesfalls schlechtgeredet werden. Vielmehr gilt es, ihre Verwendung durch den Verkehrsminister zu hinterfragen.

Die Studie behauptet über sich selbst, dass es sich hierbei nicht um eine "Zielprognose" handle, "sondern um einen 'was wäre wenn'-Ansatz".

Und was wäre denn, wenn die aktuellen Entwicklungen so bleiben? Genau, dann wäre diese Prognose für den zukünftigen Verkehr wahrscheinlich korrekt.

Doch was wäre, wenn die EU ab 2035 die Neuzulassung von Verbrennern verbietet? Dann wäre das Ergebnis dieser Studie eben nicht aussagekräftig.

Tatsache oder Wunschdenken? - Hat sich Wissing verkalkuliert?

Bundesminister Wissing will den Verbrenner noch nicht aufgeben und hofft, künftig "E-Fuels" zu tanken.
Bundesminister Wissing will den Verbrenner noch nicht aufgeben und hofft, künftig "E-Fuels" zu tanken.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Somit ist es nicht verwunderlich, wenn sich Verkehrsminister Wissing gegen die EU-Abstimmung stellt und ordentlich Druck ausübt.

Doch die neue Studie zur Verkehrsprognose, mit der Wissing seine Idee eines Fortbestands des traditionellen Verkehrs absichern wollte, wurde leider zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem gerade eine neue Entwicklung im Verkehrswesen stattfindet, die in der Studie noch nicht berücksichtigt wurde.

Zwar lässt sich eine allgemeine Zunahme des Verkehrsaufkommens immer noch herleiten, aber wenn die Anzahl von Verbrennern immer weiter abnimmt, sind die ganzen Prozente von Zu- und Abnahmen im Güter- und Personalverkehr über Schiene und Straße erstmal hinfällig und müssten neu berechnet werden.

Wissing selbst möchte das wahrscheinlich noch nicht einsehen, weshalb seine Aussage zu dem Ergebnis der Studie im Nachhinein umso kurioser erscheint: "Ich richte meine Verkehrspolitik an den tatsächlichen Begebenheiten aus, an Zahlen, Daten und Fakten und nicht an politischem Wunschdenken."

Sieht ganz so aus, als basiere Wissings Idee doch eher auf Wunschdenken. Metaphorisch gesehen blockiert der Bundesverkehrsminister mit seinem E-Fuel-betankten Verbrenner-Wagen die Fahrspur in Richtung Zukunft.

Titelfoto: Bidlmontage: Angelika Warmuth/dpa, Bernd von Jutrczenka/dpa

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