Arzt von Asylbewerber erstochen: Das schreibt die Witwe Boris Palmer

Tübingen/Offenburg - Die Bluttat schockte vor zwei Jahren ganz Deutschland: Ein Asylbewerber ermordete in Offenburg einen Arzt in dessen Praxis. Nun hat dessen Witwe Boris Palmer (48, Grüne) geschrieben.

Offenburg, 30. Januar 2019: Prozessbeginn gegen Saleban A. (links), der den Arzt erstach.
Offenburg, 30. Januar 2019: Prozessbeginn gegen Saleban A. (links), der den Arzt erstach.  © Patrick Seeger/dpa

Rückblick: Am 16. August 2018 betritt Saleban A. aus Dschibuti morgens die Praxis von Dr. Joachim Tüncher, sticht mit einem Messer immer wieder auf den Mediziner ein. Der Asylbewerber flieht, Tüncher stirbt noch in seiner Praxis.

Der Täter wird gefasst. Erst meint man, der Mann sei 27 und komme aus Somalia, während seines Gerichtsprozesses kommt heraus: Er kommt aus Dschibuti. Auch will er 38 Jahre alt sein. Belege dafür gibt es nicht. Das Gericht stuft ihn als geisteskrank ein, er kommt in die Psychiatrie.

Straffällige Migranten beschäftigen auch Deutschlands wohl bekanntestes Stadtoberhaupt seit Jahren. Immer wieder sorgt Palmer mit Äußerungen zu dem Themenkomplex für Aufsehen.

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So auch Anfang des Jahres. 

Da wurde bekannt, dass der oberste Datenschützer von Baden-Württemberg, Stefan Brink, nicht gut auf den Grünen-Politiker zu sprechen ist. Grund: Palmer erfasst in Tübingen wohnhafte, gewaltbereite Asylbewerber.

Palmer räumte ein, dass die Stadtverwaltung Informationen von Polizei und Behörden zusammenführe. Das Vorgehen erlaube Maßnahmen gegen nachweislich gewaltbereite Asylbewerber. "Dieses Verfahren hat sich bewährt", zitierte die Deutsche Presseagentur den 48-Jährigen.

Und: Für Palmer sei der Schutz der Mitarbeiter wichtiger als der Schutz der Daten eines Menschen, der wiederholt bei der Polizei aufgefallen sei. 

Vor wenigen Tagen setzte sich Brink nun durch. Die Stadt Tübingen darf keine polizeilichen Daten über straffällige Migranten in einer Liste auffälliger Asylbewerber mehr führen. Auch muss die Stadt alle erfassten Daten löschen.

Witwe des Mediziners: "Ärzte müssen sich auf den Staat verlassen können"

Tübingens OB Boris Palmer.
Tübingens OB Boris Palmer.  © Fabian Sommer/dpa

Das Stadtoberhaupt will der Anordnung nachkommen, übt aber Kritik: "Ich halte das Verbot rechtlich für falsch und sachlich für absurd. Der Datenschutz verlangt von uns, dass die rechte Hand nicht wissen darf, was die linke tut."

Und weiter: Es sei unverantwortlich, Beschäftigte nichtsahnend mit einem Messerstecher in einen Raum zu setzen: "Zu verlangen, dass ein Sozialarbeiter ahnungslos einem Mann gegenüber sitzen solle, der eine Woche zuvor mit dem Messer auf einen anderen losgegangen ist, ist nicht der Datenschutz, den die Bevölkerung sich wünscht."

Auf Facebook meldete sich daraufhin die Witwe des ermordeten Offenburger Arztes. 

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Tülay Öncü-Tüncher schrieb in einem Beitrag auf Palmers Facebook-Seite: "Alle Berufsgruppen die mit Menschen arbeiten, ohne zu wissen, dass diese bereits in ihrer Laufbahn Gewalt, Messer, Machete, Axt, Schwert als ein Werkzeug mit sich geführt haben und diese gegenüber ihren Mitmenschen eingesetzt haben, gehören geschützt, denn kein Betreuer möchte als Beute fungieren."

Und sie forderte: "Entweder der Staat kommt seiner Schutzfunktion nach und setzt diese Menschen nicht gleich wieder auf freien Fuß oder er sorgt dafür, dass die Berufsgruppen vorab informiert werden. Sozialarbeiter oder Ärzte müssen sich auf den Staat verlassen können."

Daraufhin äußerte sich Palmer in einem neuerlichen Posting auf seiner Seite. Der 48-Jährige hängte seinem Beitrag einen Screenshot von Öncü-Tünchers Worten bei, "weil ich finde, dass diese Sicht mindestens so wichtig ist wie des Datenschutzbeauftragten".

Boris Palmer: Informations-Austausch ist kein Pranger

Offenburg, 16. August 2018: Beamte der Spurensicherung betreten den Tatort.
Offenburg, 16. August 2018: Beamte der Spurensicherung betreten den Tatort.  © Benedikt Spether/dpa

Dessen Behauptung, der Austausch von Informationen über Straftaten von Asylbewerbern stelle diese an den Pranger und sei diskriminierend, halte der Grüne für vollkommen abwegig.

Begründung: "Der Zugriff auf die Informationen wurde nur vier Personen in der Stadtverwaltung gewährt, den jeweiligen Leitungen der Abteilungen. Diese konnten dann entsprechende Maßnahmen veranlassen. Ein Pranger ist seiner Natur nach öffentlich, nicht derart vertraulich. Und diskriminierend ist daran auch nichts."

Das folge einer sich ausbreitenden Definition von Diskriminierung, die in sich ein Widerspruch sei: Jeder Unterschied sei diskriminierend, wenn davon ein Asylbewerber betroffen sei, so Palmer.

Und weiter: "Nur ist es eben so: Ausschließlich Asylbewerber erhalten immer eine Wohnung gestellt, wenn sie ins Land kommen. Ausschließlich Asylbewerber erhalten immer einen Sozialarbeiter zur Seite gestellt, um die Integration zu unterstützen. Ausschließlich Asylbewerber müssen mit der Ausweisung rechnen, wenn sie Straftaten von einem Jahr Haft begehen. Ausschließlich die Straftaten von Ausländern werden der Ausländerbehörde der Stadt gemeldet."

Das alles wäre demnach diskriminierend, wenn man Asylbewerber nicht anders behandeln dürfte als deutsche Staatsbürger. Das sei offenkundig mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dies unterscheide zwischen Staatsbürgern und allen anderen Menschen in vielfacher Hinsicht.

"Und deshalb ist es auch nicht diskriminierend, wenn die Integrationsbehörde weiß, was die Ausländerbehörde weiß", schreibt der Rathauschef. "Übrigens auch im Sinne der Asylbewerber. Die Sozialarbeit kann sie nur davon abhalten, eine kriminelle Karriere zu beginnen, wenn diese Probleme auch bekannt sind."

Titelfoto: Montage: Patrick Seeger/dpa, Fabian Sommer/dpa

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