Kretschmer exklusiv: Ministerpräsident über Koalition, Putin und künftige Aufgaben

Dresden - Der Urlaub naht. Ehe auch er samt Familie in die sommerliche Auszeit entschwindet, hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer uns noch ein paar Fragen beantwortet. Dabei wird klar, dass der Regierungs-Chef trotz aller Krisen eher zuversichtlich in die Zukunft blickt.

Seit seinem Amtsantritt 2017 befindet sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (47) gefühlt im Krisenmodus. Entsprechend voll ist sein Terminkalender, und entsprechend willkommen dürfte jetzt auch der Urlaub sein.
Seit seinem Amtsantritt 2017 befindet sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (47) gefühlt im Krisenmodus. Entsprechend voll ist sein Terminkalender, und entsprechend willkommen dürfte jetzt auch der Urlaub sein.  © IMAGO / Max Stein

TAG24: Herr Ministerpräsident, Sachsens Schulkinder haben gerade ihre Zeugnisse bekommen. Mit welcher Gesamtnote möchten Sie Ihr Kabinett in die Ferien entlassen?

Michael Kretschmer: Mir geht es um das Land. Dafür ist es wichtig, dass wir in der Koalition gut zusammenarbeiten und dass die Regierung funktioniert. Dafür mache ich mich stark. Wir haben als Staatsregierung in schwierigen Zeiten, trotz Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg, sehr viel erreicht und auf den Weg gebracht. Wir haben weiter in Bildung und Forschung investiert, um so unsere Position als lebendiger und starker Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort auszubauen. Wir haben die Weichen gestellt, damit der ländliche Raum, damit das Ehrenamt bei uns weiter gestärkt werden und Sachsen insgesamt sicherer wird. Vor kurzem haben wir uns zudem gemeinsam auf den Regierungsentwurf für den nächsten Doppelhaushalt verständigt.

TAG24: Kritiker hatten ja geunkt, dass eine Dreier-Koalition aus CDU, SPD und Grünen früher oder später im heillosen Streit enden muss. Warum bleibt der bisher aus - oder bekommen Außenstehende den nur nicht mit?

Zersplittert und gespalten: Kretschmer zieht "erschreckende Parallelen" zum Jahr 1933!
Michael Kretschmer Zersplittert und gespalten: Kretschmer zieht "erschreckende Parallelen" zum Jahr 1933!

Jede Partei hat ihre eigene DNA und Dinge, die ein besonderes Gewicht haben. Daran ändert sich ja nichts, wenn man gemeinsam einen Regierungsauftrag bekommt. Deshalb ist es in Ordnung, wenn es gelegentlich unterschiedliche Meinungen in der Sache gibt. Da wird dann auch intensiv diskutiert und um den Weg gerungen. Mich leitet die Haltung: zuerst das Land und dann die Partei.

Herr Kretschmer, alles in Butter bei der CDU?

Gerade von Gegnern der Corona-Maßnahmen wird Kretschmer immer wieder angefeindet - ein Schicksal, das er mit anderen Entscheidungsträgern teilt, aber auch recht souverän pariert.
Gerade von Gegnern der Corona-Maßnahmen wird Kretschmer immer wieder angefeindet - ein Schicksal, das er mit anderen Entscheidungsträgern teilt, aber auch recht souverän pariert.  © picture alliance / dpa

TAG24: Sie sind im Dezember 2017 auch deshalb Ministerpräsident geworden, weil der Unmut bei CDU-Landräten riesig war. Nun sind gerade wieder vornehmlich CDU-Kandidaten zu Landräten gewählt worden. Also alles wieder in Butter in der Sachsen-CDU?

Natürlich freue ich mich als Landesvorsitzender der Sächsischen Union sehr darüber, dass die CDU stärkste Kraft geworden ist. In acht von neun Landkreisen, in denen gewählt wurde, haben unsere Kandidaten das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler erhalten. Es sind Persönlichkeiten gewählt worden, die mit klarem Kompass und positivem Gestaltungswillen für ihre Heimat angetreten sind. Es freut mich, dass die Wählerinnen und Wähler denen vertrauen, die es gut meinen mit unserem Land – und die nach Lösungen suchen und dieses Land voranbringen wollen. Das macht mir Mut. Damit Sachsen sich weiter gut als ein sozial gerechtes, innovatives, lebenswertes und sicheres Land entwickeln kann, braucht es solche Persönlichkeiten in Verantwortung. Sie sorgen für eine starke kommunale Ebene und damit auch einen starken Freistaat.

TAG24: Sie und Ihre Regierung hatten als ein Ziel ausgegeben, den ländlichen Raum wieder zu stärken. Fallen Ihnen spontan drei Dinge ein, die man schon auf den Weg gebracht hat?

Briefe an Putin: So buhlt Kretschmer um die Gunst von Russlands Präsident
Michael Kretschmer Briefe an Putin: So buhlt Kretschmer um die Gunst von Russlands Präsident

Sachsen macht beim Glasfaserausbau Tempo. Davon profitiert vor allem der ländliche Raum. Seit 2019 wurden eine Viertelmillion Haushalte, Schulen und Krankenhäuser sowie Firmen mit einem Glasfaseranschluss versorgt. Weitere 320.000 Haushalte erhielten einen Breitbandanschluss mit mindestens 100 Mbit/s. Wir wollen eine gute Gesundheitsversorgung – überall in Sachsen. Deshalb haben wir die Landarztquote eingeführt und das Schulgeld für Gesundheitsfachberufe abgeschafft. Außerdem stärken wir in ganz Sachsen das Ehrenamt, fördern das soziale Leben und den Zusammenhalt und haben die Kulturraumförderung zugunsten der ländlichen Räume sogar noch ausgeweitet.

Michael Kretschmer über den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine

Laut Kretschmer gilt es, den "barbarischen Krieg" in der Ukraine "schnellstmöglich zu beenden".
Laut Kretschmer gilt es, den "barbarischen Krieg" in der Ukraine "schnellstmöglich zu beenden".  © Efrem Lukatsky/AP/dpa

TAG24: Und was bleibt noch zu tun?

Wir werden weiter klug investieren, unter anderem in schnelles Internet und Zukunftstechnologien. Wichtig ist, dass wir mutig neue Dinge probieren und nach vorne schauen. Wir unterstützen deshalb auch gezielt die Ansiedlung von Start-ups. Als Freistaat werden wir zudem weiter die Forschung unterstützen und fördern – beispielsweise rund um die neuesten Mobilfunkstandards. Mit neuen Professuren und Instituten wollen wir auch beim Thema Künstliche Intelligenz vorangehen und vieles mehr. So wollen wir den Boden bereiten für künftige Wertschöpfung, Arbeit und Wohlstand bei uns in der Region. Ganz wichtig ist mir auch, dass der Zusammenhalt im Land weiter gestärkt wird – gerade in schwierigen Zeiten wie diesen.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist eine Zäsur. Es muss das vorrangige Ziel sein, diesen barbarischen Krieg schnellstmöglich zu beenden. Dazu sind auch Gesprächsversuche des Westens mit dem Kreml notwendig. In der ganzen Welt sind die Auswirkungen dieses furchtbaren Krieges längst zu spüren. In Deutschland sind viele Menschen wegen der stark gestiegenen Energiepreise in großer Sorge. Unklar ist, wie es mit der Gasversorgung weitergeht. Die Bundesregierung ist hier in der Pflicht. Sie muss endlich den Energiesicherheitsbericht vorlegen und erklären, wie die Versorgung abgesichert und eine Rezession verhindert werden soll.

Nervt es Kretschmer als Putin-Versteher bezeichnet zu werden?

Im Juni 2019 kam es in St. Petersburg zu einem Treffen von Michael Kretschmer und Kreml-Chef Wladimir Putin (69). Damals trat Kretschmer für eine Lockerung der Russland-Sanktionen ein, weil die auch der sächsischen Wirtschaft schadeten.
Im Juni 2019 kam es in St. Petersburg zu einem Treffen von Michael Kretschmer und Kreml-Chef Wladimir Putin (69). Damals trat Kretschmer für eine Lockerung der Russland-Sanktionen ein, weil die auch der sächsischen Wirtschaft schadeten.  © Alexei Nikolsky/POOL SPUTNIK KREMLIN/AP/dpa

TAG24: Krisen wie Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation und Klimawandel trüben vielen Menschen gerade die Urlaubsstimmung. Auf welche dieser Herausforderungen hat man als Landespolitiker überhaupt Einfluss und wo sind einem die Hände gebunden?

Wir tauschen uns natürlich im Kreis der Bundesländer untereinander regelmäßig aus zu den für uns wichtigen Fragen und Schwerpunkten und wirken über den Bundesrat auch an der Gesetzgebung des Bundes mit. Darüber hinaus gibt es – gerade in Krisenzeiten - einen besonders engen Austausch auf verschiedenen Ebenen mit der Bundesregierung über alle wichtigen Fragen. Als Ministerpräsident vertrete ich die Interessen des Freistaates und bin da immer sehr klar. Ob es um die Corona-Pandemie und die Erfahrungen damit vor Ort geht oder um das Thema Energiesicherheit.

TAG24: Wie sehr nervt es Sie eigentlich, wenn man Sie wegen früherer Kontakte zu Russland jetzt als Putin-Versteher bezeichnet bzw. diffamiert?

Meine Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin waren immer sehr klar. Ich habe einerseits für Dialog geworben und für Austausch unter anderem in Wissenschaft und Kultur. Es gab von mir zugleich auch sehr klare Ansagen zum Thema Menschenrechte, Freiheit und Demokratie. Dabei ging es auch um die Situation der Opposition in Russland. Grundsätzlich halte ich es für wichtig, dass über Sachverhalte zutreffend und auch vorurteilsfrei berichtet wird.

Worauf sich Michael Kretschmer im Urlaub am meisten freut

TAG24: Gab es denn in Ihrer Amtszeit schon mal einen Moment, in dem Sie - frei nach dem letzten Sachsen-König - gedacht haben: Macht doch euern Dreck alleene?

Nicht mal im Traum. Ja, die Zeiten sind schwierig. Und ich hatte und habe deswegen häufig sehr lange Arbeitstage und manchmal auch schlaflose Nächte. Aber dennoch bin ich voller Zuversicht und Mut: Wir werden die aktuelle Krise meistern und Sachsen wird sich weiter gut entwickeln, wenn wir alle gemeinsam daran mittun.

TAG24: Worauf freuen Sie sich im Urlaub am meisten?

Ich freue mich auf gemeinsame Zeit mit meiner Familie.

Titelfoto: IMAGO / Max Stein

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