Jünger ins Amt, älter ins Rathaus: Land betritt mit neuem Wahlrecht Neuland!

Stuttgart - Gemeinderäte schon mit 16, Bürgermeister mit 18 - mit seinem neuen Wahlrecht wagt sich Baden-Württemberg auf bundesweites Neuland.

Das Wahlrecht in Baden-Württemberg steht vor einem Umbruch. (Symbolbild)
Das Wahlrecht in Baden-Württemberg steht vor einem Umbruch. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Ziel ist es unter anderem, kommunalpolitische Ämter attraktiver zu machen und jüngere Menschen für die politische Arbeit zu motivieren. Allerdings sehen nicht nur die kommunalen Dachverbände die Änderungen kritisch, die der baden-württembergische Landtag am Mittwoch mit großer Mehrheit und gegen die Stimmen von FDP und AfD beschlossen hat.

Die wichtigste Neuerung: Künftig können bereits 16-Jährige für Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte kandidieren und Politik mitgestalten. Bislang dürfen sie bei den Kommunalwahlen nur ihre Stimme abgeben, das wird als aktives Wahlrecht bezeichnet. Selbst kandidieren konnten sie aber noch nicht (passives Wahlrecht).

Altersgrenzen werden aber nicht nur nach unten geändert: Bei der Kommunalwahl 2024 sind Bürgermeister nicht mehr erst ab 25 wählbar, sondern bereits als 18-Jährige. Zugleich fällt die Altersobergrenze für Kandidaten. Wohnungslose Menschen dürfen analog zum Landtagswahlrecht auch bei Kommunalwahlen abstimmen.

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Ebenfalls neu: Aus Neuwahlen werden Stichwahlen. Kann also keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen gewinnen, gibt es keine Neuwahl, bei der sich auch neue Kandidaten bewerben und alte aussteigen konnten. Sondern es wird in einer Stichwahl entschieden zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen.

Gewählte Bewerber könnten sich damit stets auf eine absolute Mehrheit der gültigen Stimmen stützen und erhielten damit "eine stabile demokratische Legitimation", sagte Innenminister Thomas Strobl (63, CDU).

AfD betitelt die Änderungen als "Schnapsidee"

Eine Wählerin wirft ihren Stimmzettel in die Wahlurne.
Eine Wählerin wirft ihren Stimmzettel in die Wahlurne.  © Uwe Anspach/dpa

Auch das Phänomen geradezu vagabundierender Spaßkandidaten soll der Vergangenheit angehören: Um die Zahl der völlig chancenlosen Spaßbewerbungen einzudämmen, müssen Kandidierende für das Bürgermeisteramt nun in allen Gemeinden eine bestimmte Anzahl von Unterschriften vorlegen, um zu zeigen, dass ihre Bewerbung unterstützt wird.

Bislang war das nur in Kommunen mit über 20.000 Einwohnern nötig. Zuletzt hatten unter anderem die Bürgermeisterwahlen in Bad Herrenalb mit 35 und Achstetten mit 19 Bewerbungen für Aufsehen und Kritik gesorgt.

Grüne und CDU warben auch am Mittwoch im Landtag für ihre Pläne, die aus ihrer Sicht dem Bedürfnis junger Menschen nach Beteiligung entsprechen. "Wir ermöglichen ihnen die Chance auf Mitsprache, wie sie in anderen Bundesländern erst ab 18 möglich ist", sagte die Grünen-Abgeordnete Swantje Sperling (39).

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Als einzige Oppositionspartei stimmte die SPD dem Vorhaben zu. Die FDP lehnte die Absenkung des passiven Wahlalters aus rechtlichen Bedenken dagegen ab.

"Das Risiko ist uns zu groß. Das wirkt wie ein 'Augen zu und durch'", sagte Julia Goll (FDP, 58) für die Liberalen. Aus Sicht der AfD sind die Änderungen eine "Schnapsidee".

Viele Hindernisse für minderjährige Gemeinderatsmitglieder

Als Sprecher der Kommunalen Landesverbände hatte der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Steffen Jäger, bereits in der Anhörung im Innenausschuss angeführt, es gebe "innerhalb der Kommunen wesentliche inhaltliche Bedenken gegen die Absenkung des passiven Wahlalters auf 16 Jahre".

Der Gemeindetagspräsident nannte die Vereinbarkeit mit der Schulpflicht der jungen Kommunalpolitiker als ein Beispiel.

Umstritten ist auch, ob bei minderjährigen Gemeinderatsmitgliedern der Grundsatz des freien Mandats auf die Regelungen des Minderjährigenschutzes und die Elternrechte in Konflikt kommt.

Minderjährige dürfen zudem keine Aufsichtsräte einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft sein.

Titelfoto: Sebastian Gollnow/dpa

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