Einstiges Vorzeige-Viertel ist Sanierungsfall! Straßen um mehr als halben Meter abgesackt

Rostock - Die Holzhalbinsel galt als architektonisches Aushängeschild der Hansestadt Rostock – stadtnahes Wohnen an der Warnow. Doch im Untergrund schlummert ein Problem, das die Stadt noch über Jahre beschäftigen wird.

Heiko Tiburtius, Amtsleiter des Tiefbauamtes der Hansestadt Rostock, zeigt eine Kante zwischen dem auf Fundamenten gebauten Uferstreifen und dem abgesackten Teil daneben.
Heiko Tiburtius, Amtsleiter des Tiefbauamtes der Hansestadt Rostock, zeigt eine Kante zwischen dem auf Fundamenten gebauten Uferstreifen und dem abgesackten Teil daneben.  © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Ein Spaziergang über die Holzhalbinsel gehört zu den spannendsten Touren, die die Hansestadt bietet. Doch sind keine mittelalterlichen Relikte oder touristischen Highlights zu bewundern, es geht um abgesunkene Straßen in dem Geschäfts- und Wohnviertel mit rund 700 Bewohnern.

Denn die Straßen haben sich im Lauf der letzten Jahre um teilweise bis zu 67 Zentimeter abgesenkt. Die Verwerfungen und Risse sind überall zu sehen.

Wegen der Distanzen über mehr als 50 Meter sind diese großen Absenkungen fürs bloße Auge nur schwer sichtbar, aber ein Ball rollt problemlos durch die Straßen - und das sollte er definitiv nicht.

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Auch wenn am sogenannten Ludewigbecken die Absenkungen "nur" knapp 20 Zentimeter betragen, sind dort die Verwerfungen durch eine klare Abbruchkante am deutlichsten zu sehen.

Wie der Chef des Tiefbauamts, Heiko Tiburtius, sagt, gibt es derzeit zwei Entwicklungen, die zur Problemlösung beitragen können: "Die Setzungen scheinen sich zu beruhigen, in manchen Bereichen ist es nur noch ein Zentimeter im halben Jahr."

Planer haben auf "schwimmende Bauweise" gesetzt – ein Fehler

Deutlich erkennbar: Der Boden ist hier mehrere Zentimeter abgesackt.
Deutlich erkennbar: Der Boden ist hier mehrere Zentimeter abgesackt.  © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Darüber hinaus wurde nun der Auftrag für die Suche nach Sanierungsvarianten ausgeschrieben. "Wir hoffen, ein Unternehmen zu finden, das weiß, wie man mit einem solchen Baugrund und den schon vorhandenen Bebauungen umgeht."

Im Jahr 2000 begannen laut Tiburtius die Planungen für das Viertel. "Die damaligen Planer haben sich für die schwimmende Bauweise entschieden." Dies sei ein gängiges Verfahren. Dabei wird auf die Sicherung durch im Erdreich verankerte Gründungspfähle verzichtet, die Straßen werden auf diversen Ebenen aufgeschichtet.

Absenkungen seien einkalkuliert, aber nicht in diesem Maße. "Die Ingenieure haben gedacht, dass sich die Setzungen nach ein bis zwei Jahren beruhigen. Das war auch eine wirtschaftliche Entscheidung."

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Die Landesgeschäftsführerin des Bundes der Steuerzahler, Diana Behr, kritisiert das damalige Bauverfahren heftig: "Der Fall der Holzhalbinsel zeigt, welche Folgen verantwortungsloses Behördenhandeln haben kann."

Auf einem nicht tragfähigen Untergrund seien Straßen, Wege und Leitungen verlegt worden, ohne die Bodenbeschaffenheit ausreichend zu berücksichtigen. "Hat man vielleicht bewusst darauf verzichtet, um die Gesamtkosten niedrig zu halten und die Umsetzung des Projektes nicht zu gefährden?"

Leitungen im Boden unter enormen Spannungen

Ein Schild auf einem Parkplatz warnt vor dem Boden.
Ein Schild auf einem Parkplatz warnt vor dem Boden.  © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Seit langem sei bekannt, dass gehandelt werden muss. "Durch den Zeitverzug und die Baukostenexplosion dürften die einst mit 15 Millionen Euro veranschlagten Kosten nun erheblich überschritten werden", sagt Behr. Kosten, die auf die Steuerzahler zukommen.

Die in Auftrag gegebene Planung müsse zeigen, wie die Sanierung angegangen wird, schildert Tiburtius. Die Bandbreite reiche von Stabilisierung bis hin zum Neubau der Straßen. Klar ist, dass es für die Stadt und damit für die Steuerzahler teuer wird.

Verantwortlich gemacht werden könne niemand mehr, zumal die verantwortliche Firma insolvent sei. Über Millionenbeträge will Tiburtius zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht spekulieren. Auch die Dauer bis zur endgültigen Sanierung stehe in den Sternen: "Vielleicht Ende des Jahrzehnts".

Die Probleme seien 2005 aufgefallen, als die Vermessungen für die Wohnbauten begannen, sagt Tiburtius. Diese stehen im Gegensatz zu den Straßen auf starken Bohrpfählen, ein Absinken sei nicht möglich. Das große Problem sei nun das in der Erde verlegte Leitungssystem, das enormen Spannungen ausgesetzt ist.

"Bei einem Haus musste schon mal ein Fernwärmeanschluss angepasst werden", sagt der Experte. Derzeit bestehe aber kein Grund für Sorge, "auch wenn die Gefahr latent immer da ist".

Titelfoto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

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