Massensterben von Seesternen an der Nordsee: "Deutsche Bucht ist ein Risiko-Lebensraum!"

Sylt/Nordsee – Wer aktuell an Deutschlands Stränden spazieren geht, kann Zeuge eines "merkwürdigen" Schauspiels werden. Hunderte von Seesternen werden momentan an die Ufer geschwemmt, die meisten von ihnen sterben. Im freien Sand sind die Überlebenschancen der Art sehr gering, wie Meeresbiologe Rainer Borcherding im Gespräch mit TAG24 verrät. Doch was ist die Ursache für das Massensterben?

Zahlreiche angeschwemmte Seesterne liegen auf der Nordseeinsel Sylt am Strand von Wennigstedt im Sand.
Zahlreiche angeschwemmte Seesterne liegen auf der Nordseeinsel Sylt am Strand von Wennigstedt im Sand.  © Daniel Bockwoldt/dpa

"Das Phänomen ist ein bisschen merkwürdig. Es kommt alle paar Jahre mal vor, aber richtig verstanden ist es bis heute nicht", so Rainer Borcherding, Meeresbiologe der "Schutzstation Wattenmeer". Schon in früheren Jahrzehnten habe es die Vermutung gegeben, dass Seesterne in großen, wandernden "Banden" am Meeresboden unterwegs sind.

"Es kann dann halt passieren, dass durch eine ungünstige Kombination von Wind und Strömung so ein Seestern-Schwarm – Schwarm klingt immer so nach Fischen, aber sie laufen ja auf ihren Saugfüßchen am Meeresboden herum – an den Strand gespült wird", erklärt der Meeresbiologe.

"Sobald sie von der Strömung erfasst werden, haben sie auch nichts mehr, an dem sie sich festhalten können", so Borcherding. "Seesterne sind auf freiem Sandboden immer benachteiligt. Sie können ihn nutzen, haben aber immer das Risiko, dass sie weg- und angespült werden. Während sie sich an Fels-Küsten wunderbar festhalten könnten."

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Deshalb stellt der Experte fest: "Die Deutsche Bucht ist so immer ein Risiko-Lebensraum für sie."

Den Klimawandel schließt der Meeresbiologe als Ursache aus

Durch ungünstige Kombinationen von Wind und Strömung werden immer mal wieder regelrechte Seestern-Schwärme angespült.
Durch ungünstige Kombinationen von Wind und Strömung werden immer mal wieder regelrechte Seestern-Schwärme angespült.  © Daniel Bockwoldt/dpa

Den Klimawandel als Ursache für das Massensterben schließt er aus: "Der Seestern ist hier nicht an der Süd- oder Nordgrenze seiner Verbreitung, sondern mittendrin, und insofern würde die Art, auch wenn es ein, zwei Grad wärmer wird, noch keine Schwindel- oder Schwächeanfälle kriegen."

Wer in den nächsten Tagen einen oder auch mehrere Seesterne findet, sollte sie am besten einfach liegen lassen.

Man könne natürlich probieren, sie wieder ins Meer zu werfen: "Aber wir haben ja auch Ebbe und Flut und wenn man sie bei ablaufendem Wasser reinschmeißt, ist es gut möglich, dass sie nach zwei Stunden dann doch wieder trocken liegen. Und bei auflaufendem Wasser kann es sein, dass sie durch die Wellen noch höher auf den Strand gespült werden."

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Die angespülten Seesterne würden hauptsächlich von Möwen gefressen werden. Krabben oder Krebse meiden die toten Tiere aufgrund ihrer Abwehrstoffe. Auch die Seevögel könnten nicht allzu viele Seesterne essen.

Der Rest werde dann vom Sand kompostiert, so Borcherding.

Titelfoto: Daniel Bockwoldt/dpa

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