Bei uns wird es immer wärmer: Wie Sachsens Städte der Hitze trotzen wollen

Sachsen - Das Jahr 2022 war in Sachsen nach 2018, 2019 und 2020 das viertwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. "Es ist nicht akzeptabel, dass es jedes Jahr zwischen 5000 und 20.000 hitzebedingte Todesfälle" gebe, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (60, SPD) und fordert jetzt flächendeckende Hitzeaktionspläne (HAP).

Hitzealarm! Die Einsätze von Rettungsdiensten steigen an heißen Tagen markant an.
Hitzealarm! Die Einsätze von Rettungsdiensten steigen an heißen Tagen markant an.  © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Doch bislang verfügt noch keine einzige Kommune im Freistaat über einen funktionierenden HAP. Warum nicht? Wir haben bei den Stadtverwaltungen in Dresden, Chemnitz und Leipzig nachgefragt.

"Die Staatsregierung sollte einen 'Hitzeschutz-Maßnahmenplan Sachsen' entwickeln, ein Hitzewarnsystem einrichten sowie öffentliche Trinkwasserbrunnen, Kälteräume, Sprühdusch- und Sprühnebelanlagen unbürokratisch fördern.

Zudem müssen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser über Kühlsysteme verfügen", fordert Susanne Schaper (45), gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag.

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"Allein die Stadt Dresden müsste jetzt 250.000 Euro in neue Trinkbrunnen investieren."

Ein Landesgesundheitsamt könnte alle Maßnahmen koordinieren. "Doch ein solches Amt gibt es in Sachsen nicht, obwohl wir es schon seit der Corona-Pandemie fordern", sagt Schaper.

Wird der Hitzeschutz in Sachsen verschlafen?

Susanne Schaper (45), gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, fordert die Regierung zum Handeln auf.
Susanne Schaper (45), gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, fordert die Regierung zum Handeln auf.  © Kristin Schmidt

Hitzeschutz in Dresden und Chemnitz: Es geht nur schleppend voran

Max (8) aus NRW testet den Trinkwasserbrunnen am Dresdner Postplatz.
Max (8) aus NRW testet den Trinkwasserbrunnen am Dresdner Postplatz.  © Eric Münch

In Dresden soll das Amt für Gesundheit und Prävention federführend einen HAP erstellen. "Für die Koordinierung benötigt es personelle und finanzielle Ressourcen. Beides fehlte in der Vergangenheit", sagt Anke Hoffmann von der Pressestelle.

Die Stadtverwaltung betreibt selbst neun Trinkbrunnen. Der Standort Alaunplatz ist zurzeit nicht in Betrieb. Zudem sind im Themenstadtplan 50 kostenfreie Entnahmestellen aufgeführt.

Hoffmann: "Die Stadt Dresden wird am 20. Juli das erste 'Hitze-Handbuch' mit Verhaltensempfehlungen vorstellen."

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Sachsen Stadtfest und 7-Seen-Wanderung: Zahlreiche Straßensperrungen im Süden von Leipzig

In Chemnitz gibt es aktuell drei Trinkwasserbrunnen: am Marktplatz, an der Zentralhaltestelle (Zenti) und Am Wall.

Zum Thema Hitzeschutz heißt es aus dem Rathaus nur: "Perspektivisch wird auch für die Stadt Chemnitz ein Hitzeaktionsplan entwickelt."

Nadine (23, l.) und Janina (20) aus Duisburg erfrischen sich am Brunnen am Dresdner Neumarkt.
Nadine (23, l.) und Janina (20) aus Duisburg erfrischen sich am Brunnen am Dresdner Neumarkt.  © Steffen Füssel
Willkommene Erfrischung am sprudelnden Marktbrunnen in der Chemnitzer Innenstadt.
Willkommene Erfrischung am sprudelnden Marktbrunnen in der Chemnitzer Innenstadt.  © Kristin Schmidt

Leipzig will besonders die Risikogruppen vor Hitze schützen

Schneller Sonnenschutz: Der Regenschirm wird längst nicht mehr nur bei Schauern aufgespannt.
Schneller Sonnenschutz: Der Regenschirm wird längst nicht mehr nur bei Schauern aufgespannt.  © picture alliance/dpa

Die Stadt Leipzig will ihren HAP im dritten Quartal 2023 verabschieden. "Konkret werden die zwei Themenbereiche 'Risikokommunikation' sowie 'besonderer Schutz von vulnerablen Gruppen' priorisiert", teilt das städtische Amt für Umweltschutz mit.

Die Flyer mit Hitzetipps insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder sowie Senioren (abrufbar auf der Website der Stadt Leipzig) werden aktuell in die in Leipzig zehn meistgesprochenen Fremdsprachen übersetzt.

Zudem werde eine "Erfrischungskarte" entwickelt, mit der sich "kühlende Orte im Stadtgebiet auffinden lassen".

In Leipzig sind derzeit 20 öffentliche Trinkbrunnen aktiv (unter www.l.de/wasserwerke findet Ihr die Standorte). "Das städtische Unternehmen Leipziger Wasserwerke errichtet jedes Jahr zwei Trinkbrunnen im Stadtgebiet", sagt eine Pressesprecherin.

"Die Stadt Leipzig hat für das kommende Jahr eine Million Euro für die Ausführung von Klimaanpassungsmaßnahmen zur Verfügung", ergänzt das Amt für Umweltschutz.

Hitzeschutz in ganz Europa: So machen es andere Länder

Passanten erfrischen sich am Pariser Jardin Nelson Mandela an einem Sprühnebelbrunnen.
Passanten erfrischen sich am Pariser Jardin Nelson Mandela an einem Sprühnebelbrunnen.  © Imago Images / Viennaslide

Der französische Hitzeplan "Plan Canicule" gilt bereits seit 2004, hat vier verschiedene Warnstufen - von grün bis rot.

Ab der vorletzten Stufe (orange) werden Kältesäle eingerichtet. Wer sich in ein sogenanntes Hitzeregister eingetragen hat, wird kontaktiert.

Die höchste Warnstufe des "Plan Canicule" tritt bei Temperaturen von über 40 Grad in Kraft. In den betroffenen Regionen können dann Kindergärten und Krippen schließen.

Der niederländische Hitzeplan "Nationaal Hitteplan" sieht unter anderem vor, dass Menschen an Hunderten Orten kostenlos Sonnencreme erhalten: Auf Festivals, in Schulen, Sportvereinen und Gemeinden werden Sonnencreme-Spender aufgestellt.

Im spanischen Barcelona lieben bei Hitzewellen auch Hunde die Stadtbrunnen.
Im spanischen Barcelona lieben bei Hitzewellen auch Hunde die Stadtbrunnen.  © IMAGO/ZUMA Wire

In Spanien setzte die Regierung den Hitzeplan vorfristig in Kraft. Busse und Bahnen fahren zum Beispiel häufiger, um große Menschenansammlungen und Wartezeiten zu vermeiden.

Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch, Kristin Schmidt

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