Den Tätern auf der Spur: Sachsens Kriminal-Experten geben Einblick in ihre Arbeit

Dresden - Krimis, Mord und Totschlag: Die Abgründe der menschlichen Seele, Verbrechen und die spannende Arbeit von Ermittlern faszinieren uns seit jeher. Das "True Crime"-Genre ("Wahre Verbrechen") erlebt derzeit einen wahren Boom. Doch wie schaut es eigentlich in der Realität aus? Wer legt den Bösen das Handwerk und wie findet man Mörder, Räuber und Verbrecher? TAG24 stellt Sachsens Krimi-Experten vor.

Die Spurensicherung, kurz "SpuSi" genannt, kümmert sich nach einem Verbrechen um die genaue Untersuchung des Tatorts. (Symbolbild)
Die Spurensicherung, kurz "SpuSi" genannt, kümmert sich nach einem Verbrechen um die genaue Untersuchung des Tatorts. (Symbolbild)  © Vasyl Chipiha/123rf

Das Szenario kennt man nur zu gut aus dem Fernsehen: Sie steigen in weißen Overalls, mit Mundschutz, Füßlingen und Handschuhen aus dem Auto.

Wenn die "SpuSi" kommt, wird der Tatort hermetisch abgeriegelt und auf Spuren eines Verbrechens untersucht. Andreas Jalowi (45) und Franziska Scheithauer (41) sind Teil der Tatortgruppe des LKA Sachsen.

Sie werden bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag zum Ort des Geschehens gerufen.

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Im typischen TV-"Tatort" steht der kauzige Ermittler mitten im Geschehen, dreht den Leichnam um und packt Beweismittel in kleine durchsichtige Tüten. Im wahren Leben aber darf der Ermittler noch nicht einmal hinter das Absperrband.

"Es obliegt uns zu entscheiden, wer den Tatort betritt", sagt Andreas Jalowi, Leiter des Fachbereichs 61 im Kriminaltechnischen Institut des LKA Sachsen. Zu groß sei die Gefahr, dass äußere Einflüsse die Spuren kontaminieren.

Große Unterschiede zwischen Fällen in TV-Krimis und echten Tatorten

So nah wie beim Dresdner "Tatort" dürfen Ermittler für gewöhnlich nicht an das Mordopfer.
So nah wie beim Dresdner "Tatort" dürfen Ermittler für gewöhnlich nicht an das Mordopfer.  © MDR/MadeFor/Daniela Incoronato

Der wohl größte Unterschied zwischen Film und Realität: "Eine 'Tatort'-Folge ist nach 90 Minuten vorbei, alle Spuren ausgewertet und der Täter gefasst", sagt Jalowi.

Die Spurensicherung am Tatort kann aber eine langwierige Angelegenheit für die Spezialisten werden. "Je komplexer und räumlich größer der Tatort, desto länger zieht sich auch die Spurensicherung."

Kniffelig wurde es auch bei einem berühmten Fall im Gimmlitztal. Wochenlang war die Sonderkommission "Pension" 2013 auf der Suche nach Leichenteilen eines Unternehmensberaters aus Hannover.

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Der damals 55-jährige Detlev G. hatte gestanden, einen 59-Jährigen auf dessen Wunsch getötet, zerstückelt und anschließend (in Teilen) gekocht zu haben. Die sterblichen Überreste vergrub der Täter im Garten seiner Pension.

Der Fall wurde innerhalb kürzester Zeit als "Kannibalen-Mord" bekannt. Auch die Tatortgruppe war damals zugegen. "Wir haben gemeinsam mit Kriminaltechnikern der Polizeidirektion Dresden mehrere Wochen draußen gearbeitet", erinnert sich Jalowi.

Erst wenn jedes Haar eingetütet, jeder Blutstropfen, Finger- und Schuhabdruck gesichert wurde, ist die Arbeit der Tatortgruppe getan. Doch was, wenn Ermittler und Staatsanwälte einen erneuten Blick auf das Geschehen benötigen? Bei der Tatortauswertung zählt immerhin jedes Detail.

Der Kannibale vom Gimmlitztal: Detlev G. hat einen Mann auf dessen Wunsch getötet.
Der Kannibale vom Gimmlitztal: Detlev G. hat einen Mann auf dessen Wunsch getötet.  © Arno Burgi/dpa

3D-Laserscanner frieren Tatorte ein, so kann man sie nachträglich "begehen"

Dank moderner Technologie können Richter, Anwälte und Sachverständige selbst entlegene Tatorte genau unter die Lupe nehmen.
Dank moderner Technologie können Richter, Anwälte und Sachverständige selbst entlegene Tatorte genau unter die Lupe nehmen.  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Die Tatortgruppe arbeitet seit 2010 mit hochsensiblen 3D-Laserscannern. Diese können Unfall- und Tatorte millimetergenau vermessen.

"Das ist eines der wichtigsten Dokumentationsmittel", sagt Scheithauer. "So kann jeder Beteiligte im Strafverfahren zurück an den Tatort geholt werden."

3D-Laserscanner können den Tatort vollumfänglich und dreidimensional erfassen. "Der Tatort wird zum Zeitpunkt der Messung eingefroren für die Ewigkeit", sagt Franziska Scheithauer. "Richter, Anwälte und Sachverständige können ihn später so 'begehen', wie wir ihn vorgefunden haben."

Am Ende ist und bleibt auch die Spurensicherung ein Handwerk, bei dem sich (teilweise) über die Jahrzehnte nichts verändert und die langjährige Erfahrung auf Basis einer soliden, mehrstufigen Ausbildung bedarf.

"Hilfreich ist es hierbei, sich in den Kopf des Täters zu denken, wie er reagiert und gehandelt haben könnte", sagt Andreas Jalowi. "Unsere Arbeit hängt immer von den kleinsten, unscheinbarsten Details ab. Am Ende sind es oftmals die kleinsten Spuren, wie eine textile Faser im Mund, eine latent sichtbare Fingerspur oder die DNA unter dem Fingernagel eines Mordopfers, das uns zum Täter führen", sagt Jalowi.

"Von allen gesicherten Materialien führt am Ende manchmal nur eine einzige winzige Spur auf die Fährte."

Der Fall Heike Wunderlich (†18) blieb jahrelang ungelöst.
Der Fall Heike Wunderlich (†18) blieb jahrelang ungelöst.  © Harry Haertel

Alte Fälle neu aufrollen: In Sachsen gibt es mehr als 200 "Cold Cases"

Das Opfer war mit dem Moped auf dem Weg nach Hause. Ihre Leiche wurde einen Tag später gefunden.
Das Opfer war mit dem Moped auf dem Weg nach Hause. Ihre Leiche wurde einen Tag später gefunden.  © Harry Haertel

Unbekannte DNA-Spuren oder vage Zeugenaussagen: Auch die erfahrensten Kriminalisten können bei Ermittlungen auf ihre Grenzen stoßen. Wird ein Fall nicht gelöst, wandert er früher oder später in die Akten und er wird zu einem sogenannten "Cold Case".

In Sachsen gibt es mehr als 200 solcher unaufgeklärter Fälle. Mittels neuer Technologien konnte ein Mord im Vogtland Jahrzehnte später aufgeklärt werden.

Im April 1987 fuhr die damals 18-jährige Heike Wunderlich mit ihrem Moped durch ein Waldstück in Plauen. Sie kehrte nie wieder zurück nach Hause. Ihr Mörder hatte sie brutal vergewaltigt und anschließend erdrosselt.

2015 kam es bei einem bundesweiten Abgleich zu einem Treffer. Dank ausgefeilterer DNA-Analyse fand man endlich eine Spur.

Experten des kriminaltechnischen Dienstes des LKA Sachsen konnten eine bisher unerkannte DNA-Spur am BH des Opfers extrahieren, die sie zu Helmut S. führte. 30 Jahre nach der Tat wurde der Mörder zu lebenslanger Haft verurteilt.

Titelfoto: Vasyl Chipiha/123rf

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