Fit machen für den Klimawandel: Sind Tannen die Rettung für unsere Wälder?

Erzgebirge - "Miriquidi" - Finsterwald. So nannte man im frühen Mittelalter ehrfürchtig das Erzgebirge. Seine tiefen Wälder, in denen Tannen, Fichten und Buchen wuchsen, flößten den Menschen Respekt ein.

Im Forstrevier Eibenstock werden Zapfen von Weißtannen geerntet. Die Zapfenpflücker Thomas Schmidt (60, l.) und Michael Münzner (53, r.) holen mithilfe einer Hebebühne die Früchte vom Baum herunter. Sie arbeiten dabei in etwa 30 Meter Höhe.
Im Forstrevier Eibenstock werden Zapfen von Weißtannen geerntet. Die Zapfenpflücker Thomas Schmidt (60, l.) und Michael Münzner (53, r.) holen mithilfe einer Hebebühne die Früchte vom Baum herunter. Sie arbeiten dabei in etwa 30 Meter Höhe.  © Uwe Meinhold

Doch diese Wälder fielen, als die Menschen dort anfingen, Siedlungen zu bauen, Erze zu suchen und zu verarbeiten. Heute dominiert die Fichte in den Wäldern und Weißtannen sind absolute Raritäten. Das ändert sich langsam.

Tannen sollen den erzgebirgischen Wald klimafit machen.

"Die Weißtanne braucht ein gewisses Maß an Feuchtigkeit, deshalb kann sie nicht überall die Fichte ersetzen. Aber hier im Mittelgebirgsraum Sachsens kann sie gut wachsen", sagt Clemens Weiser (41).

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Er leitet den Forstbezirk Eibenstock und begleitet an diesem Tag vier Mitarbeiter bei einer besonderen Mission: Zapfenernte zur Samengewinnung bei den Weißtannen.

"Etwa 20 bis 30 Kilogramm Zapfen können wir pro Baum ernten"

Clemens Weiser (41) leitet den Forstbezirk Eibenstock. Die gezielte Ernte von Saatgut ist nötig, um den Bestand der Weißtannen im Forst zu mehren.
Clemens Weiser (41) leitet den Forstbezirk Eibenstock. Die gezielte Ernte von Saatgut ist nötig, um den Bestand der Weißtannen im Forst zu mehren.  © Uwe Meinhold

Forstmeister Thomas Schmidt (60) steht auf einer Hebebühne in etwa 30 Metern Höhe und pflückt die Zapfen einer imposanten Weißtanne ab. Sein Kollege Michael Münzner (53) neben ihm sammelt die harzigen Früchte des Baumes in einem Sack. Die beiden arbeiten flink, Hand in Hand.

Keine hundert Meter von beiden entfernt kämpft sich Peter Hahn (60) in etwa 20 Metern Höhe durchs Geäst einer anderen Weißtanne. Hahn trägt einen Klettergurt, hängt gesichert an einem Seil. Auch seine Finger greifen emsig nach den Zapfen, klauben sie ab, um sie zu bergen.

"Etwa 20 bis 30 Kilogramm Zapfen können wir pro Baum ernten. Rund zehn Prozent des Zapfengewichts sind Samen", berichtet Weiser. 2023 ist ein schlechtes Zapfenjahr. Nur bei einem einzigen Weißtannen-Bestand in Sachsen lohnt sich die Ernte.

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Weiser rechnet damit, dass insgesamt 300 Kilogramm Zapfen bei Eibenstock geerntet werden können. Im Vorjahr waren es noch sechs Tonnen.

Mit einem Katapult wird das Seil in den Baum eingeschossen. Danach steigen die Zapfenpflücker an dem Seil in den Wipfel der Tanne.
Mit einem Katapult wird das Seil in den Baum eingeschossen. Danach steigen die Zapfenpflücker an dem Seil in den Wipfel der Tanne.  © Uwe Meinhold

Weißtannen sind grüne Hoffnungsträger

Zapfenpflücker Peter Hahn (60) steigt auf eine Tanne. Die Arbeit verlangt neben Fitness auch Umsicht, forstliches Wissen und Höhentauglichkeit.
Zapfenpflücker Peter Hahn (60) steigt auf eine Tanne. Die Arbeit verlangt neben Fitness auch Umsicht, forstliches Wissen und Höhentauglichkeit.  © Uwe Meinhold

Im Forstbezirk Eibenstock gibt es insgesamt 271 Alttannen, in ganz Sachsen sind es etwa 2000. Weißtannen stellen damit nur einen Bruchteil des Gesamtbaumbestandes dar, der von Fichten dominiert wird. Noch! Denn das soll sich ändern.

Weißtannen sind grüne Hoffnungsträger, denn sie besitzen eine Pfahlwurzel. Mit dieser Wurzel kann der Baum tiefer liegende Wasserspeicher anzapfen und so Dürreperioden überstehen. Fichten können das nicht. Sie sind Flachwurzler und leiden unter Trockenstress und Stürmen. Einmal geschwächt, stellen sie ein leichtes Fressen für Borkenkäfer dar.

Clemens Weiser: "Aus unserer diesjährigen Ernte werden wir etwa 30 Kilogramm Saat gewinnen können. Eine Hälfte davon bekommt eine Baumschule. Die andere Hälfte wird gesät auf etwa einem Hektar Waldboden." Wie viele Bäume daraus erwachsen können, vermag der studierte Forstwirt nicht seriös abzuschätzen: "Im vergangenen Jahr gingen weniger als 20 Prozent der Samen in der Baumschule auf. Warum die Keimrate so gering war, ist unklar. Da besteht noch viel Forschungsbedarf."

Ein Kilogramm Weißtannen-Saatgut enthält etwa 20.000 Samen. Es wird für nicht weniger als 100 Euro gehandelt. Um den Saatgut-Bedarf zu decken, kauft der Staatsbetrieb in Osteuropa zu. Die Herkunft der Saaten ist wichtig, steht sie doch für eine genetische Vielfalt.

Clemens Weiser: "Die Tannen, deren Zapfen wir hier ernten, wurden vor 60 Jahren von einem Förster angepflanzt. Das Saatgut war 'Goldstaub'. Er hat es damals aus Rumänien hergeholt."

Die damalige Weitsicht des Försters schenkt seinen Nachfolgern heute Zuversicht.

Samenspender gesucht

Zapfenpflücker Christian Jochmann (32) sucht mit dem Fernglas den besten Weg auf den Baum.
Zapfenpflücker Christian Jochmann (32) sucht mit dem Fernglas den besten Weg auf den Baum.  © Uwe Meinhold

Als Samenspender kommen nur die vitalsten und schönsten Vertreter ihrer Art mit der besten Holzqualität infrage.

Diese Bäume werden von den Förstern auserwählt und mit Brief und Siegel behördlich zertifiziert (nach dem Forstvermehrungsgutgesetz). Gegenwärtig gibt es in Sachsen etwa 767 Erntebestände.

Die Zahl der Bestände verändert sich von Jahr zu Jahr - das garantiert genetische Vielfalt sowie das Angebot hochwertiger und identitätsgesicherter Saat- und Baumschulsortimente.

Ein Forstsaatgutbestand ist im Gelände sichtbar und dauerhaft markiert. Seine Grenzbäume tragen drei untereinander liegende Farbringe (gelb-grün-gelb).

Die gezielte Ernte von Saatgut findet auch bei anderen Baumarten wie Buche, Eiche, Douglasie und Ahorn statt.

Artenvielfalt wird wichtiger

Trockenheit, Stürme und Schädlinge setzen Sachsen Wäldern zu. Durch einen gezielten Waldumbau soll in Zukunft artenreicher Mischwald entstehen und zudem das Risiko von Totalverlusten minimiert werden.
Trockenheit, Stürme und Schädlinge setzen Sachsen Wäldern zu. Durch einen gezielten Waldumbau soll in Zukunft artenreicher Mischwald entstehen und zudem das Risiko von Totalverlusten minimiert werden.  © Thomas Türpe

Stürme, Trockenheit, Käferplagen: Der Wald im Erzgebirge steht unter Druck und muss sich verändern, um eine Zukunft zu haben.

Der sogenannte Waldumbau läuft seit Jahren. Ziel ist die Rückkehr zum Bergmischwald (mit jeweils einem Drittel Tanne, Fichte und Buche), wie es ihn vor dem Bergbau gab.

Die Vielfalt der Arten in den Wäldern wird dabei zukünftig noch wichtiger. So sprechen Klimaprognosen für den Forst davon, dass im Jahr 2100 Eichen am fast 1000 Meter hohen Auersberg heimisch sind.

"Wir haben gedacht, dass wir nach 30 Jahren mit dem Waldumbau fertig sind. Doch jetzt wissen wir, dass der Waldumbau zur Daueraufgabe wird", sagt Clemens Weiser.

Kleine Zapfenkunde

Die harzigen Zapfen der Weißtanne riechen nach Terpentin. Weißtannen können locker über 100 Jahre alt und 50 Meter hoch werden.
Die harzigen Zapfen der Weißtanne riechen nach Terpentin. Weißtannen können locker über 100 Jahre alt und 50 Meter hoch werden.  © Uwe Meinhold

"Schau, da liegt ein Tannenzapfen auf dem Boden."

Vooorsicht! Wenn Du diesen Satz hörst, kann es sehr gut sein, dass Dich jemand auf den Arm nehmen möchte.

Denn: Tannenzapfen fallen nicht zu Boden. Für die Fortpflanzung ihrer Art leert die Tanne lediglich ihre Zapfen.

Die Zapfenspindeln bleiben fest am Baum stehen. Auf dem Boden findet man nur Zapfen von Fichten.

Übrigens: Tannenzapfen stehen auf den Zweigen, recken sich senkrecht nach oben. Fichtenzapfen hängen an den Zweigen.

Titelfoto: Montage: Uwe Meinhold

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