Klimaexperte: Wird das Winter-Hochwasser in Sachsen künftig zum Standard?

Dresden/Leipzig - 300 Liter Regen pro Quadratmeter fielen in den letzten drei Monaten in Sachsen. Normal wären für diesen Zeitraum etwa 170 Liter gewesen. Die Folge waren und sind vielerorts Hochwasser - nicht nur in Sachsen. Klimaexperte Dr. Andreas Marx (47), Leiter des Mitteldeutschen Klimabüros am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, schätzt, dass es in Zukunft häufiger zu solchen (Hochwasser-)Ereignissen im Winter kommen wird.

Der Klimaexperte Dr. Andreas Marx (47) stand TAG24 Rede und Antwort.
Der Klimaexperte Dr. Andreas Marx (47) stand TAG24 Rede und Antwort.  © Sebastian Wiesling/UFZ/dpa

TAG24: Dr. Marx, sind drei Monate Regen noch normal?

Dr. Andreas Marx: Ein Vierteljahr mit überdurchschnittlichem Niederschlag ist nicht ungewöhnlich. Wir hatten 2013 zum Beispiel an Elbe und Donau Hochwasser, die durch sehr nasse Böden begünstigt wurden. Da sind auch drei Tiefdruckgebiete über Deutschland gegangen.

TAG24: Die Hochwasser 2002 und 2013 fanden im Frühjahr/Sommer statt. Nun das Hochwasser im Winter.

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Marx: Das hat sich schon ein wenig geändert. Und für die Zukunft wird erwartet, dass im Winter Hochwasserereignisse häufiger auftreten können.

TAG24: Woran liegt das?

Marx: In der Vergangenheit hatten wir mehr Eis- und Frosttage. Da fiel in den Gebirgen mehr Schnee, und wir hatten vor allem im Frühjahr mit der Schneeschmelze dann Hochwassersituationen. Da in Zukunft im Winter zunehmend mehr Niederschlag in flüssiger Form fallen wird, steigt eben auch die Wahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen. Das heißt aber nicht, dass das immer katastrophale Hochwasser sein werden.

Das sagt der Experte zu Dürre-Perioden in Sachsen

Derzeit steht das Terrassenufer in Dresden wieder unter Wasser.
Derzeit steht das Terrassenufer in Dresden wieder unter Wasser.  © Max Patzig

TAG24: Erst Dürre, jetzt Hochwasser. Kommen die Katastrophen künftig immer im Wechsel?

Marx: Da ist ganz viel schlecht kommuniziert worden in den letzten Jahren. Richtig ist, dass der Klimawandel zu mehr Extremereignissen führt. Was aber vollkommen unnormal ist, ist, dass das Extrem Dürre abgelöst wird von Hochwasserereignissen. Das ist nicht der Regelfall. Auch anhand von Klimasimulationen ist nicht ableitbar, dass es in Zukunft immer zwischen Dürre und Hochwasser hin und her pendelt.

TAG24: Mit der Dürre im Boden ist es aber sicher vorbei, oder?

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Marx: Grundsätzlich hat es im Gesamtbodenspeicher eine deutliche Erholung gegeben. In großen Teilen Deutschlands hat sich die Dürre fast komplett aufgelöst. Richtung Osten verläuft es etwas zeitverzögert, weil es im Westen deutlich mehr geregnet hat. Was man außerdem sieht, dass sich nicht nur der Bodenspeicher auffüllt, sondern auch das Grundwasser wieder steigt.

Lange Wetterperioden werden normal

Die Erwärmung der Erde durch den Klimawandel geht nicht gleichmäßig voran. So erwärmt sich der Nordpol schneller als der Äquator. Die veränderten Druckunterschiede sorgen dafür, dass der Jetstream, ein Höhenwind in 10.500 Metern Höhe, in größeren Wellen nach Norden und Süden ausschlägt.

Dies führt wiederum dazu, dass die Wettergebiete langsamer über die Nordhalbkugel ziehen.

Regen in Zahlen

So entwickelte sich die Regenmenge in Sachsen.
So entwickelte sich die Regenmenge in Sachsen.  © Montage: 123RF/teteraandrey, TAG24-Grafik

197 Regentage schlugen 2023 in Sachsen zu Buche. Davon entfielen 65 Tage auf die Monate Oktober bis Dezember.

832 l/m² Regen fielen in Sachsen im Vorjahr. Nach langjährigem Mittel wären 737 Liter normal. Ein Plus von 12,9 Prozent. Aber: Ganze 300 Liter gehen aufs Konto der letzten drei Monate.

Mit 170,9 l/m² (normal: 120,6 l/m²) war Carlsfeld (bei Klingenthal) im Dezember der feuchteste Ort in Sachsen. Relativ gesehen fiel in Leipzig-Holzhausen mit 115 Litern mehr als das Doppelte (248,6 Prozent) an Regen. Deutschlandweit war Braunlage (Niedersachsen) mit 392 Litern (normal: 100 l/m²) der feuchteste Ort im Dezember.

Mit 2492,7 l/m² ist die Zugspitze 2023 und auch sonst (normal: 2003 l/m²) der feuchteste Ort in Deutschland.

Generell gilt: Es gibt ein West-Ost-Gefälle beim Niederschlag. So bekommen die Orte an der Nordsee zum Beispiel mehr Regen ab als die an der Ostsee. Nur im Süden ist dies anders - wegen der Alpen.

Hochwasserschutz: Viel wurde schon getan, aber noch längst nicht alles

Deiche können ein effektiver Hochwasserschutz sein.
Deiche können ein effektiver Hochwasserschutz sein.  © dpa/Heiko Rebsch

Seit dem Augusthochwasser 2002 hat der Freistaat über drei Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert. "Das Weihnachtshochwasser 2023 hat einmal mehr gezeigt, dass die seit 2002 umgesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen in Sachsen wirksam sind und sowohl Bevölkerung als auch Infrastruktur effektiv schützen", heißt es seitens der Landestalsperrenverwaltung.

Aktuell würden die ersten Hochwasserschutzkonzepte aktualisiert. Zudem seien weitere Projekte für 2024 in Planung.

Unter anderem sollen in Gröditz der Ersatzneubau des Hoischewehres und in Strehla - beides Landkreis Meißen - die Deichinstandsetzung abgeschlossen werden.

In Aue-Bad Schlema (Landkreis Erzgebirge) werde mit der Erhöhung der Hochwasserschutzmauer an der Zwickauer Mulde und in Torgau (Mittelsachsen) die Sanierung eines Deiches begonnen.

Grundwasser erholt sich

Das Grundwasser erholt sich wieder.
Das Grundwasser erholt sich wieder.  © 123RF/vachom

Im Winter ist es normal, dass die Grundwasserpegel ansteigen. "Der für das Winterhalbjahr [...] typische Anstieg der Grundwasserstände setzte niederschlagsbedingt im laufenden Winterhalbjahr recht früh ein - durch eine frühe Schneedecke und anschließendes Tauwetter", teilt das Sächsische Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Geologie (LfULG) auf TAG24-Anfrage mit.

So überschreiten derzeit etwa 68 Prozent der ausgewerteten 199 Messstellen den monatstypischen Grundwasserstand um durchschnittlich 33 Zentimeter.

Im Vorjahr waren es nur 15 Prozent um durchschnittlich 25 Zentimeter.

Aber: "Insbesondere im Vorland der Mittelgebirge und im Tiefland liegen die GW-Stände immer noch deutlich unter den vieljährigen mittleren Verhältnissen", heißt es.

Bergbauseen werden stärker geflutet

Blick auf den Cottbuser Ostsee.
Blick auf den Cottbuser Ostsee.  © dpa/Patrick Pleul

Von den starken Regenfällen profitiert unter anderem der Energiekonzern LEAG. So kann der Bergbaunachfolgesee Ostsee (Brandenburg) erstmals mit vollem Zulauf aus der Spree geflutet werden.

Auch für die Flutung der Bergbaufolgeseen der LMBV in Sachsen seien "die aktuellen Abflussverhältnisse positiv, allerdings ist die Aufnahmekapazität der Zuleiter physisch beschränkt", erklärt der Bergbausanierer.

Konnten die LMBV-Bergbaufolgeseen in der Vergangenheit teilweise zur Entlastung von Hochwasser in Spree und Schwarzer Elster beitragen, gäbe es derzeit kaum noch Spielraum. Die Aufnahmekapazitäten seien am Limit.

"Sollte sich die Situation in der Spree verschärfen, dann wird gemeinsam mit den Ländern und dem Katastrophenstab die Steuerung der Bergbaufolgeseen neu abgestimmt. Wasserstandsabhängige Sanierungsarbeiten würden dann zum Beispiel eingestellt werden", erklärt Maik Ulrich, Leiter der Flutungszentrale.

Aussichten: Es wird frostig!

Laut Deutschem Wetterdienst in Leipzig erwartet uns ab dem Wochenende trockeneres, aber dafür frostiges Wetter in Sachsen.

So strömt kalte Luft in den Freistaat, die spätestens ab Sonntag Dauerfrost bringt und eventuell noch auftretende Niederschläge bis in die Tieflagen in Schnee verwandelt.

Die kommende Woche könnte dann sogar niederschlagsfrei verlaufen. Die Temperaturen bleiben dabei im Minus-Bereich, bei -2 bis -5 Grad, im Bergland bis zu -10 Grad.

Aufatmen also für die Hochwassergebiete!

Titelfoto: Montage: Max Patzig, Sebastian Wiesling/UFZ/dpa

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