Kosten-Schock: Kita-Gebühren bis zu 20 Prozent und mehr rauf!

Dresden - Kinder, das wird teuer!

Für die frühkindliche Bildung wurde durch die Politik mehr Personal gefordert. Das erhöht die Qualität, treibt aber die Kosten nach oben.
Für die frühkindliche Bildung wurde durch die Politik mehr Personal gefordert. Das erhöht die Qualität, treibt aber die Kosten nach oben.  © imago images/Panthermedia

Dieser Tage fanden viele Eltern einen Hinweis im Briefkasten, der richtig Geld kostet. Denn ein großer Teil der sächsischen Gemeinden erhöht im September wieder einmal die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung - mancherorts um mehr als 20 Prozent. 

Ein Krippenplatz kostet derzeit - je nach Kommune - zwischen 170 und 304 Euro im Monat. Und die Spirale dreht sich weiter. Denn durch das Vorhaben der Kenia-Koalition, die Qualität der frühkindlichen Bildung zu verbessern, wird eine weitere Kostenlawine ausgelöst.

Die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause war in zahlreichen Städten und Gemeinden Sachsens konfliktbehaftet. Denn es galt, die stark gestiegenen Betriebskosten aus der örtlichen Kinderbetreuung zu finanzieren. Nimmt man die Eltern noch mehr in die Pflicht? Oder greift man in die ohnehin schon klamme Stadtkasse?

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Zur Kostensteigerung kommt es vornehmlich im Krippenbereich, hauptsächlich beim Personal. Die Politik veranlasste - von fast allen Akteuren wegen der Qualitätssteigerung begrüßt - die Senkung des Betreuungsschlüssels: Statt sechs Kinder betreut eine Erzieherin nur noch fünf. 

Mehr Betreuer mussten eingestellt werden. Wegen neuer Tarife stieg deren Durchschnittslohn um 337 Euro im Monat.

Krippenbeiträge der Eltern im Schnitt zwischen 220 und 270 Euro

Dieser Tage erhalten viele sächsische Eltern einen Brief mit höheren Beiträgen für die Kinderbetreuung.
Dieser Tage erhalten viele sächsische Eltern einen Brief mit höheren Beiträgen für die Kinderbetreuung.  © 123RF/Cathy Yeulet

Der Aufschlag für einen Neun-Stunden-Krippenplatz fällt in den Gemeinden unterschiedlich aus. Während Lauter-Bernsbach (+ 5 Euro im Monat), Boxberg (+ 6) und Groitzsch (+ 7,16) relativ moderat erhöhen, fallen die Steigerungen in Reinsberg (+ 32,94), Weinböhla (+ 43,32) und Mühlental (+ 67,26) richtig heftig aus.

Die Krippenbeiträge der Eltern pendeln sich im Schnitt zwischen 220 und 270 Euro ein. Auerbach im Erzgebirge durchbricht bereits eine Schallmauer: Hier kostet der Krippenplatz ab September 304,34 Euro im Monat. 

Gemeinden, welche die Krippenbetreuung ausschließlich sich selbst ausbeutenden und teils nicht tarifgebundenen Tagesmüttern überlassen, können den Platz für 170 Euro anbieten.

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Auch in der Landeshauptstadt stehen die Zeichen auf Sturm. Die Verwaltung schlug dem Stadtrat vor, die Elternbeiträge für die Krippe von 216,49 auf 280 Euro zu erhöhen, ein Plus von 63,51 Euro pro Monat, oder 762 Euro im Jahr. 

Nur Thüringen und Mecklenburg zahlen weniger als Sachsen

Für jedes Kind zahlt der Freistaat 2020 exakt 3 033 Euro. Zu wenig, behaupten die Kommunen.
Für jedes Kind zahlt der Freistaat 2020 exakt 3 033 Euro. Zu wenig, behaupten die Kommunen.  © 123RF/rawpixel

Sascha König-Apel, Vorsitzender des Stadtelternbeirates: "Eine solch massive Erhöhung ist für Eltern eine unzumutbare Belastung." Die Fraktionen werden die Zahlen nach der Sommerpause beraten.

Weil die Belastungsgrenze bei Eltern und Kommunen überschritten scheint, wird der Ruf nach dem Freistaat immer lauter. 

Dabei hat Sachsen - nach zähen Verhandlungen - die Jahrespauschale pro Kind bereits von 2455 (2018) auf 2733 Euro (2019) erhöht. 

Weil die Bundesmillionen aus dem Gute-Kita-Gesetz dazukommen, liegt dieser Anteil inzwischen bei 3033 Euro pro Kind und Jahr.

Und doch ist das für die Kommunen nicht auskömmlich. Mischa Woitschek vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG): "Über alles gerechnet bewegt sich die Höhe der Pauschale nach wie vor im unteren Drittel. Es gibt Länder, die ihren Kommunen über 5000, vereinzelt über 6000 Euro erstatten." 

Nach Berechnung des SSG zahlen nur Thüringen und Mecklenburg weniger als Sachsen.

Im Herbst stehen die Verhandlungen zwischen dem Freistaat und den kommunalen Spitzenverbänden zum kommunalen Finanzausgleich 2021/22 an. Dabei wird die Erhöhung der Landespauschale für die Kinderbetreuung eine entscheidende Rolle spielen.

Wer bezahlt den Wunschzettel?

Durch Corona und die erheblichen Einschränkungen kamen weitere Belastungen hinzu - auch finanzieller Art.
Durch Corona und die erheblichen Einschränkungen kamen weitere Belastungen hinzu - auch finanzieller Art.  © picture alliance/dpa/Jens Büttner

Ein umfangreicher Wunschzettel für die Kinderbetreuung steht im Koalitionsvertrag der sächsischen Regierung. Zur Finanzierung desselben steht da aber nichts. Wer also soll das alles bezahlen? Ein Bürgermeister hat sich schon festgelegt: der Freistaat - und zwar zu 100 Prozent!

So soll längerfristig das Verhältnis von Erziehern und Kindern auf 1:4 (Krippe), 1:10 (Kindergarten) und 1:16 (Hort) reduziert werden. Und die Einrichtungen sollen schon bald auch im ländlichen Raum länger geöffnet bleiben. Zudem will die Kenia-Koalition Obergrenzen für Elternbeiträge prüfen.

"Diese Ziele tragen wir inhaltlich voll mit", sagt Uwe Günther (CDU), Bürgermeister aus dem erzgebirgischen Großolbersdorf. Gemeinsam mit seinem Gemeinderat schrieb er jetzt einen einstimmig beschlossenen offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (45, CDU). Denn ihm schwant nichts Gutes.

Günther: "Es ist zu befürchten, dass die finanziellen Auswirkungen wieder zulasten der kommunalen Haushalte und der Eltern abgewälzt werden. Hier ist im vollen Umfang der Freistaat gefordert."

Wahlversprechen "Gebührenfreie Kitas"

Gebührenfreie Kitas in Sachsen? Wohl kaum...
Gebührenfreie Kitas in Sachsen? Wohl kaum...  © Monika Skolimowska

"Wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Mehr Geld für Kita-Ausbau, Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit." 

So steht es im Vertrag der Großen Koalition auf Bundesebene. Allerdings ist das nichts mehr als ein Formelkompromiss an die SPD, welche sich im Wahlkampf dafür stark gemacht hat. Das dafür nötige Geld hat inzwischen die Corona-Hilfe verbraucht.

Im sächsischen Kenia-Koalitionsvertrag fanden gebührenfreie Kitas keinen Niederschlag. Es waren im Freistaat AFD, Linke und SPD, welche dieses Anliegen in ihrem 2019er Wahlprogramm forderten. 

Obwohl die drei Fraktionen mit 62 von 119 Sitzen eine Mehrheit im Landtag besitzen, werden sie schon aus Eitelkeiten heraus dafür niemals gemeinsam abstimmen.

Titelfoto: picture alliance/dpa/Jens Büttner/123RF/Cathy Yeulet

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