Nervige Handy-Funklöcher in Sachsen: Loch an Loch - und funkt doch?

Dresden - Abgebrochene Handytelefonate, lähmend langsamer Datenverkehr oder einfach kein Mobilfunknetz - wer kennt das nicht? Ob auf Autobahnen, in Bus oder Bahn, zu Hause oder im Büro: Mehr als die Hälfte der Sachsen rutschen bei ihrer Handynutzung regelmäßig in Funklöcher. Doch warum sind die Lücken auch Jahrzehnte nach Start des Netzaufbaus noch immer nicht geschlossen? Wie Mobilfunkbetreiber beim Ausbau tricksen und wie man in Funklöchern trotzdem telefonieren kann.

"Kein Schwein ruft mich an ...": Wie im Max-Raabe-Schlager fühlen sich viele Handynutzer zumeist auf dem platten Land, wenn es beim Gesprächspartner "kein Anschluss unter dieser Nummer" heißt.
"Kein Schwein ruft mich an ...": Wie im Max-Raabe-Schlager fühlen sich viele Handynutzer zumeist auf dem platten Land, wenn es beim Gesprächspartner "kein Anschluss unter dieser Nummer" heißt.  © 123RF/photodee

Wenn Marc Rössig (43) aus Bannewitz (bei Dresden) in seiner Firma telefonieren oder mailen will, muss er 50 Meter aus dem Büro raus auf die Wiese gehen und Netz suchen. "Nur dort habe ich mit meinem Vodafone-Vertrag Handyempfang", sagt der Inhaber eines Catering-Veranstaltungsservices. Das geht bereits seit 2009 so.

Auch seine Mitarbeiter mit Telekom- und O2-Verträgen klagen hier über Funkstille. "Bei andauernden Gesprächsabbrüchen oder Nichterreichbarkeit werde ich unglaubwürdig gegenüber meinen Kunden. Sie fragten mich schon, ob ich mir einen Spaß erlaube oder es nicht nötig hätte", ärgert sich Rössig. "Einmal ist mir dadurch sogar ein Auftrag im fünfstelligen Bereich entgangen."

Kein Einzelfall. In Sachsen gilt der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 922 Funklöchern als trauriger Spitzenreiter. Sogar im Landkreis Görlitz mit seinen ausgedehnten Waldflächen und dem Truppenübungsplatz sind es nur 76 (Stand: Oktober 2022).

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Laut Vergleichsportal Verivox landen mehr als die Hälfte der Deutschen (genau 53 Prozent) bei der Handynutzung regelmäßig in Funklöcher. Am stärksten davon betroffen sind Pendler (62 Prozent). Manche Autobahnen oder Eisenbahnstrecken sind funktechnisch die reinsten Flickenteppiche - besonders in dünn besiedelten Landstrichen.

Doch warum ist das so - 31 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten voll digitalen Mobilfunknetzes D2 von Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone)?

Gefangen im Funkloch: Marc Rössig (43) sucht auf der Wiese neben seinem Büro an der Bannewitzer Horkenstraße verzweifelt nach seinem Handynetz.
Gefangen im Funkloch: Marc Rössig (43) sucht auf der Wiese neben seinem Büro an der Bannewitzer Horkenstraße verzweifelt nach seinem Handynetz.  © Eric Münch

Hausbewohner stellen sich quer bei neuen Handy-Masten

"Der Netzausbau dauert zu lange": Henning Gajek (54), Sprecher von teltarif.de.
"Der Netzausbau dauert zu lange": Henning Gajek (54), Sprecher von teltarif.de.  © dpa/Uwe Anspach

"Weil Deutschland ein Land der Bürokraten und Bedenkenträger ist. Der Bau einer Mobilfunk-Sendestation von der Idee bis zur Inbetriebnahme dauert drei Jahre", sagt Henning Gajek (54), Sprecher vom Online-Telekommunikations-Nachrichtenmagazin teltarif.de.

Dabei fallen Gesamtkosten in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro an - pro Mast! Montiert als Antennen auf Dächer wird's günstiger. Doch dort lehnen sie inzwischen viele Hausbewohner und Bürgerinitiativen aus (allerdings amtlich bestätigt unnötiger) Angst vor Strahlung ab.

Zudem gelten Felder, Wälder und dünnbesiedelte Landstriche als unrentable Standorte. Um diese weißen Flecken auf Mobilfunkkarten zu tilgen, hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Januar 2021 die bundeseigene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) gegründet. Sie fördert und koordiniert den Mobilfunkausbau mit einem Gesamtbudget von 1,1 Milliarden Euro. Ein Großteil dieses Geldes stammt aus dem Verkauf von 5G-Frequenzen.

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Gajek: "Der Haken ist nur, dass sich durch Anträge auf Bewilligung bei der neuen Behörde die Planungszeit um ein weiteres Jahr verlängert."

Neuer Netzbetreiber als Funkloch-Stopfer?

Einer sendet für alle: Viele 5G-Funksendeanlagen sind inzwischen Gemeinschaftsantennen für alle Netzbetreiber.
Einer sendet für alle: Viele 5G-Funksendeanlagen sind inzwischen Gemeinschaftsantennen für alle Netzbetreiber.  © dpa/Jens Büttner

Kann in diesem Dilemma ein neuer, vierter deutscher Netzbetreiber die Funklöcher kitten? Eine Idee mit Fehlstart.

Bei der Frequenzauktion 2019 verpflichtete sich der Telekommunikationsanbieter 1&1, bis Ende 2022 insgesamt 1000 eigene Standorte mit schnellem 5G-Standard in Betrieb zu nehmen.

Weil es tatsächlich aber nur fünf wurden, brummte die Netzagentur den Mobilfunkern aus Montabaur mutmaßlich ein millionenschweres Bußgeld auf.

Bei Rössig in der Firma heißt es weiter: "Kein Netz": "Mich beschwichtigte das Vodafone-Businesscenter nur lapidar, man arbeite am Ausbau. Da fühlt man sich als Firma mit einem sechsstelligen Jahresumsatz wie abgestempelt."

Noch schwerer zu ertragen: Ein neuer Funkmast steht bereits seit April 150 Meter Luftlinie entfernt. Das Funkloch blieb. Rössig: "Der Mast funkt nämlich noch immer nicht! Ich arbeite längst von zu Hause."

So geht der 5G-Netzausbau voran

Wo sich Funklöcher verstecken, kann man auf der Website der Bundesnetzagentur sehen.
Wo sich Funklöcher verstecken, kann man auf der Website der Bundesnetzagentur sehen.  © Screenshot/breitbandmessung.de

Bis zum Jahr 2030 soll es den neuesten Mobilfunkstandard überall dort geben, "wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind", so das Ziel der Gigabitstrategie der Bundesregierung.

Ist das zu schaffen? "Um Kosten zu sparen, baut inzwischen der eine Mobilfunkanbieter einen Mast und schließt dann zähneknirschend seine Konkurrenten mit an - freilich gegen eine Miete", sagt Mobilfunk-Experte Henning Gajek. So sollen die Vorgaben der Bundesnetzagentur nach Netzabdeckung erfüllt werden.

Bei der Deutschen Bahn soll es bis 2025 erste Netzverbesserungen geben. Telekom wie Vodafone haben entsprechende Vereinbarungen geschlossen, wollen vorerst ein zusätzliches Frequenzband nutzen. Bis Ende 2024 sollen alle Schienenwege mit einer Datenrate von mindestens 50 Mbit/s versorgt sein - rund 39.000 Kilometern Strecke!

Auf den 13.000 Kilometern der Bundesautobahnen sollten die drei Netzbetreiber Telekom Deutschland, Telefónica Germany (O2) und Vodafone bereits bis Ende 2022 Mobilfunk mit einer Datenrate von mindestens 100 Mbit/s bereitstellen.

Prüft das doch mal bei einem Selbsttest!

Wie man Funklöcher austrickst

Wo WLAN anliegt, lässt sich unter Umständen auch besser telefonieren.
Wo WLAN anliegt, lässt sich unter Umständen auch besser telefonieren.  © 123RF/liudmilachernetska

• Nutzt für mehr Signalstärke im Auto eine Außenantenne (wenn die sich noch an Euer Handymodell anschließen lässt).

• Nutzt in Dual-SIM-Handys eine zweite SIM-Karte eines alternativen Mobilfunknetzes.

• Auch wenn er noch so kostengünstig beworben wird: Bevor man einen neuen Mobilfunkvertrag in einem anderen Netz abschließt, sollte man es dort testen, wo man es zumeist nutzt. Bittet Freunde, die im entsprechenden Netz telefonieren, Eure Lieblingsplätze auf Funklöcher abzuchecken. "Oder kauft Euch probeweise eine Prepaidkarte für das neue Netz", rät Experte Henning Gajek. "Die Handynummer könnte man später sogar zu einem festen Vertrag portieren."

• Bieten sowohl Handy als auch Vertrag (bei der Hotline erfragen) die Funktion WLAN-Call (auch Wifi-Calling oder Voice over WiFi genannt)? Dann könnt Ihr auch in einem Funkloch telefonieren, wenn Ihr gleichzeitig in einem WLAN-Netz eingebucht seid - zum Beispiel zu Hause im Keller, hinter dicken Betonwänden im Büro oder im Supermarkt. Es gelten dabei die Konditionen des Mobilfunktarifs weiter (oft Flatrate für Gespräche in alle deutschen Netze). Tipp: Mit dieser Funktion könnt Ihr im WLAN eines Urlaubshotels am anderen Ende der Welt sogar ohne weitere Kosten in die Heimat telefonieren! Gajek: "Nur alle Anbieter im Vodafone-Netz blockieren diese Funktion im Ausland."

Titelfoto: Montage: 123RF/photodee, dpa/Jens Büttner

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