Ökologischer Zustand mangelhaft: So krank sind Sachsens Flüsse

Dresden - Von wegen wichtige Lebensadern: Sachsens Flüsse und Bäche sind zu einem großen Teil nichts weiter als leblose Wasserrinnen. Laut Analyse des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) befinden sich gerade einmal 6,6 Prozent der sächsischen Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand. Bis 2027 sollen eigentlich alle Flüsse diese Qualität erreichen, sonst drohen horrende Strafzahlungen an die EU. Diese abzuwenden, bezeichnet Umweltminister Wolfram Günther (50, Grüne) als Mammutaufgabe. Bei deren Lösung stößt er aber auf massive Hindernisse.

Am Göhrener Viadukt hat die Zwickauer Mulde noch einen unbefriedigenden ökologischen Zustand.
Am Göhrener Viadukt hat die Zwickauer Mulde noch einen unbefriedigenden ökologischen Zustand.  © dpa-Zentralbild

Kristallklares Wasser plätschert über Steine, im Sediment und darüber wimmelt es von tierischen und pflanzlichen Kleinstlebewesen. Der Bach mäandert elegant um natürliche Hindernisse wie Sandbänke und findet Überschwemmungsflächen.

Am bewachsenen und beschatteten Ufer gibt sich eine Artenvielfalt aus Amphibien, Insekten und Vögeln ein Stelldichein. Auch Menschen finden hier ihre Erholung und die Anglerin wirft guten Gewissens die Rute aus.

Ein gesundes Fließgewässer wird durch die Wasserrahmenrichtlinie der EU nicht ganz so romantisch beschrieben. Diese zieht zur Bewertung vier biologische Qualitätskomponenten heran: Phytoplankton (im Wasser schwebende Algen), Makrophyten (höhere Wasserpflanzen), Makrozoobenthos - mit bloßem Auge erkennbare wirbellose Tiere der Gewässersohle - und natürlich Fische.

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Ist alles ausreichend vorhanden, spricht man von gutem ökologischem Zustand.

Forellen bevorzugen kühle und klare Gewässer. In Sachsen werden sie da nicht überall fündig. Auch die Population der Flussregenpfeifer wurde stark ausgedünnt.
Forellen bevorzugen kühle und klare Gewässer. In Sachsen werden sie da nicht überall fündig. Auch die Population der Flussregenpfeifer wurde stark ausgedünnt.  © Bildmontage: 123RF/colnihko, 123RF/phichak

Jeder vierte Fluss in Sachsen eine leblose Rinne

Die Elbe bekommt für die Ökologie die Note 3. Der Fischbestand ist sogar gut.
Die Elbe bekommt für die Ökologie die Note 3. Der Fischbestand ist sogar gut.  © picture alliance/dpa

In Sachsen findet man solche gesunden Gewässer vornehmlich im Vogtland und im Erzgebirge. Beispiele: Triebel, Große Bockau, Gottleuba.

Gerade einmal 37 von über 550 untersuchten Wasserkörpern (etwa 7 Prozent) erreichen mit "gutem Zustand" die Note 2.

Mit "mäßig" wird der Zustand von 31 Prozent der Fließgewässer bezeichnet, mit "unbefriedigend" 36 Prozent. Jeder vierte Fluss und Bach erhält die glatte Note 5 - schlecht.

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Die Note 1 sucht man bei der Gesamtbewertung eines Fließgewässers in Sachsen vergeblich.

Die Elbe erhält, auch aufgrund nationaler Anstrengungen, die Note 3. Der Fischbestand ist sogar gut. Auch der Zustand von vereinigter Mulde (ab Döbeln), der Weißen Elster (bei Leipzig) und Lausitzer Neiße (ab Rothenburg) werden mit mäßig eingeordnet.

Große Sorgenkinder sind vor allem die kleinen Flüsse und deren Zuläufe im Flachland. So sind Parthe (bei Leipzig), Schwarzwasser (Hoyerswerda) oder Döllnitz (Mügeln) nahezu leblose Wasserrinnen.

Deutschland gehört zu den Schlusslichtern

Die Parthe wird als leblose Wasserrinne durch Leipzig geführt.
Die Parthe wird als leblose Wasserrinne durch Leipzig geführt.  © Gerald Krauser

Zur Einordnung: In Deutschland erreichen ebenfalls nur 8 Prozent der Flüsse mindestens die Note 2, Sachsen befindet sich unter den Bundesländern im Mittelfeld.

Doch im Europavergleich, wo bereits 40 Prozent der Fließgewässer mindestens gut bewertet werden, gehört Deutschland zu den Bummelletzten. Nur Ungarn mit einer Zielerreichungsquote von sieben Prozent, Luxemburg (2 Prozent) und Niederlande (1 Prozent) sind noch schlechter.

Daher drohen der Bundesrepublik ab 2027 horrende Strafzahlungen. Bei einem ähnlich gelagerten Fall, der Erfüllung der EU-Nitrat-Richtlinie, gelang es der Bundesregierung im Juni erst kurz vor Ablauf der Frist, ein Zwangsgeld von 1,1 Millionen Euro täglich (!) abzuwenden. Ob das bei der Wasserrichtlinie ebenfalls gelingt, ist zweifelhaft.

Zumindest versuchen die Umweltminister der Bundesländer, die Strafbehörde mit einem "Transparenzansatz" milde zu stimmen. So soll bis 2027 für jeden noch nicht im guten Zustand befindlichen Wasserkörper zumindest ein transparenter und nachvollziehbarer Maßnahmenplan erstellt werden, der dann zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt wird.

Für größere Flüsse ("erster Ordnung") liegen solche Pläne im Groben bereits vor. Für kleinere Fließgewässer ("zweiter Ordnung") sind allerdings die Kommunen zuständig - und hier werden die Wässerchen trübe.

Es fehlt nicht nur an Wasser!

Der Fluss Gottleuba - hier mit Fischtreppe - gilt als einigermaßen gesund.
Der Fluss Gottleuba - hier mit Fischtreppe - gilt als einigermaßen gesund.  © Steffen Füssel

Um die Bürgermeister mit ins Boot zu holen, führte Sachsens Umweltminister Wolfram Günther zuletzt drei Regionalkonferenzen durch. Er stieß bei den lokalen Entscheidungsträgern durchaus auf ein engagiertes Problembewusstsein.

Allerdings formulierten diese auch recht deutlich, woran das Ziel von ökologisch guten Flüssen und Bächen scheitern könnte:

  • Mangelnde Flächen: Im Jahrhundert der Industrialisierung wurde den Gewässern der Platz geraubt. Sie wurden eingemauert, verrohrt, begradigt oder in einen Graben tiefer gelegt. Will man ihnen nun den natürlichen Platz zurückgeben, gehen die Grundstückseigentümer auf die Barrikaden, Ersatzflächen fehlen.
  • Mangelnde Finanzen: Die Leistungsfähigkeit der Kommunen hat sich in den Krisenjahren erheblich verschlechtert. Andere Problemfelder werden priorisiert. Selbst wenn der Freistaat die Maßnahmen mit 90 Prozent fördert, ist der Eigenanteil oft nicht zu stemmen.
  • Mangelndes Fachpersonal: Einen Bach wieder in den natürlichen Zustand zu versetzen, ist eine fachlich extrem komplexe Thematik. Solche Spezialisten findet man eher nicht im Rathaus. Auch die einschlägigen Ingenieurbüros sind spärlich gesät.

Zumindest beim Know-how möchte der Freistaat den Kommunen unter die Arme greifen. Kostenlose Schulungen, Workshops und Konferenzen werden angeboten, dazu die kostenlose Bereitstellung der Fachsoftware für Ingenieurbiologie zur Planung naturnaher und dabei hochwassersicherer Bauweisen.

Auch die Mittel zur Gewässerunterhaltung wurden um fünf Millionen Euro aufgestockt und weitere Fördermittel umgeleitet. Wer da an den Tropfen auf den heißen Stein denkt, liegt vielleicht nicht falsch.

Titelfoto: Bildmontage: picture alliance/dpa, dpa-Zentralbild, Gerald Krauser

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