Als er Bürgermeister wurde, flog Jähn ins All: Sachsens dienstältester Ortschef macht Schluss

Riesa - Als er sein Amt antrat, flog Sigmund Jähn (†82) ins All: Lothar Herklotz (70, CDU) ist seit 1978 hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Röderaue (rund 3000 Einwohner, bei Riesa). Ende Juli hört Sachsens dienstältester Ortschef auf - nach über 44 Jahren im Amt.

Nach 44 Jahren als Bürgermeister macht Lothar Herklotz (70, CDU) Ende Juli Schluss.
Nach 44 Jahren als Bürgermeister macht Lothar Herklotz (70, CDU) Ende Juli Schluss.  © Ove Landgraf

Herklotz setzt sich in sein Büro im Gemeindehaus, schreibt eine E-Mail. "Den ersten Computer hatten wir hier 1990. Teufelszeug, sagten die Mitarbeiter."

Aufgewachsen in Hermsdorf/Erzgebirge, lernte er Baumaschinist, kam nach Frauenhain (heute Ortsteil von Röderaue). Nach seiner NVA-Zeit heiratete er, wollte ein Studium anfangen, bewarb sich darum als Nachwuchskader beim Rat des Kreises. So durfte er Staat und Recht studieren.

Mit 25 Jahren setzte ihn der Rat Anfang 1978 als Bürgermeister Frauenhains ein. Dafür musste Herklotz der SED beitreten. "Ich bin in die Politik gegangen, ohne zu wissen, was das heißt. Die Realität war ernüchternd. Es fehlte an Geld, Baumaterialien und alle Probleme der Gemeinde stürzten auf mich ein."

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Mit Fleiß und Mühe arbeitete er sich durch. Der Rat wies ihn an, einen Blick auf die Schaukästen im Ort zu werfen, damit alles politisch korrekt bleibe. "Aber das habe ich nicht gemacht, es war mir egal."

Nach der Wende wurde er nicht mehr "von oben" eingesetzt, sondern (wieder-)gewählt, 1994 zum Bürgermeister Röderaues. Anders als zu DDR-Zeiten, entschied nicht mehr Herklotz, sondern der Gemeinderat. "Damit ruht die Verantwortung auf breiteren Schultern, was positiv ist", sagt er. "Es gab damals viele Fördermittel. Ich habe dafür Klinken geputzt, Leuten die Bude eingerannt."

Sogar eine Straße ist nach ihm benannt.
Sogar eine Straße ist nach ihm benannt.  © Ove Landgraf

Das Dorf benannte sogar eine Straße nach Herklotz

Im Laufe seiner politischen Karriere schüttelte Herklotz etliche Hände.
Im Laufe seiner politischen Karriere schüttelte Herklotz etliche Hände.  © Montage Ove Landgraf

Es vergingen rasante Jahrzehnte der Entwicklung. Seit 2008 ist Herklotz bei der CDU, deren Vorstellungen seinen am nächsten kommen.

"Der menschliche Zusammenhalt, die Bereitschaft selbst mit anzupacken, war früher größer. Der Umgangston ist rauer geworden", sagt er. "Außerdem erschlägt uns heute die Bürokratie, insbesondere was Fördermittel betrifft. Das bringt uns weit weg von kommunaler Selbstverwaltung", kritisiert er. Streit mit seiner zweiten Frau Kerstin (59) gebe es nur dienstlich: Sie leitet das Hauptamt...

Seine schönsten Momente hatte Herklotz (zwei Kinder, fünf Enkel), wenn er glückliche Kinder erlebte, etwa auf neu gebauten Spielplätzen. Der Gemeinderat benannte anerkennend eine Straße nach ihm.

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"Aber man muss auch Leute enttäuschen. Durch 44 Jahre kommt man als Bürgermeister nicht mit weißer Weste. Es gibt graue Flecken."

So wie eine Disziplinarstrafe des Landratsamtes: Weil Herklotz einen Finanzentscheid selbst traf, anstatt wie vorgesehen der Gemeinderat, kürzte ihm die Behörde 2018 zeitweise seinen Lohn. "Ich habe einen Fehler gemacht. Aber das tat weh." Nicht nur seelisch: In der für ihn schweren Zeit erlitt er einen Herzinfarkt.

Ende Juli endet seine Amtszeit. Nochmals antreten darf er altersbedingt nicht, will auch nicht: Man müsse auch aufhören können. Früher fuhr er gerne Motorrad, nun freut er sich auf mehr Zeit für die Jagd.

Sein Rat für den Nachfolger: "Er soll einen guten Umgang mit den Bürgern pflegen, sich nicht in den Vordergrund stellen, die Tür zum Büro offen lassen. Als Bürgermeister muss man nicht alles selbst machen. Aber man sollte alles wissen."

Titelfoto: Ove Landgraf

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