Stress und Schlafstörungen: Zehntausenden Sachsen macht der Lärm mächtig zu schaffen

Dresden - Lärm macht auf Dauer krank, das ist wissenschaftlich hinreichend bewiesen. Erstmals zeigt nun auch eine Untersuchung auf, bei wie vielen sächsischen Betroffenen dadurch eine starke Belästigung (Stress), starke Schlafstörungen oder die Ischämische Herzkrankheit drohen.

Nicht auszuhalten: 260.000 Sachsen sind nachts gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt. (Symbolbild)
Nicht auszuhalten: 260.000 Sachsen sind nachts gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt. (Symbolbild)  © imago/Panthermedia

Die Zahlen aus dem aktuellen Lärmatlas sind alarmierend: 677.000 Sachsen sind belästigenden Geräuscheinwirkungen durch den Verkehr ausgesetzt. Also etwa jeder Sechste!

Bei rund 260.000 Personen sind die nächtlichen Belastungen gar so hoch, dass bei dauerhafter Einwirkung das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen erhöht ist. Jetzt sollen die Kommunen handeln.

Die im Turnus von fünf Jahren durchzuführenden Verkehrslärmmessungen wurden nun erstmals nach einer neuen EU-Richtlinie durchgeführt, dadurch stieg die Zahl der sächsischen Betroffenen noch an.

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Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) ließ im vergangenen Jahr die Lautstärke an den Verkehrsadern messen, auf denen pro Jahr drei Millionen Fahrzeuge rollen.

Und das sind schon mehr, als man gemeinhin glauben mag. Die Messungen mussten in der Hälfte der 420 sächsischen Gemeinden durchgeführt werden - auf 1500 Kilometer Straße.

Die aktuellen Lärmkarten bestätigen, dass die gesundheitsrelevanten Hotspots insbesondere in den Innenstädten entlang hoch frequentierter Ortsdurchfahrten zu finden sind. Im Einwirkungsbereich von Autobahnen sind die Pegel niedriger, besitzen jedoch ein teils erhebliches Belästigungspotenzial für die Anwohner.

Ein kompletter Lärmatalas für den Freistaat

Nach der Luftqualität ist Lärm die zweitgrößte Umweltgefahr für die körperliche und geistige Gesundheit und das Wohlergehen von Menschen. (Symbolbild)
Nach der Luftqualität ist Lärm die zweitgrößte Umweltgefahr für die körperliche und geistige Gesundheit und das Wohlergehen von Menschen. (Symbolbild)  © 123RF

Von einer Gesundheitsgefährdung wird gesprochen, wenn der Geräuschpegel am Tag dauerhaft über 65 Dezibel (dB) und nachts über 55 Dezibel liegt.

Allerdings gelten bereits 45 dB bei Nacht als Beeinträchtigung, sodass der Schlaf gestört werden kann. Jedoch werden gerade im Umfeld von Hauptverkehrsstraßen nicht selten sogar 75 dB überschritten.

Zum Vergleich: Eine Waschmaschine schleudert mit 75 dB, ein Staubsauger arbeitet mit 70 dB. Auch ein in zehn Metern vorbeifahrender Zug kommt auf einen Schalldruck von 70 bis 75 dB.

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Das LfULG hat nun den kompletten Lärmatlas für Sachsen online gestellt - hier erfährt jeder Einwohner die Belästigung an seinem Wohn- oder Arbeitsort.

Neben den eng getakteten Fahrplänen in den Großstädten lärmt die Bahn vor allem im Elbtal und auf der Strecke zwischen Riesa und Halle.
Neben den eng getakteten Fahrplänen in den Großstädten lärmt die Bahn vor allem im Elbtal und auf der Strecke zwischen Riesa und Halle.  © imago/Jan Huebner

Den meisten Lärm ertragen müssen die Leipziger. Tagsüber werden 82.000 Personen vom Verkehrslärm belästigt, nachts müssen mit 107.000 Betroffenen gar jeder sechste Einwohner ein Dröhnen über das gesunde Maß hinaus hinnehmen. Besonders die Bereiche um den Tröndlinring und am Hauptbahnhof sind in die Warnfarbe Lila getaucht.

Auch Anwohner in kleineren Städten müssen leiden

Dresdens lauteste Stelle: die Kreuzung von Stauffenbergallee und Königsbrücker Straße.
Dresdens lauteste Stelle: die Kreuzung von Stauffenbergallee und Königsbrücker Straße.  © Steffen Füssel

In Dresden werden am Tag 42.000 und nachts 52.000 Anwohner über Gebühr beeinträchtigt. Größter Krachmacher ist die Kreuzung Stauffenbergallee/Königsbrücker Str. in der Neustadt: Tagsüber werden 75 dB oft überschritten, und nachts entstehen ebenfalls Schallstärken von mehr als 65 dB.

In Chemnitz sind nachts 32.000 Einwohner gesundheitsgefährdenden Lärm ausgesetzt, als lauteste Stelle gilt die Zwickauer Straße/Falkeplatz.

Auch in kleineren Städten müssen tausende Bewohner nachts einen Lärm von mehr als 55 dB ertragen: Aue (1550), Bautzen (4300), Freiberg und Freital (je 3300), Görlitz (2800), Kamenz und Limbach-Oberfrohna (je 1050), Markranstädt (1250), Meißen (1700), Mittweida (1000), Pirna (2850), Plauen (4700), Radeberg (1600), Torgau (1800), Zittau (2150) und Zwickau (4000). Hingegen liegen beispielsweise Delitzsch oder Geithain komplett unter den Grenzwerten.

Die Studie kam zu dem Fazit, dass in Sachsen im gesundheitsrelevanten Bereich 128.500 Menschen starken Belästigungen ausgesetzt sind, bei 44.000 mit starken Schlafstörungen zu rechnen ist und bei 234 lärmbedingt eine Ischämische Herzkrankheit droht.

Der Falkeplatz an der Zwickauer Straße ist die lauteste Ecke von Chemnitz.
Der Falkeplatz an der Zwickauer Straße ist die lauteste Ecke von Chemnitz.  © Ralph Kunz

Tagsüber sind auch an 83 Schulen mehr als 65 dB gemessen worden, bei 446 Lehreinrichtungen über 55 dB.

Es besteht Handlungsbedarf

Norbert Eichkorn sieht will etwas gegen den Lärm unternehmen.
Norbert Eichkorn sieht will etwas gegen den Lärm unternehmen.  © Petra Hornig

LfULG-Präsident Norbert Eichkorn: "Die hohe Zahl der von Lärm Betroffenen und die damit einhergehende Gesundheitsrelevanz verdeutlicht nachhaltig den Handlungsbedarf."

So sollen die betroffenen Gemeinden bis zum 18. Juli 2024 eine Lärmaktionsplanung beschließen, um dann geeignete Maßnahmen durchzuführen. Der Freistaat verspricht finanzielle Unterstützung, doch auch hier wird der Fördertopf wohl sehr schnell überzeichnet sein.

Die konkrete Lärmbelästigung durch die Eisenbahn kann man im Internet erkunden. Außer auf den Gleisen in den drei kreisfreien Städten lassen die Züge es besonders auf den Strecken im Elbtal richtig laut krachen, auch zwischen Riesa und Halle macht die Bahn viel Radau.

An dieser Strecke liegt auch Schkeuditz, welches auch Namensgeber für ein nahes Autobahnkreuz ist. Hier findet man die lauteste stadtnahe nächtliche Lärmquelle Deutschlands: den Flughafen Leipzig-Halle.

Als Autofahrer ärgert man sich über den Verkehr. Dass man mit Lärm selbst für großen Ärger sorgt, ist meist nicht bewusst. (Symbolbild)
Als Autofahrer ärgert man sich über den Verkehr. Dass man mit Lärm selbst für großen Ärger sorgt, ist meist nicht bewusst. (Symbolbild)  © Generative AI

Laut LfULG werden tagsüber 9074 Personen gesundheitsrelevanter starker Belästigung ausgesetzt, und nachts erleiden 5697 Anwohner das Risiko starker Schlafstörungen.

Hoffnung gegen den Fluglärm?

Der Flughafen in Schkeuditz ist die größte nächtliche Lärmquelle Deutschlands. Die DHL will noch erweitern.
Der Flughafen in Schkeuditz ist die größte nächtliche Lärmquelle Deutschlands. Die DHL will noch erweitern.  © imago/Scanpix

Aberwitzigerweise plant der Freistaat (70 Prozent Anteilseigner des Flughafens) einen weiteren Ausbau des Frachtumschlagplatzes.

So möchte etwa die DHL die Flugzeugstellplätze - in Hörweite der Schkeuditzer Wohnbebauung - von 60 auf 96 erhöhen und die Zahl der nächtlichen Flüge bis 2032 um 50 Prozent erhöhen. Eine Petition dagegen sammelte 10.000 Unterschriften, die Einspruchsfrist gegen das Planvorhaben läuft bis übermorgen (4. September).

Viel Hoffnung haben die Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm allerdings nicht.

Obwohl sie in den letzten Jahrzehnten die besseren Argumente stets auf ihrer Seite hatten, setzte die Politik gemeinsam mit der Wirtschaft bisher jeden Ausbauplan durch.

Titelfoto: Bildmontage: imago/Panthermedia//Steffen Füssel//Ralph Kunz//imago/Scanpix

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