Sachsens größter Hochstapler? Vor 20 Jahren flog Arzt-Trickser Gert Postel auf

Im Januar 1999 begann der Prozess am Leipziger Landgericht gegen Hochstapler Gert Postels.
Im Januar 1999 begann der Prozess am Leipziger Landgericht gegen Hochstapler Gert Postels.  © DPA

Leipzig - Er brachte es von der Straße auf den Oberarztsessel. Fast zwei Jahre praktizierte der gelernte Postbote ohne einschlägige Ausbildung in der psychiatrischen Klinik Zschadraß bei Leipzig. Mit gefälschten Papieren hatte Gert Postel sich die Stelle erschwindelt. Er schreckte selbst davor nicht zurück, psychiatrische Gutachten für Gerichte zu erstellen.

Zum Verhängnis des bei Bremen geborenen Mannes wurde im Juli vor 20 Jahren die Einstellung einer Mitarbeiterin, deren Wurzeln bis nach Norddeutschland reichten.

Es kam schnell heraus, dass es sich bei Postel um einen einschlägig vorbestraften Hochstapler handelte. Als Amtsarzt "Dr. Dr. Bartholdy" hatte er seine Karriere in Flensburg begonnen.

Dort flog er auf, weil er eine Ausweishülle mit falschen Dokumenten verloren hatte.

Nachdem sein erneuter Schwindel in Zschadraß aufgedeckt worden war, tauchte Postel im Juli 1997 unter und war zunächst nicht auffindbar.

Postels wurde zu vier Jahre Gefängnis verurteilt.
Postels wurde zu vier Jahre Gefängnis verurteilt.  © DPA

"Alle Hochstapler haben eines gemeinsam: Sie sind gute Schauspieler, nehmen den Fachjargon der jeweiligen Berufsgruppe an und haben ein großes Selbstbewusstsein", erläutert Marco Löw, der 15 Jahre bei der Kriminalpolizei München als Vernehmer und Experte für Betrug tätig war.

Auch Postel habe diese Rolle offenbar gut ausgefüllt, sagt Löw, der heute als Berater tätig ist und unter anderem bei großen Unternehmen Vorträge zum Thema hält, wie man Menschen entschlüsselt.

Die notwendigen Unterlagen für eine Bewerbung zu beschaffen, sei recht einfach, besonders im digitalen Zeitalter. "Wenn die Personalchefs jedoch bei einer Bewerbung gezielt fragen würden, wäre eine Enttarnung durchaus möglich", so Löw.

Im Mai 1998 wurde Postel in Stuttgart festgenommen. Im Januar darauf begann der Prozess am Landgericht Leipzig.

Der Vorsitzende Richter Erich Draht hatte angesichts eines gewaltigen öffentlichen Interesses den größten Saal für die Verhandlung bestimmt, doch der reichte nicht aus. Viele Besucher mussten abgewiesen werden.

Das Gericht sprach Postel des Betruges teilweise in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen schuldig. Postel erhielt vier Jahre Gefängnis.

"Das akademische Kapitel meines Lebens ist nun abgeschlossen", hatte Postel auf die Frage des Vorsitzenden Richters geantwortet, wie es nun weiter gehen solle. Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Jahr 2001 veröffentlichte der heute 59 Jahre alten Postel, der sich nicht mehr zu seiner Geschichte äußern wollte, unter anderem das während der Haftzeit verfasste Buch "Doktorspiele - Geständnisse eines Hochstaplers".

Heute lebt Gert Postel in Tübingen. Einer breiten Öffentlichkeit zeigte er sich zuletzt in der Talkshow "Schulz & Böhmermann". Postel betreibt einen Twitter-Account mit mehr als 9000 Followern.

Titelfoto: DPA