Eklat um Tom Radtke: Linker Kandidat greift Kiez-Legende Kalle Schwensen an

Hamburg - Der 18-jährige Schüler Tom Radtke trollt die Bürgerschaftswahl in Hamburg jetzt nicht mehr nur im Netz.

Tom Radtke (rechts) demonstrierte Anfang Januar mit Fridays for Future vor der Hamburger Siemens-Niederlassung.
Tom Radtke (rechts) demonstrierte Anfang Januar mit Fridays for Future vor der Hamburger Siemens-Niederlassung.  © Christian Charisius/dpa

Am Freitag präsentierte der Kandidat der Partei die Linke auf Twitter das Foto eines seiner im Stadtgebiet aufgehängten Wahlplakate.

Darauf ist der 18-Jährige vor einem verqualmten Nadelwald zu sehen, im Hintergrund steht Greta Thunberg (17) und hält ein Fridays for Future Logo.

Damit versucht Radtke auf der Klimaschutzwelle ins Parlament zu kommen. Gleichzeitig macht er sich auf seinem Werbeflyer über die Klimaaktivistin lustig, darin steht der falsche Nachname "Thunfisch".

Auf seinem Plakat findet sich ein weiterer Seitenhieb auf die 17-Jährige. Da Wahlwerbung einer Impressumspflicht unterliegt, muss der Name des Verantwortlichen und dessen Anschrift darauf zu finden sein.

Auf dem von Radtke geteilten Foto ist der Name Svante Thunberg, Gretas Vater, und eine Adresse in Stockholm, Schweden, zu sehen. Die Angabe ist offensichtlich falsch und passt in das von Radtke entfesselte Politdrama.

Das kann ihn teuer zu stehen kommen. Verstöße gegen die Impressumspflicht werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet und in Hamburg mit Bußgeldern von bis zu 5000 Euro belegt.

Doch das ist nicht alles, was an Radtkes Wahlplakaten sauer aufstößt. Über Nacht seien in mehreren Stadtteilen Wahlplakate der Partei mit dem Konterfei des Schülers überklebt worden, erklärte Linken-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack gegenüber TAG24. Ob es der 18-Jährige oder Sympathisanten waren, ist unklar.

Politdrama begann mit einer Holocaust-Gleichsetzung

Auf seiner Facebookseite verbreitete Tom Radtke seine Aussage zu Holocaust und Klimawandel.
Auf seiner Facebookseite verbreitete Tom Radtke seine Aussage zu Holocaust und Klimawandel.  © Screenshot/Facebook/tomradtke.de

Auf das Überkleben machte Wittmaack seine Parteigenossen am Freitag per E-Mail aufmerksam. Wer betroffen sei, könne sich Ersatzplakate abholen. Diese Nachricht machte Radtke öffentlich und interpretierte sie als Aufruf zur Sabotage.

"Die Parteispitze versucht mit allen Mitteln meine Wahl zu verhindern. Hat da jemand Angst?", schrieb der junge Mann in Märtyrer-Manier.

Für die Linke ist Radtke tatsächlich zum Problem geworden. Es begann mit einem geschmacklosen Tweet am Auschwitz-Gedenktag, in dem er den Holocaust mit dem Klimawandel gleichsetzte.

Daraufhin hat die Partei ihr Mitglied zum Gespräch gebeten, doch nach zahlreichen anscheinend erfolglosen Kontaktversuchen wollte die Linke den Schaden begrenzen und leitete ein Ausschlussverfahren ein.

Das läuft noch immer, machte Landesgeschäftsführer Wittmaack klar, auch wenn Radtke mehrfach das Gegenteil behauptet hat. Inzwischen dürften weitere Ausschlussgründe hinzugekommen sein. Der 18-Jährige wirft mit Schmutz um sich und zielt dabei häufig auf Parteifreunde.

Nach einem kritischen Tweet des Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi (39) aus Hamburg macht ihm Radtke außereheliche Affären zum Vorwurf, obwohl De Masi nicht mal verheiratet ist.

Auch dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (56) drohte er, sonst "ergehe es ihm wie seinem ehemaligen Fraktionskollegen Edathy."

Tom Radtke bezichtigt Parteifreundin der Prostitution

Kalle Schwensen gilt als typische Hamburger Kiez-Legende. (Archivbild)
Kalle Schwensen gilt als typische Hamburger Kiez-Legende. (Archivbild)  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Neuestes Ziel der Angriffe: Linda Moulhem Arous (21). Die Kandidatin der Linken reagierte am Freitag mit folgenden Worten auf die überklebten Wahlplakate.

"Es ist so unsolidarisch Plakate von der Partei zu sabotieren! Wenn nötig, werde ich deine persönlich überkleben. Alle, die mir dabei helfen wollen, meldet euch gerne", schreib sie.

Daraufhin griff Radtke in die unterste Schublade. Arous "erhält jetzt Unterstützung vom Hamburger Star-Zuhälter Kalle Schwensen. Ob sie für ihn 'arbeitet'? Hat er sie an Fabio 'vermittelt'?" Frauenfeindlicher geht es kaum.

Grund für Radtkes absurde Prostitutions-Unterstellung ist ein Facebook-Post von Schwensen, in dem die Kiez-Legende für Arous wirbt, die er seit Jahren kenne. Zuhälter ist und war der 66-Jährige übrigens nicht, auch wenn sein Auftreten es nahe legen mag.

Schwensen ließ die Behauptungen nicht unkommentiert, schrieb von "infamen Unterstellungen" und einer "erbärmliche Reaktion". Der Post zeige, "welch geistig unterbelichteter junger Mann er ist".

"Charakterlose Personen wie den Intriganten Tom Radtke sollte man meiner Meinung nach nicht in politische Positionen wählen, denn es gibt schon genug Verstörte in der Politik", schrieb die Kiez-Legende.

Medienanwalt Ralf Höcker vertritt Tom Radtke

Mit Greta Thunberg auf seinen Plakaten wirbt Tom Radtke um Stimmen bei der Bürgerschaftswahl.
Mit Greta Thunberg auf seinen Plakaten wirbt Tom Radtke um Stimmen bei der Bürgerschaftswahl.  © Screenshot/Twitter/tomradtkede

Steilvorlage für den Schüler. Radtke sieht sich "indirekt bedroht". An die Antifa Altona Ost, Rote Flora und Rote Hilfe gerichtet fragte er: "Wird die feministische Antifa mir Personenschutz geben?"

Juristische Schützenhilfe bekommt der 18-Jährige seit einigen Tagen von der Kanzlei des bekannten Medienanwalts Ralf Höcker.

Mit der geht Radtke gegen Klimaaktivistin Luisa Neubauer vor, weil die 23-Jährige schrieb, dass sie ihn nicht kenne und ihn später abmahnte, als er eine Sprachnachricht von ihr veröffentlichte.

Anscheinend ist aber auch seine eigene Partei das Ziel einer juristischen Abmahnung.

In dem absurden Politdrama aus populistischen Anschuldigungen, Falschbehauptungen, Abmahnungen und gekränktem Stolz hat sich die Polizei ebenfalls eingeschaltet und ermittelt gegen Radtke.

Fakt ist: So eine Schmutzkampagne gab es noch nie im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf. Da der 18-Jährige trotz Listenplatz 20 direkt in das Parlament gewählt werden könnte, ist die Gefahr einer Fortsetzung über den Wahltag hinaus vorhanden.

Tweets und Facebook-Posts zum Fall Tom Radtke

Titelfoto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa