Nazi-Panzer und Leaks: Eklat um Tom Radtke weitet sich zur daily Freakshow aus

Hamburg - Der Hamburger Bürgerschaftswahlkampf ist inzwischen zu einer Freakshow um Tom Radtke, einen Kandidaten der Linken, verkommen.

Auf seiner Facebookseite verbreitete Tom Radtke seine Aussage zu Holocaust und Klimawandel.
Auf seiner Facebookseite verbreitete Tom Radtke seine Aussage zu Holocaust und Klimawandel.  © Screenshot/Facebook/tomradtke.de

Für die Partei wird der 18-jährige Schüler mehr und mehr zum Problem. Und das, obwohl die Linke sehr schnell auf die kruden Aussagen ihres eigenen Kandidaten reagiert und klare Kante gezeigt hat. Sogar ein Ausschlussverfahren läuft.

Ein politisches Drama, das am Ausschwitz-Gedenktag damit begann, dass Tom Radtke eine mehr als geschmacklose Gleichsetzung des Holocaust mit dem Klimawandel veröffentlichte und von Nazis als "den größten Klimasünder*innen" fabulierte.

Daraufhin startete der Aufstieg des bis dato unbekannten Jungpolitikers zur Internet-Berühmtheit.

Die Linke distanzierte sich von der Aussage, ebenfalls die Hamburger Ortsgruppe von Fridays for Future, mit deren Logo Tom Radtke für sich wirbt und zu denen er sich zugehörig fühlt.

Auf Kritik und Distanzierung reagierte der junge Erwachsene am Freitag mit einem Gegenangriff. Er kündigte an, "dreckigen Geheimnisse (z. B. "den Pädophilen bei FFF Hamburg)" öffentlich zu machen.

Wüste Drohung gegen SPD-Bundestagsabgeordneten

Auf seinem Twitter-Profil veröffentlichte Tom Radtke stündlich erschütternde Aussagen.
Auf seinem Twitter-Profil veröffentlichte Tom Radtke stündlich erschütternde Aussagen.  © Screenshot Twitter/tomradtkede

Nachdem der SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (56) aus Hamburg auf Twitter polterte, warum Radtke nicht gestoppt werde, drohte ihm dieser.

Er solle aufzupassen, "sonst ergeht es ihm wie seinem ehemaligen Fraktionskollegen Edathy. Ich kenne die Namen einiger seiner Opfer." In die Angelegenheit hat sich mittlerweile auch die Polizei Hamburg eingeschaltet und Ermittlungen aufgenommen.

Auch Parteifreunde sind nicht vor Radtkes Schlammschlacht gefeit. Dem Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi (39) aus Hamburg schrieb der 18-Jährige nach einem kritischen Tweet zwei außereheliche Affären zu, obwohl De Masi nicht mal verheiratet ist.

Sehr schnell stellten sich Rechtsextreme um den Kopf der Identitären Martin Sellner (31) auf die Seite von Radtke und unterstützen ihn. Ganz nach dem Motto: Endlich ein Linker, der über Fridays for Future und die Grünen auspackt sowie ihrer Hassfigur Kahrs droht!

Die Klimabewegung sei grün unterwanderter Sumpf voller Mobbing, schrieb Radtke. Schließlich kündigte er für Samstagabend "heftige Leaks" in einem Livestream auf der Plattform Twitch an.

Anstatt auf Fragen einzugehen, begann er im Kriegsspiel "Hearts of Iron 4" das Deutsche Reich zu spielen. Begründung: "Ich wurde kritisiert, dass bei mir Geschichtswissen fehlt". Dem NDR-Kandidaten-Check sagte Radtke übrigens, dass sein Herz für Geschichte und Informatik schlage.

Während der Schüler als "Deutsches Reich" im Stream anfing, in Europa einen Vernichtungskrieg zu entfesseln, wurde der Chat mit zahlreichen geschmacklosen und rechtsextremen Kommentaren der Zuschauer geflutet.

Nach einer halben Stunde hatte der Spuk ein Ende, Twitch sperrte Radtkes Account. Der regte sich tierisch auf und schrieb in bester Wutbürger-Manier: "Die Wahrheit kann nicht unterdrückt werden."

Rechtsextreme Rapmusik im Stream des linken Nachwuchspolitikers

Zwei Stunden spielte Tom Radtke das Kriegsspiel "Hearts of Iron 4" im Livestream.
Zwei Stunden spielte Tom Radtke das Kriegsspiel "Hearts of Iron 4" im Livestream.  © Screenshot/Twitch/tomradtkede

Für Sonntagabend kündigte er erneut einen Livestream an. "Mit kleiner Überraschung zu Luisa Neubauer..."

Außerdem teilte er ein Facebook-Eintrag der vermeintlichen Linksjugend Hamburg. Das einzige Problem daran: Auf die Facebook-Seite hat die Linksjugend seit Monaten keinen Zugriff und die Pressemitteilung ist ein Fake.

Statt der versprochenen Leaks mussten die Zuschauer des Livestreams am Sonntagabend mehrere #RadtkeMemes (O-Ton: "nicht schlecht, nicht schlecht") und mehr als zwei Stunden Kriegsspiel (dieses Mal nahm er die Sowjetunion) über sich ergehen lassen.

Untermalt wurde das Ganze von einer absurden Musikmischung. Die Zuschauer bekamen sozialistische Lieder aus der ehemaligen DDR sowie einen Song des rechtsextremen Rappers Chris Ares (28) zu hören.

Luisa Neubauer (23) war dann doch kurz Thema. Eine Audioaufnahme sollte beweisen, dass sie Tom Radtke kenne, versprach er, was sie zuvor vehement bestritten hat. Doch statt Persönlichem ist dort nur zu hören, wie die Klimaaktivisten sagt, dass sie aus Hamburg stamme und sich weiter mit der Stadt verbunden fühle.

Geschickt angekündigt, doch nichts außer heißer Luft geliefert. Tom Radtke handelt wie ein typischer Troll. Er pöbelt, wirft mit Schmutz um sich und liefert für keine seiner Anschuldigungen Beweise. Ist das seine Wahlkampfstrategie, nachdem er seine erste politische Botschaft auf Kritik getroffen ist?

Zwar steht Radtke auf dem hinteren Listenplatz 20 der Linken, doch mit genug Stimmen könnte er bei der Bürgerschaftswahl auch direkt gewählt werden. Auf sein Mandat will er nicht verzichten, sagte er am Freitag zu TAG24. Das politische Drama ist noch nicht zu Ende.

Tweets zum Fall Tom Radtke

Titelfoto: Montage: Screenshot/Twitter/tomradtkede, Screensho