Union-Berlin-Blog: Der so wichtige Dezember, Teil 1: Heimspiel gegen Gladbach

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Beecke (Christian Beeck, 50), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union, lebt heute an der Küste, hat 2 Kinder und arbeitet als Geschäftsführer bei Energy World.

Icke (Jürgen Heinemann, 58) ist seit 1975 Unioner, als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig, stammt ursprünglich aus der IT-Branche, ist verheiratet, hat 1 erwachsenes Kind, lebt heute in Grünheide - im Speckgürtel Berlins und arbeitet bei TAG24.

Union Berlin reist nach Spielabsage immerhin mit einem Treffer aus München ab
1. FC Union Berlin Union Berlin reist nach Spielabsage immerhin mit einem Treffer aus München ab

Unionfux (Tobias Saalfeld, 54) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

7. Dezember: Der so wichtige Dezember, Teil 1: Heimspiel gegen Gladbach

Durch die Spielabsage in München hat Union-Coach Nenad Bjelica (52, M.) viel Zeit, um seine Mannschaft auf das wichtige Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach vorzubereiten.
Durch die Spielabsage in München hat Union-Coach Nenad Bjelica (52, M.) viel Zeit, um seine Mannschaft auf das wichtige Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach vorzubereiten.  © Matthias Koch/dpa

Unionfux: Der Spielausfall gegen die Bayern ist ein Vorteil, findet unser neuer Trainer Nenad Bjelica: Mehr Zeit, um neue Spielformen zu trainieren und die Mannschaft wieder in die Nähe einer guten Form zu rücken. Im Kopf und in den Beinen, um wieder einen ernstzunehmenden Gegner darzustellen und nicht das beliebteste Opfer der Liga. Spieler wie Becker und Khedira kehren wieder zurück und wichtige Optionen wie Schäfer rücken noch näher an die Mannschaft ran.

Zudem hat der nächste Gast in der Alten Försterei, die Borussia aus Mönchengladbach, zwei Spiele mehr in den Beinen, eher zweieinhalb, denn am Dienstag mussten sie gegen Wolfsburg in die Verlängerung. Das ist auf jeden Fall kein Nachteil für uns, ob es hingegen tatsächlich ein spürbarer Vorteil ist, das wird sich am Samstag zeigen. Sicherlich sind die Gladbacher Borussen, nachdem sie wie wir schwer in die Saison reingekommen sind, im Aufwind, aber nichtsdestotrotz ein immer noch machbarer Gegner.

Wir können jetzt ohnehin nicht anfangen, über jeden der kommenden Kontrahenten die Stirn zu runzeln und zu seufzen, was für eine schwierige Aufgabe das doch ist - das wäre einfach der grundfalsche Ansatz. Absolute Mindestanforderung aus den letzten drei Spielen dieses Jahres sind eigentlich sieben Punkte, denn ansonsten wird die Rückrunde zu einer immer größeren Hürde. Dann stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Bundesliga in unserer jetzigen Lage nicht grundsätzlich zu stark für uns ist? Irgendjemand müssen wir ja nun mal schlagen, um die Klasse zu halten.

Wird die Spielabsage für Union Berlin zum Glücksfall?
1. FC Union Berlin Wird die Spielabsage für Union Berlin zum Glücksfall?

Und wenn wir jetzt nicht anfangen zu gewinnen, wann dann? Noch sind die Abstände ins untere Mittelfeld nicht zu groß und nach sechzehn sieglosen Pflichtspielen in drei grauenhaften Monaten muss endlich für die Tabelle gewonnen werden und fast noch mehr für den Kopf - haben wir nicht schon alle fast vergessen, wie sich ein Sieg anfühlt? Demut haben wir mittlerweile genug getankt, das reicht für ein ganzes Jahrzehnt. Also bitte!! Bjelica sprach in dieser Woche mit Sky und deutete in dem Interview drei bis vier Winterzugänge an, sowohl für Abwehr als auch Mittelfeld und Sturm, unstrittig Leute, die uns sofort weiterhelfen müssen, ja eigentlich Unterschiedsspieler, regelrechte Gamechanger. Keine einfache Aufgabe für Oliver Ruhnert, denn zu keiner Zeit hing wohl mehr vom Goldenen Händchen des Geschäftsführers Sport ab als jetzt.

Möglicherweise verlassen uns ja auch noch einige Spieler, ganz so groß muss der Kader ja bei einem verbliebenen Wettbewerb auch nicht sein - falls nicht noch ein mittleres Wunder gegen Real passiert. Entscheidend wird der Dezember also vielleicht nicht, immerhin verbleiben uns ja noch 19 Spiele in der Rückrunde, vorentscheidend hingegen schon. Wäre so schön und wichtig, wenn man einigermaßen entspannt unterm Weihnachtsbaum sitzen könnte - der Anfang wird am Samstag gemacht!

3. Dezember: Drei Punkte gegen Gladbach sind existenziell

Kämpfen und siegen: Union Berlin steht am kommenden Samstag ein überaus wichtiges Heimspiel gegen Gladbach bevor.
Kämpfen und siegen: Union Berlin steht am kommenden Samstag ein überaus wichtiges Heimspiel gegen Gladbach bevor.  © Matthias Koch/dpa

Icke: Der erste Gedanke bei einer Spielabsage ist eigentlich immer, hat die Heimmannschaft Angst? Nun so weit würde ich im Fall der Bayern nicht gehen. Wir haben ja auch die Schneemassen und Informationen aus München gesehen. Schade nur um die Tausenden Berliner, die wohl in der Mehrzahl alle morgens gegen 6 Uhr losfuhren oder wollten. Denn die Züge nach München fuhren ja auch nicht. Wer nun schon da war und von der Absage überrascht wurde, hat gleich dreifach Pech. Kein Spiel, miese Rückreise und Geld verloren.

Vielleicht lassen sich die Bayern und Union ja etwas Besonderes einfallen, um die Betroffenen ein wenig zu entschädigen. Ganz besonders verrückt und traurig waren zwei Amerikaner, die extra zum Spiel aus den USA angereist waren. Wem nützt die Absage mehr? Wahrscheinlich Union. In der derzeitigen Verfassung wären wir wohl nur ein Spielball gewesen. Jetzt, wo das Spiel, Gerüchten nach, erst im Januar wiederholt wird, kann sich die Mannschaft "fangen". Doekhi und Becker können ihre Verletzungen auskurieren und Schäfer hat mehr Zeit in Form zu kommen.

Selbstbewusstsein tanken ist eine weitere Aufgabe für alle. Nun empfangen wir nächsten Samstag Gladbach. Diese konnten gerade ihr Heimspiel gegen Hoffenheim gewinnen. Auch das könnte ein weiterer Vorteil werden. Dem letzten Bundesliga-Unentschieden (und gefühltem Sieg) gegen Augsburg und auch dem folgenden Braga-Remis - vielleicht einen Heimsieg anzuhängen. Dann können wir von einem gelungenen Einstand des neuen Trainers sprechen.

Ein großer Unioner wird 75 Jahre alt. Detlef Schwarz war Spieler bei Union, Trainer bei Union und Technischer Leiter. Von 1966 bis 1978 war er Spieler und Trainer. Danach war er auch noch (ein erfolgreicher) Trainer bei Lichtenberg 47 und KWO (auch in Prenzlau und beim SVM Köpenick) und kam zurück. Seit nunmehr gefühlt ewigen Zeiten betreut er unsere "Alten Herren". Solche Kicker, die fast ihr ganzes Leben bei einem Verein verbringen, gibt es kaum noch. Schwarz hätte auch etwas anderes machen können. Entgegen dem heutigen Trend bei Fußballern, hat Schwarz ganz konservativ erst seinen Diplom-Sportlehrer abgeschlossen, um dann Sportwissenschaften zu studieren und abzuschließen. Außer vielleicht Oskar Kosche, ist mir kaum jemand bekannt, dem das so gelang. Gut zu wissen, dass solche klugen Köpfe bei uns sind! Alles Gute nachträglich zum Geburtstag.

Am 2. Dezember gab's wieder die Berliner Bären. Die besten Mannschaften und Trainer wurden geehrt. Und wir? Natürlich waren wir die beste Mannschaft Berlins und Urs Fischer auch der beste Trainer. Ein kleines Dankeschön an Team und Trainer der letzten Saison. Davon wird man noch in vielen Jahren sprechen."Nena" Bjelica hat jetzt ein Woche Zeit, um die guten Ansätze - jeweils eine Halbzeit Braga und Augsburg - mit Punktgewinnen zu nutzen, um die Mannschaft aufzubauen. Keine leichte Aufgabe. Aber wir trauen sie ihm zu. Stück für Stück wird es vorangehen, wahrscheinlich nicht mit Hauruck-Events. Ein Sieg gegen Gladbach wird enorm wichtig werden, um nicht am Ende der Saison ins schwimmen zu kommen. Auf geht's und Eisern!

30. November: Zu wenig in Braga

Für Union Berlins Josip Juranovic (28, l.) gab es auch in Braga wieder kein Sieg zu holen.
Für Union Berlins Josip Juranovic (28, l.) gab es auch in Braga wieder kein Sieg zu holen.  © Luis Vieira/AP

Unionfux: So, das war er jetzt, der November, auch bekannt als der dritte sieglose Monat in Folge - unfassbar. Dabei sieht es erstmal ganz gut aus beim Champions League-Auswärtsmatch in Braga, wir sind ganz ordentlich im Spiel, nach einer halben Stunde ist der Gegner nach einem Tritt von hinten mit offener Sohle gegen Behrens nur noch zu zehnt und dann gehen wir nach einer ebenso sehenswerten wie konsequenten Kombination über Khedira, Roussillon und Gosens in Führung - das sieht nach Fussball aus.

Und als wir noch eine höchst kritische Situation, zuerst rettet Rönnow bravourös, dann Behrens auf der Linie und schließlich blockt Leite, unbeschadet überstehen und die knappe Führung mit in die Pause nehmen, haben wir eigentlich beste Voraussetzungen, den Portugiesen drei Punkte abzuknöpfen.

Was dann jedoch nach der Pause passiert, ist das mittlerweile mehr als sattsam bekannte Szenario: wir hören auf, Fussball zu spielen und nach einem haarsträubenden und unnötigen Pass von Knoche direkt in die Füße des Gegners, der daraufhin eiskalt zum Ausgleich kontert, verlieren wir völlig den Zugriff aufs Spiel und müssen in der Folge froh sein, dass Braga seine guten Chancen nicht zur Führung nutzt. Nach vorne läuft dagegen ziemlich wenig, bis auf zwei Chancen kurz vor Schluss: doch der eingewechselte Fofana köpft aus guter Position drüber und grätscht kurz darauf knapp am Ball vorbei, jeweils auf Flanke des agilen Roussillon. So kann man leider kein Spiel gewinnen, auch nicht dieses, es bleibt beim eher glücklichen Unentschieden, dass ein internationales Überwintern weitgehend unwahrscheinlich macht.

Das ist sicher nicht so schlimm, da der Fokus ab jetzt doch auf der Bundesliga liegen muss, aber die Art und Weise der zweiten Hälfte macht auch relativ wenig Hoffnung, selbst die so oft zitierten Basics bereiten offensichtlich weiterhin große Probleme. Und man hat in der zweiten Hälfte nicht das Gefühl, dass die Jungs das Spiel wirklich gewinnen wollen, zu zaghaft sind die Bemühungen, zu unkonzentriert die Aktionen und die Körpersprache mutlos. Doch im Dezember muss es nun wirklich entscheidend nach vorn gehen, zumindest in den drei Spielen gegen Gladbach, in Bochum und gegen Köln muss gepunktet werden, nach Möglichkeit gewonnen, sonst sind die Voraussetzungen für das nächste Jahr denkbar schwierig.

Aber dazu muss wieder eine Mannschaft auf dem Rasen stehen, die diesen Namen auch verdient und fast der gesamte Kader leistungsmäßig mächtig und endlich aus dem Knick kommen. Auf den neuen Trainer Nenad Bjelica wartet jede Menge Arbeit, leider ist dazu nicht allzuviel Zeit: fünf Spiele in den nächsten knapp drei Wochen warten auf uns. Ein bisschen Wunder wäre jetzt wirklich ganz gut…

27. November: Bjelica - der kroatische Magath ist neuer Trainer bei Union

Präsident Dirk Zingler (59, l.) und Manager Oliver Ruhnert (52, r.) haben am Sonntag ihren neuen Trainer Nenad Bjelica (52) offiziell vorgestellt.
Präsident Dirk Zingler (59, l.) und Manager Oliver Ruhnert (52, r.) haben am Sonntag ihren neuen Trainer Nenad Bjelica (52) offiziell vorgestellt.  © Matthias Koch/dpa

Icke: Oha, der Mann ist sehr selbstbewusst, sehr geradlinig und alle Spieler, die keine Leistungen bringen, haben ein Problem mit ihm. Die anderen Spieler sind seine Freunde. So äußerte er sich sinngemäß bei seiner Einführungs-Pressekonferenz.

Die Einstellung stimmt. Er möchte am Mittwoch in Braga gewinnen und auch Tage später bei den Bayern. Jedes Spiel will er ziehen. Das nimmt man ihm ab. Das Bjelica bis zum Champions-League-Duell mit Braga aber nur zwei Trainingstage Zeit hat, weiß er. Im Gegensatz zu Magath und seinen Medizinbällen, setzt er kurzfristig auf viele Gespräche mit den Spielern. Sollte es ihm gelingen, auch nur Teile seines enormen Selbstbewusstseins auf die Union-Spieler zu übertragen, so können die Eisernen tatsächlich in Braga gewinnen. Schauen wir mal.

Tage später beim FC Bayern wird das dann noch eine ganz andere Nummer. Mit welchem Plan Bjelica nach München fährt, das wird spannend zu sehen. Ich vermute, mindestens das dritte Spiel von ihm wird "knallen". Drei Tage nach Nikolaus hat Union ein Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Die Konstellation neuer Trainer, neue Anreize, aufpeitschendes Publikum könnte dann für drei Punkte sorgen. Am 12. Dezember empfangen wir dann "Aufbaugegener" Real Madrid, um dann die wohl wichtigsten Spiele der ersten Halbserie zu absolvieren.

Auswärts in Bochum (16. Dezember) und vier Tage darauf zu Hause gegen Köln muss Union punkten, um 2024 noch eine realistische Chance auf den Bundesligaverbleib zu haben. Sollte zwischendurch noch eine Überraschung passieren, nehmen wir sie gern mit. Grundsätzlich müssen die restlichen 2023er Heimspiele gegen Gladbach und Köln gewonnen werden. Da reichen auch keine Unentschieden. Sollte Bjelica das schaffen und vielleicht in Bochum noch einen Punkt holen, dann haben Zingler und Ruhnert mit diesem Trainerwechsel alles richtig gemacht.

Für den Spieler-Kader von Union beginnt auch eine spannende Zeit. Für zarte Gemüter ist Bjelica sicherlich nichts. Der eine oder andere wird sich auf der Bank wiederfinden. Wenn so ein Großteil der Spieler wieder zu Normalform findet, hat Union alles richtig gemacht. Und natürlich können Kicker wie Volland und Gosens viel mehr, als sie bisher gezeigt haben. Sie sind ja auch zu Union gewechselt, um wieder in die deutsche Nationalmannschaft zu kommen. Auf gehts Union - kämpfen und siegen! Eisern!

26. November: (Nur) ein Punkt gegen Augsburg und ein neuer Trainer

Gegen Augsburg reichte es für Union Berlin in der Alten Försterei nur für einen Punkt.
Gegen Augsburg reichte es für Union Berlin in der Alten Försterei nur für einen Punkt.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Das Spiel eins nach Urs Fischer ist ein Spiel, dass in mehrfacher Hinsicht die letzten drei Monate widerspiegelte: mit dem Glück und der Selbstsicherheit der letzten Jahre gehen wir wohl in der Anfangsviertelstunde in Führung, besonders Behrens’ Chance nach Pass von Gosens frei vor Dahmen sitzt dann. Man merkt, dass die Mannschaft will, aber nichtsdestotrotz wirkt zu viel nervös und fahrig, symptomatisch steht dafür ein Pass von Rönnow auf Knoche, der zu einer Augsburger Ecke führt.

Dass dann Schiedsrichter Badstübner kurz vor der Pause Elfmeter für Augsburg gibt, der eigentlich keiner ist (und das nach Studium der Bilder auch nicht zurücknimmt), das passt nun wirklich ins Bild der jüngsten Vergangenheit. Und weil Fofana wenige Minuten darauf seine Möglichkeit, wiederum nach Gosens-Ablage, wiederum frei vor Dahmen, nicht nutzen kann, gehen wir, wieder mal, mit einem Rückstand in die Pause.

Die große Möglichkeit zum Ausgleich ist dann nach einer knappen Stunde ein Elfmeter für uns, nachdem Trimmel umgesenst wird - das ganze Stadion sieht das, nur Badstübner nicht, doch nach widerwilligem Studium der Bilder revidiert er seine Meinung. Knoche tritt an und der Augsburger Keeper hält den ziemlich präzisen, aber zu schwach getretenen Strafstoß - es ist zum Auswachsen, selbst so eine Gelegenheit wird liegengelassen, es ist wie ein schlechter Witz und ein böser Fluch gleichermaßen. Dass Gosens kurz darauf bei seinem blitzsauberen Kopfballtreffer nach Laidouni-Flanke knapp im Abseits steht - na klar.

Aber in der Folge macht die Mannschaft Betrieb und es wird noch druckvoller, als Kaufmann, Roussillon und vor allem Juranovic kommen. Doch es dauert bis zur 88. Minute, bis der Aufwand Früchte trägt - Juranovic’ Freistoß wird von Knoche abgelegt und Volland zeigt endlich mal seine Qualität und haut den Ball unhaltbar neben den rechten Pfosten - nach unendlich langer Zeit treffen wir tatsächlich in der ehemaligen Festung Alte Försterei! Das Stadion kocht und auch der Jubel der Jungs auf dem Rasen zeigt, dass die Truppe lebt. In den verbleibenden sieben Minuten gibt es dann sogar noch Chancen zum Sieg, aber die werden vertändelt, Hollerbach hat da ärgerliche Parallelen zu Fofana, zwei Abwehrspieler werden ausgenommen, am dritten bleibt man regelmäßig hängen.

Was soll man nun sagen? Ein Punkt gegen einen FC Augsburg, der allenfalls solide spielt, ist zu wenig, wenn man allerdings die unglückliche Dramaturgie des Spiels sieht, dann muss man wohl zufrieden sein, besser als nichts und Sprung auf Platz 17. Und es wird eben nicht die zehnte Bundesniederlage in Folge (Tasmania atmet hörbar auf) und man hat, trotz aller Widrigkeiten, endlich mal getroffen und gepunktet - starten wir jetzt eine positive Serie? Nötig wär’s. Zwei Premieren sollen nicht unerwähnt bleiben: Andras Schäfer macht, nach über einem halben Jahr, seine ersten Minuten und macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Und dann steht zum ersten Mal in einem Bundesligaspiel eine Frau als Co an der Seitenlinie. Ja, historisch können wir.

Und zumindest Eta wird weiter bei uns an der Seitenlinie bleiben, denn heute hat Nenad Bjelica bei uns unterschrieben und durchgesickert ist es, unionlike, erst wenige Stunden vor der Verpflichtung, den hatte keiner der Journalisten auf dem Zettel. Bjelica, ein 52jähriger Kroate, der in Spanien, Österreich und in der Bundesliga bei Kaiserslautern im zentralen Mittelfeld spielte und Trainer u. a. bei Austria Wien, Spezia Calcio, Lech Poznan und Dinamo Zagreb war, mit denen er zweimal Meister wurde und obendrein dreimal hintereinander kroatischer Trainer des Jahres, das dritte Mal als Trainer mit dem NK Osijek. Zuletzt war er bis Oktober ein halbes Jahr bei Trabzonspor, mit wechselndem Erfolg, aber die Türken sind ja nicht gerade als geduldig bekannt.

Eine sehr interessante Wahl mit viel Erfahrung in verschiedenen Ligen als Trainer, da hätte vielleicht der auch ernsthaft gehandelte Raul den größeren Namen, aber weitaus weniger Meriten als Trainer vorzuweisen, denn der coacht bisher nur Reals zweite Mannschaft in der spanischen dritten Liga. Und wer kannte in Deutschland schon groß Urs Fischer? Und unterstützt wird der Neue von Danijel Jumic als Co-Trainer und eben Marie-Louise Eta, wenigstens bis Sebastian Bönig wieder zurückkehrt. Nur funktionieren muss es natürlich beinahe auf Anhieb, deswegen wünschen wir Nenad Bjelica ein beispiellos goldenes Händchen und herzlich willkommen beim 1. FC Union!

22. November: Trümmerhaufen Nationalmannschaft

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich am Dienstag mit einer desolaten Leistung gegen Österreich blamiert.
Die deutsche Nationalmannschaft hat sich am Dienstag mit einer desolaten Leistung gegen Österreich blamiert.  © Christian Charisius/dpa

Icke: Was stimmt denn da nicht? Erst Löw, dann Flick und nun Nagelsmann. Alle scheitern. Gestern verloren wir hochverdient in Österreich mit 0:2, ohne auch nur die Spur einer Chance zu besitzen. Und die Misere wird immer schlimmer. Sechs Monate vor der EM im eigenen Land haben wir nur noch einen Trümmerhaufen, aber keine Mannschaft.

Nagelsmann allerdings setzt dem ganzen noch die Krone auf. Anstatt ehrlich und offen alle Defizite anzusprechen, erklärt er lieber, warum Sané das grobe Foul gemacht hat und damit den gestrigen Untergang besiegelte. Und er verteidigte stur und uneinsichtig, dass Havertz als sein "Joker" auf der linken Außenbahn ja eine prima Idee von ihm sei und er ja prächtig spiele. Vielleicht sollte er weniger Kanaster spielen und sich lieber mit den Basics beim Fußball beschäftigen.

Peer Mertesacker sprach es dafür an. Die Mannschaft ist kein Team. Kaum einer kämpft für den anderen. Gerade der schon erwähnte Sané ist ein Musterbeispiel dafür, dass er stehen bleibt, wenn er im Dribbling gescheitert ist. Jedenfalls auffallend oft. Ich sage es mal ganz direkt: Solche Spieler brauchen wir nicht in der Nationalmannschaft. Egal welche offensive Klasse er im Dribbling hat, wenn er nicht kämpft und sich wie im vorletzten Spiel nicht an taktische Anweisungen (Henrichs) hält, dann hat er in dieser Mannschaft nichts mehr zu suchen. Was ja sowieso eintreffen wird, weil er für dieses grobe Foul sicherlich drei Spiele gesperrt wird. Damit verpasst er die wichtige Vorbereitung für die EM. Übrigens keine Neuheit, Löw ließ ihn wegen Undiszipliniertheiten schon einmal bei einer WM zu Hause. Damals weigerte er sich, für die U21 zu spielen.

Österreich anzuschauen... machte Spaß. Sie kämpften, griffen wie die Türken gleich am gegnerischen Strafraum an und wurden im Laufe des Spiels immer besser. Die ersten 20 Minuten konnte Deutschland noch mithalten, dann ging nichts mehr. Und mit zunehmender Spielzeit wurden die Österreicher immer selbstbewusster. Sie spielten schnell, mit Risiko und immer am Mann bleibend. Selbst die sonst - ab und an - löchrige Ösi-Abwehr stand sicher. Sie waren schlicht aufmerksam und versuchten Fehler zu vermeiden. All das ging unserer deutschen Mannschaft verloren.

Der eine oder andere unkte schon und sah Parallelen zum 1. FC Union. Aber eher nein. Union spielt ja in den meisten Fällen noch halbwegs vernünftigen Fußball. Das ist bei den deutschen Elite-Kickern aktuell anders und endet - im Falle von Union - hoffentlich am Wochenende. Interimstrainer Grote darf "das Spiel seines Lebens" (gegen Augsburg) machen. Das restlos gefüllte Stadion hat er stimmungsmäßig auf seiner Seite. Er muss nur noch für drei Punkte sorgen. Dann ist er der Held von Union.

"Das können wir uns nicht gefallen lassen", wird Rudi Völler deutlich. Damit stellte er sich an die Seite von Mertesacker und wenn man zwischen den Zeilen lesen kann - gegen Nagelsmann. Dieser redete alles schön, erklärte alles aus seinem Kosmos und stellte immer, wenn es unangenehm wurde, seine Floskel Nummer eins in den Raum: "Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns". Was für ein Quatsch. Da stimmt es innerhalb der Mannschaft nicht. Das Mannschaftsgefüge funktioniert nicht. Und es werden Basics negiert. Zum Beispiel, dass man im Fußball einen ackernden Sechser braucht.

Was hat Rudi Völler bei seinem Übergangsspiel gegen Frankreich, dass sogar gewonnen wurde, anders gemacht? Er hat eine klare Viererkette mit vier defensiven Spielern (Tah, Süle, Rüdiger, Henrichs) aufgestellt. Mit Can hat er einen wirklichen defensiven Mittelfeldspieler gebracht. Und er hat ein einfaches 4-2-3-1-System spielen lassen, dass wirklich jeder Spieler beherrscht. Zauberei? Nein, das sind Basics, die jeder kennt.

Damit Deutschland wieder erfolgreich Fußball spielen kann, müssen folgende neun Dinge geändert werden:

  • Ein klares System muss her. Das kann eigentlich nur das 4-2-3-1 sein. Und es darf auch nicht geändert werden, damit die Mannschaft zur EM eingespielt ist. Einfache, klare und gefestigte Strukturen. Jeder der neu reinkommt, weiß genau, was er auf genau dieser Position zu leisten hat und auch, was er nicht machen darf.

  • In der Viererkette spielen zwingend vier defensivstarke Akteure - keine Joker oder sonstiger Unsinn! Auch hier ist die Auswahl aktuell groß genug (Tah, Süle, Rüdiger, Henrichs, N. Schlotterbeck, Hummels, Koch, Knoche, Thiaw).

  • Vor der Viererkette wird ein Rammbock als sechs installiert. Es gibt genügend deutsche Spieler (Can, Andrich, Khedira, Groß), die das können.

  • Unsere beiden großen Talente Musiala und Wirtz spielen vorzugsweise die beiden Halb-Außen-Positionen in der offensiven Dreierkette. Dazwischen Müller als hängende Neun. Nicht weil er auf der Position der stärkste Spieler ist, sondern weil man gegen Österreich sah, er ist der einzige Routinier, der führen und antreiben kann. Und fast noch wichtiger, er genießt den Respekt aller Spieler. Als Backup-Reihe könnten Positionsgetreu Hofmann, Havertz und Gosens agieren. Brandt und Gnabry müssten sich erst wieder ihre Sporen verdienen. Sané ist erst einmal raus, er kann sich über Top-Leistungen im Klub und einem 1A-Verhalten wieder neu anbieten.

  • Neben der Sechs spielt eine Acht. Hier kommen Kimmich oder Goretzka infrage. Gündogan konnte im DFB-Trikot - zumindest in den letzten 2 Jahren - nie überzeugen. Wir können auf ihn verzichten. Zumal Kimmich als Acht (in Normalform) der bessere Antreiber ist. 1,90-Latte Goretzka ist ein völlig anderer Typ für die Acht und deshalb wertvoll. So sind wir auch flexibler. Die Spiele mit den Zwillingen "Kimmich und Gündogan" haben nie funktioniert.

  • Und den Mittelstürmer kann nur ein richtiger Kerl spielen. Also Füllkrug, Ducksch oder Behrens.

  • Die wenigsten Probleme gibt es im Tor. Ter Stegen, Trapp und Neuer bleiben das Führungs-Trio.

  • Genauso wichtig wie das Teamwork und ein klares System ist die Hierarchie in der Mannschaft. Müller ist der neue Kapitän und spielt. Basta, würde Gerhard Schröder sagen. Dazu sind Tah, Rüdiger und Hummels gesetzt. Ebenfalls die Youngster Musiala und Wirtz. Und wahrscheinlich Kimmich auf der Acht. Das wären schon einmal sieben Spieler als Gerüst für die deutsche Nationalmannschaft.

  • So könnte dann im März das "neue Team" aussehen: Ter Stegen – Tah, Hummels, Rüdiger, Henrichs – Groß, Kimmich – Wirtz, Müller, Musiala – Füllkrug.

Lassen wir uns (dann doch noch) positiv überraschen. Bei Union hoffentlich schon an diesem Wochenende - etwas später in der Nationalmannschaft. Eisern!

21. November: Die Zeit nach Urs Fischer: Tage des Donners

Union Berlins neues Trainer-Duo, Interimstrainer Marco Grote (51) und Co-Trainerin Marie-Louise Eta (32) leiten das erstes Training.
Union Berlins neues Trainer-Duo, Interimstrainer Marco Grote (51) und Co-Trainerin Marie-Louise Eta (32) leiten das erstes Training.  © Matthias Koch/dpa

Unionfux: Ein seltsames Gefühl, so zwischen Baum und Borke - der Jahrhunderttrainer Urs Fischer ist tatsächlich weg und mit ihm seine Co-Trainer Markus Hoffmann und, mit einigen Tagen Verspätung, auch noch Sebastian Bönig. Interimsweise übernehmen der eigentliche U19-Coach Marco Grote und seine Assistentin Marie-Louise Eta, doch irgendwie ist eher schwer vorstellbar (wenn auch natürlich nicht unmöglich), dass die beiden eine Dauerlösung darstellen.

Also warten alle gespannt auf den neuen Trainer, genügend Namen sind in der Verlosung, bis tatsächlich hin zu Sammer, aber da könnte man auch Beckenbauer nennen oder Karsten Heine - sind beide auch gerade frei. Aber mal im Ernst: im Moment steht der neue Trainer sowas von in den Sternen, dass sich jede Spekulation automatisch einer gewissen Komik preisgibt.

Viel bedeutender ist ja, dass zwischendurch zwei Endspiele anstehen, zuerst zu Hause gegen Augsburg und dann um die Europa League in Braga und beide sollten schon gewonnen werden, wenn die Felle nicht zu weit wegschwimmen sollen, auch wenn das Heimspiel gegen die Puppenkiste noch größeres Gewicht haben dürfte, kein Wunder, nach dem Absturz ans Tabellenende. Und wir müssen aufpassen, dass die Vergangenheitsbewältigung nicht größeres Gewicht als die unmittelbare Zukunft bekommt …

Dass unser Verein innerhalb weniger Wochen dermaßen ins Taumeln gerät - eigentlich ein Unding. Und doch wirkt mit einem Schlag alles so fragil und instabil, plötzlich ist so viel in Frage gestellt: Dirk Zinglers Führungsstil, Oliver Ruhnerts Einkaufspolitik und Urs Fischers Trainingsinhalte. Alles, was gerade noch so traumhaft sicher schien, so ruhig und kontrolliert, ist nun scheinbar desorientiert und auf der Suche nach so vielen Antworten. Die Frage nach dem neuen Trainer wird bis Samstag eher nicht beantwortet werden, aber spätestens am späten Nachmittag werden wir wissen, ob nach all den Ereignissen ein Ruck durch die Mannschaft ging oder alles so weiterfällt wie gehabt.

Auf jeden Fall ist beim Beobachter so ein wenig die Illusion geschwunden, dass das Handeln bei uns irgendeinem großen Plan folgt - es scheint momentan wie das Aufeinanderfolgen vieler unglücklicher Zufälle und die reichen eben und tatsächlich aus, um unseren Verein in die größte sportliche Krise der letzten anderthalb Jahrzehnte zu bringen und das ganz ohne Ankündigung und Vorahnung. Ein bisschen mehr Glück wie z. B. Siege in Heidenheim oder Bremen und alles wäre, zumindest einigermaßen, in Butter, aber so ist auf einmal so vieles anders, die Selbstsicherheit und -zufriedenheit der letzten Jahre wie weggeblasen und man kämpft darum, einiges wieder zurückzugewinnen, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn egal, was hinter den Kulissen passiert und was man sich so vorstellt und was dann wirklich realisierbar ist - bis zur Winterpause gibt es viel zu tun, das fraglos Wichtigste ist natürlich, so viel Punkte einzusacken, dass die Rückrunde nicht zur Mammutaufgabe wird, für welchen Trainer und welche Mannschaft auch immer.

Der Angstgegner Augsburg (nur einmal konnten wir gegen die Puppenkiste in der Bundesliga gewinnen) ist sicher kein leichter erster Prüfstein der neuen Zeitrechnung, aber den gibt es wohl auch derzeit für uns nicht. Mal sehen, ob das Spiel am Samstag nur wegen des Debüts einer weiblichen Co-Trainerin in der Bundesliga erwähnenswert ist - oder ob uns endlich der Befreiungsschlag gelingt, wieauchimmer, wodurchauchimmer. Tage des Donners…

19. November: Schlimmer Rückfall

Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann feuert beim Match gegen die Türkei seine Spieler an.
Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann feuert beim Match gegen die Türkei seine Spieler an.  © Federico Gambarini/dpa

Icke: "Die Taktik ist zweitrangig ...", so sagte es der Neu-Bundestrainer-Ausprobierer Nagelsmann nach dem Spiel. Er meinte damit die fehlenden Emotionen der deutschen Mannschaft. Und das sollte als Erklärung für die verdiente Niederlage gegen eine türkische B-Mannschaft dienen. In einem Heimspiel, das ein Auswärtsspiel war. Welch unglaublicher Unfug!

Es fing damit an, dass ich meinen Augen nicht traute, welche Zusammenstellung die Mannschaft hatte. Auf den Positionen "rechter Verteidiger" und "linker Verteidiger" spielten mit Sane und Havertz - zwei Stürmer. Parallel dazu erklärte Nagelsmann vor dem Spiel, er wolle zuerst die Defensive stärken. Wie bitte?

Es wurde aber noch viel schlimmer. Im zentralen Mittelfeld spielte zusätzlich keine echte Sechs. Sprich kein defensiver Mittelfeldspieler. Obwohl mit Andrich und Groß zwei gute Sechser auf der Bank saßen. Das Experiment Kimmich/Gündogan ist nun schon vielmals schief gegangen. Eben weil beide Spieler sich viel zu ähnlich sind und keiner der beiden wirklich ein guter Defensiv-Spezialist ist. Warum machen deutsche Bundestrainer eigentlich erkennbare Fehler immer wieder aufs Neue?

Und als das ganze Elend dann - zumindest zur Halbzeitpause - voll sichtbar wurde, änderte Nagelsmann taktisch etwas? Nein, warum auch. Es ist unfassbar! Bis 19 Minuten vor dem regulären Ende nahm der Bundes-Jogi, ähm, Nagelsmann, gar keine Änderungen vor. Und es gab den nächsten Kardinal-Fehler. Deutschland hat aktuell zwei gute Spielmacher. Der eine ist Musiala, der fehlte aber diesmal im Aufgebot. Der andere ist Wirtz, der war bis dato unser bester Spieler. Und nicht der von Nagelsmann so gelobte Havertz als linker Verteidiger. Den dann besten Spieler im deutschen Team auszuwechseln, grenzt schon an Arbeitsverweigerung.

Alles, was ich bis hier schrieb, formulierte Matthäus als Kommentator mit seinen Worten, bis dann Nagelsmann zum Interview erschien. Er hatte ein anderes Spiel gesehen, und ich staunte, wie ruhig Matthäus sich das anhörte. Ich hätte ihn gefragt, ob er das ernst meint, was er gerade sagt!

Die Türken machten das Olympiastadion zu einem Heimspiel. Auch das muss man sich mal vorstellen. Das sind 75.000 Zuschauer im Berliner Olympia-Stadion und man hört einzig die Türken, wie sie die Deutschen 90 Minuten lang auspfeifen. Die deutsche Nationalmannschaft scheint die Deutschen nicht mehr zu interessieren. Warum ist das so? Eine Erklärung beginnt schon beim Ertönen der Nationalhymnen. Vollste Konzentration und Leidenschaft bei den Türken. Millimeterweises Bewegen der Lippen bei Sane, Kapitän Gündogan und Henrichs. Da fehlt schon vor dem Spiel die Leidenschaft und die Emotion, alles zu geben. Und wenn nicht einmal der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft die deutsche Nationalhymne richtig mitsingt, was soll denn danach noch kommen?

Fußball gespielt wurde auch noch. Die Deutschen begannen eigentlich ganz ordentlich. Sie drückten in den ersten 15 bis 20 Minuten dem Spiel den Stempel auf. Gingen sogar nach fünf Minuten in Führung. Da dachte man noch, das wird etwas. Das war falsch.

Mit zunehmender Zeit wurden die Türken immer stärker. Sie griffen die Deutschen - fast über 90 Minuten lang - schon am eigenen Strafraum an. Damit kamen unsere "Künstler" gar nicht zu Recht. Aber anstatt die sich daraus ergebenen Räume clever zu nutzen, gerieten wir ins "Schwimmen". Dabei hatte unsere Mannschaft ein Vielfaches an Länderspielen und Erfahrung aufzuweisen, als die junge türkische Mannschaft. Aber wie sagt Nagelsmann so schön, die Taktik ist zweitrangig. Da haben wir nur drei nominelle defensive Spieler auf dem Platz und reden uns alles schön.

Lothar Matthäus, der als Einziger Tacheles redete, sprach auch das Thema "Experimente" an. Diese sollten - auch nach Nagelsmann - jetzt gar nicht mehr stattfinden. Eben weil wir bis zur EM im eigenen Land nur noch sehr wenige Testspiele haben. Da ist es wichtig, dass die Mannschaft eingespielt ist. Und das wiederum setzt zwingend voraus, dass unsere Spieler auf den ihnen vertrauten Positionen eingesetzt werden. Ein Sane und ein Havertz haben wohl sehr selten auf den defensiven Außenbahnen zugebracht. Und eine deutsche Mannschaft ohne einen defensiven Mittelfeldspieler sollte auch zur Vergangenheit gehören. "Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern"? Nagelsmanns Experimente waren der Grundstein zur Total-Blamage.

Da nützt auch die wunderschöne Torvorbereitung von Sane zum 1:0 nichts, wenn er auf der falschen Position spielt. 20 Minuten später träumte er, hörte das Kommando von Henrichs nicht und ein türkischer Spieler lief in den freien Raum, der eigentlich zu Sane gehörte. Das 1:1 puschte die Türken noch einmal richtig. Das zweite deutsche Tor erzielte Füllkrug mit einer feinen Einzelleistung. Und ja, der Vollständigkeit halber, das dritte Tor der Türken war "getürkt". Wenn ich einen Spieler von hinten an den Oberarm schieße, dann kann das gar kein Elfmeter sein, weil ja hinten kaum ein Spieler Augen hat. Der polnische Schiedsrichter sah das (anatomisch) anders.

Gott sei Dank war ich nicht im Stadion. Das wollte ich eigentlich. So musste ich mich nur zu Hause am Fernseher ärgern. So werden wir uns im nächsten Sommer ganz furchtbar blamieren. Nach den ersten zarten "Pflänzchen" USA und Mexiko dachte ich kurz, das mit Nagelsmann kann etwas werden. Aber wer gleich so viele Dinge parallel falsch macht, bei dem ist wohl Hopfen und Malz verloren ... Eisern

P.S. Im Union-Forum wird ja von den Fans und Usern gerade sehr aktiv ein neuer Trainer gesucht. Da fiel dann auch einmal der Name Matthäus. Ein sehr charmanter Gedanke. Obwohl Zingler und Matthäus aus meiner Einschätzung nicht wirklich zusammen passen. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen ...

18. November: Drei Tage Staatstrauer und dann Sammer?

Diese Zeiten sind vorbei: Co-Trainer Markus Hoffmann (51, l.) und der nun entlassene Erfolgstrainer Urs Fischer (57) sitzen gemeinsam am Spielfeldrand.
Diese Zeiten sind vorbei: Co-Trainer Markus Hoffmann (51, l.) und der nun entlassene Erfolgstrainer Urs Fischer (57) sitzen gemeinsam am Spielfeldrand.  © Andreas Gora/dpa

Icke: So, nun isset passiert. Union ohne Fischer. Kaum vorstellbar. Aber so ist der Lauf der Zeit. Wie extrem beliebt Urs Fischer ist, hat sich gerade jetzt gezeigt. Er konnte den Zeitpunkt bestimmen. Und das ist auch glaubhaft.

Darüber hinaus gab es drei Tage trainingsfrei und ein gemeinsames Verabschiedungs-Frühstück mit der kompletten Geschäftsstelle. Das ist so ein bisschen wie drei Tage Staatstrauer.

Auch wenn es (wie immer) Leute gibt, die das anzweifeln - Union als Verein hat sich anständig und dankbar gezeigt. Fischer selbst hat die Zeit festgelegt. Besser gesagt - vorgezogen. Es kam heraus, dass ein Schluss-Termin bereits definiert war. Natürlich auf Wunsch von Urs Fischer. Und auch das glaubt ihm jeder.

Urs Fischer hat in den letzten knapp fünfeinhalb Jahren, nicht nur Unglaubliches geleistet, nein er war auch getrennt lebend von seiner Frau (sie wohnt in der Schweiz, weil sie an ein kurzes Intermezzo glaubte) und dem gewohnten Umfeld. Das zermürbt mit der langen Zeit, die er hier gearbeitet hat. Natürlich hatte der passionierte Angler kein Problem, ein Gewässer in Köpenick zu finden, um seiner Leidenschaft zu frönen. Aber der Job als Bundesligatrainer ist eben auch ein Fulltime-Job, ohne Wochenenden und nervenaufreibend. Eine sicherlich folgende mehrmonatige Ruhepause sei ihm gegönnt.

Und sicherlich kommt da noch etwas. Wie im Fall Benyamina zeigt sich Dirk Zingler an so einer Stelle oft sehr emotional. Nun hat Urs keine Rückennummer, die man einfrieren kann, aber eine Extra-Ehrung als Statue im Hauptgebäude oder gar eine Ehrenmitgliedschaft - das kann man sich gut vorstellen. Es gibt kaum etwas Schöneres, als bei Zehntausenden Menschen positiv im Gedächtnis zu bleiben, das hat er schon geschafft!

Am kommenden Montag ist die Staatstrauer vorbei. Dann rückt die Nachfolgersuche in den Fokus. Namen werden schon gehandelt. Kuntz, Glasner, Baumgart, Sammer, van Nistelrooy, Henriksen, Svensson, Interimstrainer Grote selbst, Härtel, van Brockhorst, Soskjaer, van Gaal, Hürzeler, Reis, Titz, und und und. Einige sind dabei, die wohl unseren finanziellen Rahmen sprengen würden, andere passen wohl auch nicht. Sicher ist wohl aber, Fischer zu kopieren und einen ähnlichen Typ Trainer zu suchen, kann nur schief gehen. Es ist ein Pokerspiel, wir können mit dem "Neuen" einen Volltreffer landen oder auch fürchterlich baden gehen. Völlig unabhängig von Anforderungsprofilen oder sonstigem Schnickschnack.

Mein Top-Favorit wäre Matthias Sammer. Allerdings will (oder kann - Gesundheit?) der wohl nicht mehr. Er hat ja auch eine angenehme Situation. Als Berater des BVB und (seltener) Kommentator im TV hat er sicherlich ein gutes Auskommen, verbunden mit einem überschaubaren Arbeitspensum. Aber ich sage es gern noch einmal, dieser unangepasste Querkopf, Motivations-Ass und Ossi, der auch noch etwas im Kopf hat, wäre die Ideal-Lösung. Zumindest auf dem Papier.

Und klar ist auch, der "Typ Sammer" ist immer für eine Überraschung gut. Ehrgeiz hat er sicherlich mehr als genug. Wir werden es wohl nie erfahren. Ja, es ist die mit Abstand unwahrscheinlichste Lösung. Aber der Versuch ist nicht strafbar. Wir können dabei nur gewinnen. Und Gnade der Bundesliga-Konkurrenz, sollte uns dieser Coup doch gelingen. Ein Sammer in Köpenick würde so einiges Positives bewegen! Und unmöglich ist es auch nicht. Ich sage nur Thomas Häßler. Dirk versteht, was ich meine ... Eisern

15. November: Danke, Urs Fischer!

Urs Fischer (57) ist nicht mehr Trainier von Union Berlin.
Urs Fischer (57) ist nicht mehr Trainier von Union Berlin.  © Tom Weller/dpa

Unionfux: Die letzten zweieinhalb Monate waren der absolute Albtraum für jeden Unioner und jetzt ist, quasi als Krönung des Ganzen, das Unvorstellbare tatsächlich passiert: der Vater des Erfolges, der Trainer des Jahres 2023, Urs Fischer, ist entlassen worden.

Natürlich in gegenseitigem Einvernehmen, wobei denkbar ist, dass Urs Fischer selbst keine wirklichen Argumente mehr hatte und sich, angesichts der kommenden Fast-Endspiele, zur Disposition gestellt hat. Es ist ein Schock, dass diese Geschichte so ein Ende nimmt, auch die Treueschwüre des Präsidenten Dirk Zingler, die schwierigen Zeiten gemeinsam zu meistern, vor dem Heimspiel gegen Frankfurt ausgesprochen, hielten nicht allzulange - und auch, dass sich die Fans in der Alten Försterei vor dem Spiel so explizit und frenetisch für unseren Trainer aussprachen, hat leider nichts geholfen.

Nun kann man nicht sagen, dass diese Maßnahme so gar nicht nachzuvollziehen ist, gleichwohl sind wir nun endlich hart aufgeschlagen, nach einem beispiellosen Sturzflug, der wohl für alle nahezu unerklärlich ist - wer hätte denn auch nur ansatzweise gedacht, dass der Trainer, der uns in die Champions League führt, nicht mal das Ende der Gruppenphase miterlebt??

Mit Urs Fischer geht ein Mann, der wohl der beste Trainer war, den dieser Verein jemals hatte. Nicht nur der sportliche Erfolg spricht dafür, all die Auszeichnungen, sondern gerade auch der feine Charakter dieses Fussballlehrers, der kaum jemals die Contenance verliert, nie Unsinn redet und immer geradlinig und anständig in diesem doch sehr schwierigen Geschäft Profifussball geblieben ist, eine Ausnahmeerscheinung, die ganz hervorragend zu unserem Ausnahmeverein passte - in jeder Hinsicht. Im vergangenen Sommer gab es viele Gelegenheiten, in denen ich mich im Gespräch mit vielen anderen Unionern fragte, wann unsere unglaubliche Erfolgsgeschichte wohl enden könnte - und wir waren uns alle einig: nicht, solange Ruhnert und vor allem Fischer die sportlichen Geschicke lenken.

Vielmehr gab es die bange Frage: was kommt wohl danach? Wer soll denn bitte auf diesen phantastischen Trainer folgen? Und uns fehlte beim besten Willen die Phantasie, dazu auch nur einen vagen Tipp abzugeben...Und jetzt ist es soweit, ziemlich überraschend und unerwartet, höchst schmerzhaft - wir sind endgültig auf dem häßlichen Boden der Tatsachen angelangt, seit heute ein wenig näher an die Stinknormalität herangerückt.

Mir bleibt nur zu sagen: danke, Urs Fischer, für die vergangenen fünf Jahre, ich bin stolz und glücklich, dass du meinen Herzensverein trainiert hast und ich bin gleichzeitig sehr traurig und entsetzt, dass dieser Weg nun zu Ende ist, zumal auf diese Weise - nichtsdestotrotz viel Glück auf all deinen weiteren Wegen, du wirst uns immer willkommen sein. Und der 1. FC Union Berlin ist heute zweifellos ein Stück ärmer geworden…

Titelfoto: Matthias Koch/dpa

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