Leben im Lockdown: "Meine Familie gibt mir Kraft" - Sängerin Olivia Delauré fehlen Bühne und Musik

Dresden - Sachsen befindet sich zum zweiten Mal im Lockdown. Wenn auch der erste Lockdown im Frühjahr und Sommer strenger war, müssen bis 30. November wieder ganze Branchen ihren Betrieb fast völlig einstellen. Theater, Museen, Konzert- und Eventbereich, Klubs und Gastronomie sind geschlossen, der Amateursport ist lahmgelegt. Wie meistern diejenigen ihr Leben, die zur Tatenlosigkeit verdonnert sind, was denken sie darüber und wie sichern sie ihr Einkommen? Wir stellen Betroffene vor.

Sopranistin Olivia Delauré (33) hofft sehr darauf, bald wieder auf der Bühne stehen zu dürfen: "Ich brauche die Musik."
Sopranistin Olivia Delauré (33) hofft sehr darauf, bald wieder auf der Bühne stehen zu dürfen: "Ich brauche die Musik."  © PR/Tina und Maxim

Der kulturelle Stillstand trifft vor allem die freien Künstler hart. Ein Umstand, der auch vor Publikumslieblingen nicht Halt macht: Olivia Delauré (33) etwa, lange Jahre gefeierter Star an der Dresdner Staatsoperette, arbeitet seit vorigem Jahr freischaffend - zum denkbar unglücklichsten Zeitpunkt. 

Die Operetten- und Musical-Sängerin findet nun Halt in ihrer Familie und zieht sich mit neuen musikalischen Plänen aus manchem Tief.

Als wir vergangene Woche mit Olivia Delauré sprachen, ist es ihrem Gemütszustand gerade wieder etwas besser ergangen. "Die erste Woche des Lockdowns war ganz schlimm", sagt sie freimütig. 

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In ein großes Loch sei sie gefallen. Unmittelbar zuvor, am 31. Oktober, hatte sie noch eine Premiere an den Landesbühnen Sachsen, in Cole Porters Musical "Kiss Me, Kate". 

Die Sängerin: "Wir alle waren so euphorisch, dass wir es noch herausbringen durften. Und wir haben an der Reaktion des Publikums gemerkt, dass es den Leuten auch so ging."

"Kunst ist wichtig für die Seele"

Der Musicalstar (mit Holger Uwe Thews, 47) in "Kiss Me, Kate" an den Landesbühnen. Nächste geplante Aufführung: 4. Dezember.
Der Musicalstar (mit Holger Uwe Thews, 47) in "Kiss Me, Kate" an den Landesbühnen. Nächste geplante Aufführung: 4. Dezember.  © Sylvio Dittrich

Das Schmerzliche aber war, dass dieses Wiederkommen auf die Bühne gleichzeitig auch schon wieder den Abschied bedeutete. "Jetzt kommt der Winter, jetzt fehlt uns Frohsinn", sagt Delauré. 

Dabei sei Kunst doch so wichtig für die Seele: "Nicht nur wir, auch die Leute im Publikum lachen, schalten ab. Das brauchen wir doch alle." Wenn die Kunst fehle, sei das nicht gesund für die Psyche, da ist sie sich sicher.

Als Künstlerin sei sie nicht davon überzeugt, dass der Lockdown angemessen ist: "Ich will die Gefahren nicht leugnen, auf keinen Fall!", stellt sie klar. Das Virus müsse man ernst nehmen. Aber sie glaubt, dass man die Pandemie anders packen müsse. 

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Die Sopranistin: "An den Theatern hat man doch alles gemacht, damit es sicher ist. Und wir wollen doch spielen und nicht bei Lidl Regale einräumen." Sie fühle sich eingeschränkt, sagt sie, ihr bleibe bisweilen die Luft weg.

2019 wurde Delaurés Vertrag nach dem Intendantenwechsel an der Staatsoperette nicht mehr verlängert, ihr Eintritt in die Freiberuflichkeit. Sie sagt: "Ich war neun Jahre fest am Haus, es war ein Privileg und eine gute Zeit." Vielleicht, habe sie gedacht, sei es gar nicht schlecht, etwas Neues auszuprobieren. 

Sie fühle sich dafür im richtigen Alter, auch wenn sie mit drei kleinen Kindern noch nicht als Tourneekünstlerin durch die Republik reisen will. "Dass nun die Corona-Zeit dazwischenkam, ist natürlich blöd." Immerhin: Sie hat Gastverträge an der Operette, an den Landesbühnen, auch die Volksoper Wien hätte angestanden. 

"Dieser November wäre ein schöner Monat gewesen", sagt sie. Fünf bis sieben Vorstellungen hätten ihren Anteil an der Miete und sonstigen Kosten gesichert.

"Gottfroh, dass ich meine Familie habe"

Immerhin bringt dieser Zustand Delauré nicht in allergrößte Not. Ihr Mann Marcus Günzel (43), den sie am Ensemble der Staatsoperette kennenlernte und 2016 heiratete, könne weiter als Sänger am Haus arbeiten, sie selbst hätte noch Anspruch aufs Arbeitslosengeld I. 

Ein Luxus, sagt sie, auf den sie aber verzichte. Nach Fördermitteln hätten beide gleichwohl gesucht, aber nichts gefunden: "Das ist auch noch so ein Schlag." Ihr gehe es so, wie sie es von vielen freischaffenden Künstlern hört: "Wir fallen oft durchs Raster, weil nicht berücksichtigt ist, dass wir projektbezogen beschäftigt sind."

Kraft tankt sie privat. "Ich bin gottfroh, dass ich meine Familie habe", sagt Olivia Delauré. Man könne sich drücken und umarmen. "Das ist goldwert, man kriegt davon derzeit ja nicht so viel." 

Ansonsten lenkt sie sich mit Sport ab: "Fahrradfahren, Yoga, spazieren gehen. Ich brauche den körperlichen Ausgleich. Und ich muss ja aufpassen, dass ich nicht eingerostet bin, wenn es wieder losgeht." 

Derzeit plant sie für zwei neue Projekte. Sie ist als Sängerin in die Dresdner Youkali Band eingestiegen und bereitet mit Pianistin Ilka Krause einen Liederabend vor, im Januar in der Kulturwirtschaft im Kraftwerk Mitte. Die Arbeit an den Programmen dafür halten sie aufrecht: "Das sind Lichtpunkte. Ganz ohne Musik geht es nicht!"

Ob sie im Dezember schon wieder auf der Bühne steht? "Jaaaa", entfährt es Olivia Delauré wie ein hoffnungsvoller Stoßseufzer. "Ich weiß, dass viele Kollegen nicht daran glauben, aber das raubt nur Energie. Davon lasse ich mich nicht runterziehen." 

Titelfoto: PR/Tina und Maxim

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