Nach jahrelangem Kampf: Schwuler Flüchtling feiert wichtigen Meilenstein

Frankfurt am Main - Jahrelang lebte Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari (35) mit der Angst vor einer Abschiebung aus Deutschland, ging gegen die Ablehnung seines Asylantrags vor Gericht.

Während einer Verhandlung setzte Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari (35) mit Regenbogen-Sneakern ein klares Zeichen.
Während einer Verhandlung setzte Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari (35) mit Regenbogen-Sneakern ein klares Zeichen.  © dpa/Boris Roessler

Als Homosexueller müsse er in seiner Heimat Algerien Verfolgung fürchten, begründete er. Nach einer neuen Anhörung beim Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) kann Bendjeriou-Sedjerari allerdings nicht nur in Deutschland bleiben, er ist auch als Flüchtling anerkannt, wie am Freitag bekannt wurde.

Zuletzt war der Algerier im vergangenen August vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht gescheitert. Er könne Verfolgung entgehen, wenn er diskret und unauffällig lebe, hieß es damals. Dass Bendjeriou-Sedjerari in Deutschland nicht nur offen schwul lebt, sondern auch als queerer Aktivist für LGBTQ-Flüchtlinge eintritt, blieb unberücksichtigt.

"Ich will ohne Angst leben können", betonte Bendjeriou-Sedjerari, der fließend Deutsch spricht und eine Ausbildung als Elektriker machte, vor Gericht. In Algerien müsse er um sein Leben fürchten.

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Die neue BAMF-Entscheidung fand vor dem Hintergrund einer Dienstanweisung des Bundesinnenministeriums statt: Seit Oktober 2022 sollten die Entscheiderinnen und Entscheider bei der Prüfung der Gefährdung von queeren Geflüchteten in ihren Herkunftsstaaten immer davon auszugehen, dass die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt wird.

"Niemand darf sich gezwungen fühlen, ein gefährliches Doppelleben zu führen", hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) damals begründet. Der Verweis auf ein diskretes Leben war nicht mehr zulässig.

In Algerien drohen Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari Verfolgung und Gewalt

Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari (35).
Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari (35).  © dpa/Boris Roessler

"Seit dem 1. Oktober hat sich wirklich etwas geändert. Da muss man das BAMF auch mal loben", sagte Knud Wechterstein, Koordinator für queere Geflüchtete bei der Aids-Hilfe Frankfurt. Das betreffe nicht nur den Fall von Bendjeriou-Sedjerari. Auch queere Flüchtlinge aus Äthiopien, Guinea, Jamaika, dem Iran und Marokko seien ihm bekannt, die nach einer neuen Anhörung einen positiven BAMF-Bescheid erhielten.

"Die nunmehr positive Entscheidung ist unmittelbare Folge eines vom LSVD lange geforderten Paradigmenwechsels, die europarechtswidrigen sogenannten 'Diskretionsprognosen' endlich abzuschaffen", sagte Patrick Dörr vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme.

"Dass das BAMF nun auch negative Asylentscheidungen, die vor Oktober 2022 getroffen wurden, anhand der neuen Vorgaben überprüft, ist für uns ein wichtiges positives Zeichen."

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Der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Kaweh Mansoori (34, SPD) begrüßte die Entscheidung. "Ich freue mich sehr für Herrn Bendjeriou-Sedjerari. Er kann seiner Arbeit hier weiter nachgehen und die dauernde Unsicherheit überwinden", betonte er am Freitag.

Mansoori war nach eigenen Angaben mit Bekanntwerden des Falls von Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari auf die Bundesinnenministerin zugetreten und hatte gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) und der Aidshilfe auf das "Diskretionsgebot" aufmerksam gemacht.

"Menschen zu raten, ihre Sexualität nicht auszuleben, war unmenschlich", sagte er.

Titelfoto: dpa/Boris Roessler

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