Inflation hoch wie lange nicht mehr: Wie eng müssen wir den Gürtel schnallen?

Dresden - Geht die Inflation wieder genauso schnell weg, wie sie gekommen ist? TAG24 hat einen Experten vom Dresdner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung nach seinen Prognosen gefragt: Wie eng müssen wir den Gürtel schnallen? Während die galoppierende Inflation immer neue Höchstwerte überspringt, klären wir zuerst die Frage: Wie wird die Teuerungsrate eigentlich ermittelt? Dafür waren wir mit einem Preisermittler vom Statistischen Landesamt unterwegs.

Einkaufen für die Wissenschaft: Preiserfasser Daniel Eder (38) aus Halle/Saale dokumentiert alle Veränderungen.
Einkaufen für die Wissenschaft: Preiserfasser Daniel Eder (38) aus Halle/Saale dokumentiert alle Veränderungen.  © Ralf Seegers

Was andere nur gefühlt wahrnehmen, kann er exakt belegen.

Als ehrenamtlicher Preiserfasser dokumentiert Daniel Eder (38) alle Veränderungen. Dafür checkt er immer in den ersten drei Wochen eines Monats 500 bis 600 Preise eines streng festgelegten Sortiments.

Die "Einkaufsliste" für seinen Warenkorb ist trist: Es müssen immer dieselben Produkte in den gleichen Läden sein.

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Bewaffnet mit Tablet und Interviewer-Ausweis geht Eder auf Preis-Pirsch.

Auf seiner Liste stehen außer Lebensmitteln wie Öle, Eier, Senf, Gewürzen, Bier oder Eis auch ein Besen, Feuerzeug, Fotoalbum oder Unterhemden, Scheibenwischer-Blätter, Spielzeug, Batterien, Fernseher, Staubsauger und eine Kaffeemaschine.

Stimmt ein Preis mit dem aus dem Vormonat überein, setzt er auf seinem Tablet einfach nur einen Haken. "Doch das war zuletzt immer seltener der Fall", sagt Eder.

Die manchmal rapide in die Höhe geschossenen Preise muss er manuell eingeben: "So hat sich die Eigenmarke REWE-Butter 2021 schon einmal von 1,49 auf 1,65 Euro verteuert und kostet jetzt 1,99 Euro. Mehl kletterte von 39 erst auf 45 und jetzt auf 69 Cent. 100 Liter Heizöl gab's im April 2021 für 70 Euro, zwischenzeitlich dann für 200 und jetzt für 140 Euro."

Der Stichtag zur Übersendung der Daten zum Amt ist immer der 20. des Monats

Dank seines Tablets weiß Daniel Eder immer genau, was teuer oder günstig ist.
Dank seines Tablets weiß Daniel Eder immer genau, was teuer oder günstig ist.  © Ralf Seegers

Preisstabil sind nur Radios, Fernseher, PCs, Computerspiele und DVDs geblieben.

Eder fragt auch bei drei Fahrschulen nach Preisen (Theorie-, Fahr- und Überlandfahrstunde), im Blumenladen nach je einer Rose, Nelke, Chrysantheme und einem Strauß. Im Internet sucht er nach dem Eintritt ins Hallenbad.

"Telefonisch erkundige ich mich nach dem Doppelzimmer-Preis in einem Hotel, rufe bei zwei Schlüsseldiensten, in einem Solarium und bei einer Werkstatt für die Kosten eines Bremsen-, Auspuff- und Reifenwechsels für einen Opel Astra an."

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Und wenn es ein gefordertes Produkt nicht mehr gibt? "Dann nehme ich ein Ähnliches, bei Nutella zum Beispiel einen anderen Schoko-Brotaufstrich wie Nudossi oder bei Rasenmähern einen ähnlich motorisierten."

Etwa drei Tage braucht Eder für seine "Einkaufsliste". Zum Stichtag am 20. jeden Monats müssen alle Daten zum Amt gesendet worden sein.

Die monatlich rund 200 Euro Taschengeld für den Freiwilligendienst steckt Eder übrigens in Kurzurlaube: "Zu Pfingsten wollen wir nach Südtirol fahren."

So wird der Preisindex berechnet

In Sachsen sammeln derzeit etwa 50 Preisermittler gut 70 Prozent aller Preise.
In Sachsen sammeln derzeit etwa 50 Preisermittler gut 70 Prozent aller Preise.  © Ralf Seegers

In Sachsen sammeln etwa 50 Preisermittler in etwa 20 sächsischen Gemeinden gut 70 Prozent aller Preise und senden sie online ans Statistische Landesamt in Kamenz.

"Sie übermitteln uns jeden Monat rund 33.000 Einzelpreise für Waren, Dienstleistungen, Mieten oder Sprit", sagt Pressesprecherin Diana Roth (47).

Preise für Bahntarife, Versandhandel, Tabakwaren oder Telekommunikationsdienstleistungen steuert das Statistische Bundesamt bei.

Immer in der vierten Monatswoche werden die eingereichten Daten der Preiserfasser auf Plausibilität geprüft: Kann das Nutella-Glas wirklich 99 Euro gekostet haben?

Erfassungsfehler erzeugen Warnmeldungen. Stimmt alles, wird der Preisindex berechnet.

Inflationsrate lag im März bei 7,0 Prozent in Sachsen

Aufgrund des Wägungsschemas liegt die Inflationsrate "nur" bei sieben Prozent, obwohl allein die Spritpreise um 20,8 Prozent gestiegen sind.
Aufgrund des Wägungsschemas liegt die Inflationsrate "nur" bei sieben Prozent, obwohl allein die Spritpreise um 20,8 Prozent gestiegen sind.  © Jens Büttner/dpa

Doch warum liegt die aktuelle Inflationsrate "nur" bei sieben Prozent, wenn allein die Spritpreise um 20,8 Prozent gestiegen sind?

"Das liegt am sogenannten Wägungsschema, denn nicht alle Waren oder Dienstleistungen fallen gleich stark ins Gewicht", erklärt Roth.

Je nachdem, welchen Anteil sie in privaten Haushalten ausmachen, gehen Sprit/Verkehr beispielsweise mit anteilig 12,905 Prozent, Wohnung/Strom/Gas mit beträchtlichen 32,47 Prozent und Alkohol/Tabak dagegen nur mit 3,777 Prozent ins Rennen.

Aus allen erfassten, geprüften und errechneten Zahlen werden jeweils Anfang des Folgemonats der endgültige sächsische Verbraucherpreisindex und der Bundesdurchschnitt veröffentlicht: Aktuell lag die Inflationsrate im März bundesweit bei 7,3 Prozent, in Sachsen bei 7,0 Prozent.

Titelfoto: Montage: Jens Büttner/dpa, Ralf Seegers

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