Prozess gegen Halle-Attentäter: Anwälte der Überlebenden plädieren

Magdeburg - 73 Zeugen haben im Prozess um den rechtsterroristischen Anschlag von Halle ausgesagt - und viele von ihnen sind als Nebenkläger am Verfahren beteiligt. 21 Anwälte vertreten den Vater des getöteten Kevin S. sowie Überlebende der verschiedenen Tatorte. Am Dienstag sollen sie mit ihren Schlussvorträgen beginnen.

Prozess zum Halle-Attentat: Der Angeklagte Stephan Balliet (28) hat die Taten gestanden.
Prozess zum Halle-Attentat: Der Angeklagte Stephan Balliet (28) hat die Taten gestanden.  © Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB

Die ausführlichen und oft emotionalen Zeugenaussagen hatten den Hauptteil in den bisher 21 Prozesstage ausgemacht. Viele von ihnen hatten das Verfahren an zahlreichen Tagen im Saal verfolgt und dafür teils weite Reisen auf sich genommen.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Terrorist versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten (TAG24 berichtete). Er scheiterte an der massiven Tür, erschoss daraufhin die Passantin Jana L. und später in einem Döner-Imbiss Kevin S..

Auf der anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen. Der Prozess läuft seit Juli vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, aus Platzgründen findet er jedoch in Magdeburg statt.

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Der 28-jährige Deutsche Stephan Balliet hat die Taten gestanden und mit antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Verschwörungstheorien begründet.

Mitte November hatte die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens die Beweisaufnahme nach der Befragung der Zeugen, 13 Sachverständigen und den für viele Prozessbeteiligte nur schwer erträglichen Aussagen des Angeklagten geschlossen. Auch er wird am Ende des Verfahrens ein letztes Wort erhalten.

Bundesanwalt fordert: "Die schärfste Sanktion, die unser Rechtssystem vorsieht"

Blumen und Kerzen liegen nach dem Anschlag vor der Tür der Synagoge on Halle.
Blumen und Kerzen liegen nach dem Anschlag vor der Tür der Synagoge on Halle.  © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Am 21. Prozesstag hatte dann die Bundesanwaltschaft plädiert - und eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beantragt. "Das ist die schärfste Sanktion, die unser Rechtssystem vorsieht", sagte Bundesanwalt Kai Lohse nach seinem Plädoyer.

In ihrem mehrstündigen Schlussvortrag hatte die Anklage den Anschlag in 13 Fälle untergliedert, dem Angeklagten unter anderem Mord, versuchten Mord und Volksverhetzung vorgeworfen und die Taten unter anderem als grauenhaft bezeichnet.

Lohse lobte Mertens Prozessführung und das Engagement der Nebenkläger im Verfahren. Es sei gelungen, die "Besonderheit der Betroffenheit der Opfer hier einzubringen."

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Ausgesagt hatten unter anderem Überlebende aus der Synagoge, dem Döner-Imbiss und von den Schauplätzen der Flucht. Viele trugen körperliche und psychische Schäden davon.

Mehrere Besucher und Nebenklage-Anwälte im Saal hatten nach den ersten Aussagen aus Solidarität applaudiert, bis Mertens das mit Verweis auf die Neutralität des Gerichtssaals untersagte.

Wie lange die Plädoyers der Nebenklage insgesamt dauern, ist nicht genau abzusehen. Jeder der 21 Anwälte kann einen Schlussvortrag halten. Mertens unterbricht die Verhandlung wegen der Corona-Pandemie zudem in der Regel alle 45 Minuten, um den Gerichtssaal zu lüften.

Das Gericht hat für die Nebenklage-Vorträge drei Tage vorgesehen. Reichen die aus, könnte nächste Woche die Verteidigung plädieren. Bis zum 22. Dezember könnte das Gericht dann das Urteil verkünden.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB

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