Sie sind Russen! Sind Snowden, Seagal und Depardieu auch bereit, für Russland zu sterben?

Moskau - Angesichts jüngster Niederlagen der russischen Streitkräfte ordnete Kremlchef Wladimir Putin (69) in der vergangenen Woche an, nun auch Reservisten für den Kampf in der Ukraine zu verpflichten. Seitdem herrscht bei zahlreichen Russen große Panik und viele versuchen, in die wenigen Länder zu flüchten, in die sie überhaupt noch reingelassen werden. Doch wie sieht es mit neuen und prominenten russischen Bürgern aus? Werden sie auch militärisch mobilisiert?

US-Whistleblower Edward Snowden (39, v.l.n.r.), US-Schauspieler Steven Seagal (70) und der französische Schauspieler Gerard Depardieu (73) haben die russische Staatsbürgerschaft.
US-Whistleblower Edward Snowden (39, v.l.n.r.), US-Schauspieler Steven Seagal (70) und der französische Schauspieler Gerard Depardieu (73) haben die russische Staatsbürgerschaft.  © Uncredited/WikiLeaks/AP/dpa, Hans Klaus Techt/APA/dpa, Thierry Roge/BELGA/dpa

Diese Frage stellte sich gerade erst, als der Name des US-Whistleblowers Edward Snowden (39) am Montag auf einer vom Kreml veröffentlichten Liste mit neuen Staatsbürgern auftauchte.

Russland gewährte Snowden und seiner Frau Lindsay Mills (37) Asyl. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes bemühte sich das Paar um die russische Staatsangehörigkeit, um nicht von ihrem Kind getrennt zu werden, erklärte der ehemalige US-Sicherheitsbeauftragte bereits 2020.

Snowden ist nun also Russe, lebt in Russland und ist im Rekrutierungsalter. Wird er an die ukrainische Front geschickt? Und was ist mit anderen prominenten Ausländern, die schon seit Jahren russische Staatsbürger sind, beispielsweise die Schauspieler Steven Seagal (70) und Gérard Depardieu (73)?

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Anwalt Anatoly Kucherena, der den Ex-CIA-Beamten Snowden vertritt, sagte, sein Mandant werde nicht eingezogen, weil er "nicht in der russischen Armee gedient hat und kein Mitglied der Reserve ist" und auch "keine Übung oder Erfahrung im Militär hat", berichtet das russische Nachrichtenportal mit Sitz in Riga Meduza.

Allerdings bedeutet das keine Entwarnung für den 39-Jährigen! Denn der Journalist und Leiter der Menschenrechtsgruppe "Rights in Russia", Sergei Krivenko, sagte gegenüber "Meduza", dass das russische Gesetz zum Militärdienst die meisten männlichen Bürger der Russischen Föderation verpflichtet, sich zum Militärdienst anzumelden, mit seltenen Ausnahmen.

Das bedeutet, dass sich auch eingebürgerte Bürger sofort nach Erhalt der Staatsbürgerschaft beim Militär melden müssen – auch Edward Snowden!

Gibt es einen Ausweg?

Russische Rekruten stehen in der Nähe eines militärischen Rekrutierungszentrums in Krasnodar. Der russische Präsident Putin hat eine Teilmobilisierung von Reservisten angeordnet, um seine Streitkräfte in der Ukraine zu verstärken.
Russische Rekruten stehen in der Nähe eines militärischen Rekrutierungszentrums in Krasnodar. Der russische Präsident Putin hat eine Teilmobilisierung von Reservisten angeordnet, um seine Streitkräfte in der Ukraine zu verstärken.  © Uncredited/AP/dpa

Werde in einer ärztlichen Untersuchung festgestellt, dass eine Person für den Militärdienst nicht infrage kommt, wird sie ausgemustert. In allen anderen Fällen erhalten die Leute einen Militärausweis und werden als Reservisten eingeschrieben.

Laut russischer Gesetzgebung kann während der Mobilisierung jeder Bürger, der sich in der Reserve befindet und kein Recht auf eine Ausnahmeregelung hat, einberufen werden. Sollte Snowden, der erst 39 Jahre alt ist, keine gesundheitlichen Einschränkungen haben oder aus anderen Gründen nicht einberufen werden, könne es laut "Meduza" durchaus sein, dass er in den Kampf gegen die Ukraine ziehen muss.

Gibt es einen Ausweg? Falls er ein "Ticket an die Front" bekommt, wäre der Verzicht auf die russische Staatsbürgerschaft die einzige Möglichkeit dafür. Realistisch betrachtet ist es jedoch schwer zu sagen, wie im Fall von Snowden damit umgegangen werden würde.

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Und was ist mit dem Amerikaner Steven Seagal und dem Franzosen Gérard Depardieu?

Depardieu mit provokanten Äußerungen

Wladimir Putin (69) will den Krieg in der Ukraine offenbar unbedingt gewinnen.
Wladimir Putin (69) will den Krieg in der Ukraine offenbar unbedingt gewinnen.  © Uncredited/POOL TASS Host Photo Agency/AP/dpa

Beide Herren sind nicht mehr vom Wehrdienst bedroht, da sie das Wehrpflichtalter bereits überschritten haben. Aktuell liegt die Grenze bei 45, sie könnte jedoch auf 50 angehoben werden.

Seagal emigrierte 2016 nach Russland, der 70-Jährige gilt als glühender Unterstützer und als Propaganda-Sprachrohr Putins. Über Russland sagte er einmal, es sei "seine Heimat". Nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine betonte er, dass er "niemals seinen russischen Pass aufgeben würde", berichtet das polnische Nachrichtenportal Onet.

Der 73-jährige Depardieu floh aus Frankreich wegen der angekündigten Reichensteuer. Am 5. Januar 2013 holte er persönlich seinen russischen Pass von Wladimir Putin ab.

Seitdem sorgte Depardieu immer wieder mit provokanten Äußerungen für Aufsehen. So sagte er 2014 bei einem Besuch in Lettland: "Ich liebe Russland und die Ukraine, die zu Russland gehört", berichtet die New York Times.

Und in einem Interview mit der Zeitschrift "Vanity Fair" erklärte er 2015: "Ich bin bereit, für Russland zu sterben, weil die Menschen dort stark sind. Ich möchte auf keinen Fall im modernen Frankreich sterben."

Immerhin überprüfte der Schauspieler nach Kriegsbeginn offenbar seine Position gegenüber Putin und fordert ihn am 1. März zur Vernunft auf und verlangte von ihm, "diesen Bruderkrieg" zu beenden.

Titelfoto: Uncredited/POOL TASS Host Photo Agency/AP/dpa, Uncredited/WikiLeaks/AP/dpa, Hans Klaus Techt/APA/dpa, Thierry Roge/BELGA/dpa

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