Forscher finden moderne Tattoos auf über 2000 Jahre alter Eis-Mumie aus Sibirien

Bern (Schweiz) - Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Gino Caspari von der Universität Bern hat Tätowierungen auf einer über 2000 Jahre alten Eis-Mumie untersucht und mithilfe eines modernen Verfahrens wieder sichtbar gemacht. Die Ergebnisse legen nahe, dass das Tätowieren in der prähistorischen sibirischen Gesellschaft ein ähnliches Handwerk war wie heute.

Fotogrammetrisch, das heißt per Bildmessung erstelltes 3D-Modell der weiblichen Mumie aus dem Pazyryk-Grab: A) Texturen aus Fotos im sichtbaren Spektrum, B) Texturen aus Nahinfrarot-Fotografien.
Fotogrammetrisch, das heißt per Bildmessung erstelltes 3D-Modell der weiblichen Mumie aus dem Pazyryk-Grab: A) Texturen aus Fotos im sichtbaren Spektrum, B) Texturen aus Nahinfrarot-Fotografien.  © PR/Mikhail Vavulin

"Es fühlte sich an, als könnten wir den Menschen hinter der Kunst zum ersten Mal wirklich begegnen", sagte Dr. Caspari anlässlich der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse gegenüber dem SRF.

Zunächst erstellten die Wissenschaftler eine dreidimensionale Aufnahme der 2000 Jahre alten Mumie aus dem Permafrostboden des Altai-Gebirges, um anschließend die einst unter die Haut gestochenen Bilder mithilfe von digitaler Infrarotfotografie sichtbar zu machen.

Erst dann gab die Frau aus der Pazyryk-Kultur, die Teil eines Reitervolks war, ihre Geheimnisse preis: So zeigt die Szene am rechten Unterarm etwa einen Kampf zwischen Tieren, bei dem zwei Tiger und ein Leopard zwei Hirsche erlegen. Auch auf dem linken Arm ist eine Jagdszene dargestellt.

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"Was klar ist, ist, dass diese Bilder wirklich ganz stark in einen rituellen und kulturellen Kontext eingebettet wurden und in diesem Sinne auch eine reichhaltige Bedeutung hatten", so Dr. Caspari.

Links: Illustrationen des Tattoos vom rechten Unterarm: A) aktueller Zustand, B) entzerrt, Hautfalten geglättet und Austrocknungsprozess kompensiert, C) idealisierte künstlerische Darstellung. Rechts: Illustrationen des Tattoos vom linken Unterarm.
Links: Illustrationen des Tattoos vom rechten Unterarm: A) aktueller Zustand, B) entzerrt, Hautfalten geglättet und Austrocknungsprozess kompensiert, C) idealisierte künstlerische Darstellung. Rechts: Illustrationen des Tattoos vom linken Unterarm.  © PR/Daniel Riday

Ähnliches Tattoo-Handwerk wie heute

Dr. Gino Caspari, Forscher am Institut für Archäologische Wissenschaften (IAW) der Universität Bern und am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena.
Dr. Gino Caspari, Forscher am Institut für Archäologische Wissenschaften (IAW) der Universität Bern und am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena.  © PR/Luis Moreira

Bei den Analysen habe sich gezeigt, dass die Tätowierungen am rechten Unterarm feiner und technisch anspruchsvoller waren als jene am linken Unterarm.

Die Forscher schließen daraus, dass unterschiedliche Tätowierende beteiligt gewesen waren oder dieselbe Person womöglich in verschiedenen Phasen ihrer Ausbildung tätig geworden ist.

"Durch unsere Studie tritt Tätowieren nicht nur als symbolische Verzierung in Erscheinung, sondern als ein komplexes Handwerk, das der modernen Tätowierkunst in nichts nachsteht", so der Leiter des Forschungsteams weiter.

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Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse explodiere sein Postfach, erklärt Dr. Caspari. Besonders die Tätowierer-Community habe mit "überwältigendem Interesse" auf die Studie reagiert. "Das hat mich sehr gefreut, weil archäologische Forschung auch relevant sein soll für Leute außerhalb des Elfenbeinturms."

Titelfoto: PR/Bildmontage/Mikhail Vavulin/Luis Moreira

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