Von Rachel Sommer
Paris - Mit einem überraschenden Fund in der nordägyptischen Totenstadt Tanis haben Archäologen ein jahrzehntealtes Rätsel gelöst. Bei Ausgrabungen in der Stätte im nordöstlichen Nildelta fand das französisch-ägyptische Team kürzlich 225 kleine Fayence-Statuen in einer Grabkammer.
Bis dato war unklar gewesen, wem der nahe gelegene Sarkophag in der königlichen Totenstätte von Osorkon II. gehört hatte. Anhand der Grabstatuen konnten die Forschenden nun rekonstruieren, dass es sich um die Ruhestätte von Pharao Scheschonq III. handelt.
Spannend ist das auch, weil für diesen altägyptischen König in Tanis an anderer Stelle ein Grab vorgesehen war. Offenbar sei er dort aber nicht begraben worden oder später an seine neue Ruhestätte transportiert worden, meint Frédéric Payraudeau, Chef der französischen Ausgrabungsmission in Tanis von der Universität EPHE-PSL. Seit seiner Entdeckung 1939 war der nun identifizierte Sarkophag namenlos gewesen.
Tanis wurde im elften Jahrhundert vor Christus als neue Hauptstadt des alten Ägyptens errichtet. Mit einem neuen Tempel und einer neuen Totenstadt sollte der Ort das südägyptische Theben ersetzen. Schon in der Bibel wird der Ort erwähnt.
Erste Ausgrabungen dort fanden im 19. Jahrhundert statt. Ab 1939 wurden schließlich Pharaonengräber aus der 21. und 22. Dynastie entdeckt. Das Areal streckt sich über 200 Hektar und beherbergt sieben Grabstätten, die teils über mehrere Kammern verfügen. Der jetzige Fund ist dem Forschungsteam zufolge der Bedeutendste in den königlichen Gräbern seit 1946.
Fund für Ägyptologen "enormes Glück"
Scheschonq III., dessen letzte Ruhestätte nun identifiziert wurde, war Pharao der 22. Dynastie und regierte etwa von 830 bis 791 vor Christus. Seine Herrschaft war lang, aber sehr unruhig, wie Payraudeau erzählt. Der König habe versucht, sich im Süden durchzusetzen, und habe zeitweise mit mindestens zwei anderen Pharaonen um Macht gekämpft. In der Totenstätte in Tanis wurden ihm mehrere Arbeiten gewidmet, darunter auch das Portal.
Der Fund selbst war für Missionsleiter Payraudeau ein "super Moment". Zunächst seien bei den Arbeiten in der beengten Kammer drei, vier kleine Statuen sichtbar gewesen. "Man weiß sofort, dass es genial sein wird", erzählt der Ägyptologe.
Denn schon zu diesem Zeitpunkt ahnte das Team, dass die Inschriften auf den Statuen den Namen der Person verraten dürften, die hier beigesetzt wurde. Und tatsächlich: Bei vielen Statuen sei die Inschrift noch sehr gut zu lesen. Der Fund sei "enormes Glück", freut sich Payraudeau.
Was die Experten dabei verwunderte: Fast die Hälfte der Figürchen stellen Frauen dar. Normalerweise sei der Frauenanteil bei den kleinen Statuen deutlich geringer. Eine Erklärung dafür, warum sich in der Grabkammer von Scheschonq III. so viele weibliche Figuren befinden, hat sein Team noch nicht.