In diesem Ort starb der erste deutsche Kaiser: Das haben Archäologen jetzt dort entdeckt

Memleben - Archäologen haben bei Memleben (Burgenlandkreis) eine befestigte Siedlung mit Kirche und einem Wohnbau entdeckt.

Archäologen arbeiten auf dem Grabungsfeld einer Kirche bei Memleben an Bestattungen. Das Gebiet um das mittelalterliche Kloster Memleben gibt seine Geheimnisse nur schrittweise frei.
Archäologen arbeiten auf dem Grabungsfeld einer Kirche bei Memleben an Bestattungen. Das Gebiet um das mittelalterliche Kloster Memleben gibt seine Geheimnisse nur schrittweise frei.  © Hendrik Schmidt/dpa

"Das dichtbesiedelte Areal war von einem etwa 240 mal 170 Meter großen, rechteckigen Wall-Grabenwerk umgeben", sagte Projektleiter Felix Biermann vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, am Dienstag. "Die Tore im Norden und Westen waren wahrscheinlich mit Steinbauten bewehrt." Im Westen der Wehranlage fanden sich Relikte zweier stattlicher Steinbauten.

Im Mittelalter gab es hier eine 16 Meter lange, einschiffige Kirche mit einer halbrunden Apsis im Osten und einem unterkellerten Anbau im Westen, der einen Treppenzugang besaß. Die Kirche ersetzte einen älteren, kleineren Sakralbau von lediglich gut acht Metern Länge. Dazu gehörte ein dicht belegter Friedhof. Freigelegt wurden Kopfnischengräber und Sarkophage aus Stein, die aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammen.

Im rechten Winkel zur Kirche stand ein steinerner Wohnbau von mindestens 17 mal 6,5 Meter Fläche. Die sehr starken Mauern erfuhren im Laufe der Zeit mehrfache Um- und Anbauten.

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"Im späten Mittelalter arbeiteten in den Ruinen Metallhandwerker, die etliche Öfen hinterließen", sagte Biermann. Zudem wurde die Besiedlung im Umfeld der Steinbauten durch ein Grubenhaus und diverse Wirtschaftsgruben belegt.

Fundmaterial beweist Besiedlung vom 9. bis 14. Jahrhundert

Das Grabungsfeld einer früheren Kirche bei Memleben - unweit des Klosters haben Archäologen eine befestigte Siedlung mit Kirche und einem Wohnbau entdeckt.
Das Grabungsfeld einer früheren Kirche bei Memleben - unweit des Klosters haben Archäologen eine befestigte Siedlung mit Kirche und einem Wohnbau entdeckt.  © Hendrik Schmidt/dpa

Das reichhaltige Fundmaterial beweist die Besiedlung vom 9. bis 14. Jahrhundert. Neben slawischer wellenverzierter Keramik und einer Scheibenfibel der Ottonenzeit wurden die für das hohe und späte Mittelalter typischen Kugeltöpfe gefunden.

Zudem kamen bronzene Messerscheidenbeschläge, Projektile von Armbrustbolzen, mittelalterliche Silbermünzen, ein gotischer Schlüssel sowie ein spätmittelalterliches Pilgerzeichen mit der Darstellung eines gekrönten Herrschers zutage.

Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters in Memleben gibt es seit 2017 archäologische Lehr- und Forschungsgrabungen.

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"Dort und in der Umgebung führt das LDA ein europaweit einmaliges Forschungsvorhaben zum Verständnis eines ottonischen Zentralortes aus der Epoche des mittelalterlichen Reisekönigtums durch", erläuterte Landesarchäologe Harald Meller.

"Dazu gehört auch die aktuelle Untersuchung der Siedlung."

Das Ziel: Einblick in die komplexe Infrastruktur eines derartigen Herrschaftszentrums

Im Mittelalter gab es hier eine 16 Meter lange, einschiffige Kirche mit einer halbrunden Apsis und einem unterkellerten Anbau im Westen, der einen Treppenzugang besaß.
Im Mittelalter gab es hier eine 16 Meter lange, einschiffige Kirche mit einer halbrunden Apsis und einem unterkellerten Anbau im Westen, der einen Treppenzugang besaß.  © Hendrik Schmidt/dpa

Das Projekt verfolgt das Ziel, nicht nur die Pfalz selbst zu identifizieren und zu erforschen, sondern auch einen tieferen Einblick in die komplexe Infrastruktur eines derartigen Herrschaftszentrums zu erhalten, zu dem nicht nur die aus Palatium, Versammlungshalle und Pfalzkirche bestehende Pfalz selbst gehörte, sondern auch befestigte Plätze beziehungsweise Burgen, gegebenenfalls Marktorte sowie Dienst- und Versorgungssiedlungen.

Dazu gehört auch die Klärung der Beziehung des neu untersuchten Fundplatzes zu dem im letzten Jahr im Bereich des Klosters archäologisch erfassten ottonischen Vorgängerbau der Monumentalkirche Ottos II. Dasselbe gilt für eine mögliche Identifizierung der Siedlung mit einem der schriftlich überlieferten, im späten Mittelalter aufgegebenen Orte Wenigen-Memleben und Odesfurt.

Im 10. Jahrhundert gab es in Memleben eine Kaiserpfalz und ein Kloster. Der erste deutsche Kaiser Otto der Große (912-973) starb in Memleben, ebenso wie sein Vater Heinrich I. (876-936).

Die riesigen Umrisse der ersten Klosterkirche von 80 Metern Länge und 39,5 Meter Breite sind noch heute zu sehen.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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