Senkrecht sitzend, mit Baby in den Armen begraben: Was verraten neue Funde zur Schamanin von Bad Dürrenberg?

Halle (Saale) - Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg bei Halle gibt nur stückweise seine Geheimnisse preis. Neu entdeckte Funde werden von Archäologen in Halle ausgewertet.

Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg bei Halle gibt nur stückweise seine Geheimnisse preis. Neu entdeckte Funde werden von Archäologen in Halle ausgewertet.
Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg bei Halle gibt nur stückweise seine Geheimnisse preis. Neu entdeckte Funde werden von Archäologen in Halle ausgewertet.  © Sebastian Willnow/dpa

Neben der Himmelsscheibe von Nebra begeistert der Kopfschmuck der Schamanin von Bad Dürrenberg derzeit das Publikum einer großen Stonehenge-Ausstellung im British Museum in London.

"Wir freuen uns sehr über das große internationale Echo", sagt der Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle und Landesarchäologe Harald Meller. "Mit rund 9000 Jahren ist der Fund das älteste sicher nachweisbare Schamaninnengrab der Welt." Die Frau wurde senkrecht sitzend begraben, ein etwa sechs Monate altes Kind lag in ihren Armen.

Schamanen versetzen sich auf verschiedene Weisen in Trance, um so in den Kontakt mit Geistern zu treten, um anderen Menschen zu helfen oder zu heilen. In Sibirien nutzen sie dafür vor allem die Trommel, in Südamerika setzen sie auf bewusstseinserweiternde Substanzen.

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Wegen der Ausleihe nach London wurde der Fund in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern neu untersucht. Ebenso gab es Nachgrabungen am einstigen Fundort. Das Grab wurde 1934 bei Kanalisationsarbeiten entdeckt und an einem einzigen Nachmittag geborgen.

"Zahlreiche Neufunde, darunter Feuersteinwerkzeuge, Knochen, Panzerfragmente von Sumpfschildkröten sowie durchlochte Tierzähne, kamen jetzt zutage", sagt Archäologe Holger Dietl. "Schamanen erhalten die Unterstützung durch tierische Hilfsgeister. Die Zähne gehörten vermutlich zum Gewand der Schamanin, deren Kopfschmuck von einem Rehgeweih gekrönt war."

"Was uns besonders fasziniert ist, dass das reichste Grab Mitteleuropas aus dieser Zeit einer Frau gehört"

Grabungstechniker Andreas Siegl (l.) und Archäologe Jörg Orschiedt mit Skelettteilen der Schamanin im Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt.
Grabungstechniker Andreas Siegl (l.) und Archäologe Jörg Orschiedt mit Skelettteilen der Schamanin im Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt.  © Sebastian Willnow/dpa

Zudem fanden sich weitere Skelettteile der Schamanin sowie Knochen des Säuglings, die bei der ersten Ausgrabung übersehen worden waren.

Gerade die Vielzahl der tierischen Beigaben deuten die Archäologen als weiteren Beleg für ein Schamanengrab.

Ebenso konnten die Archäologen eine für diese Zeit völlig ungewöhnliche Grabkonstruktion nachweisen, eine Grube, die mit Lehm und Flechtwerk ausgekleidet war. Wände und Boden der Grube bedeckte eine dicke Schicht Rötel, ein rotes Farbpulver. "Um ein vergleichbares Grab dieser Art zu finden, müssen wir nach Israel oder in die USA schauen", erklärt Meller.

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Aktuell werden noch Sedimente durchsiebt und die Archäologen warten auf die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Untersuchungen. "Insbesondere die Zusammensetzung von Anhaftungen an Zähnen des Unterkiefers der Frau und an Feuersteinpfeilspitzen sind derzeit im Labor", sagt Archäologe Jörg Orschiedt.

Die Schamanismusthese wird unterstützt durch die anthropologischen Untersuchungen. "Am Hinterhauptloch ist deutlich eine Einkerbung zu sehen und der oberste Halswirbel der Frau ist nicht vollständig ausgebildet. Das beeinflusste den Blutfluss in einer Ader. Sie konnte durch Kopfdrehen die Blut- und Sauerstoffzufuhr ihres Gehirns beeinflussen", sagt der Landesarchäologe. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Frau dadurch in einen tranceähnlichen Zustand versetzen konnte.

"Was uns besonders fasziniert ist, dass das reichste Grab Mitteleuropas aus dieser Zeit einer Frau gehört", sagt Meller.

Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa

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