Erfurt - Vor mehr als fünf Jahren löste Thomas Kemmerich (60) einen bundesweiten Skandal aus, als er sich mithilfe von AfD-Stimmen in Thüringen zum Ministerpräsident wählen ließ. Nun verkündete der FDP-Landeschef seinen Parteiaustritt. Kurz darauf verkündete auch der Vize-Landeschef Gerald Ullrich (62) seinen Rückzug.
Kemmerich erklärte in einem Schreiben an den FDP-Bundesvorsitzenden Christian Dürr (48) am Freitagmorgen seinen Austritt aus der Partei.
"Nach annähernd zwanzig Jahren Mitgliedschaft, fast genauso lang als Kreisvorsitzender und zehn Jahren Landesvorsitzender, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass sich meine Vorstellung von der Zukunft unseres Landes und die inhaltliche Ausrichtung der Partei auseinanderentwickelt haben", begründete Kemmerich seinen Entschluss.
Als Spitzenkandidat seiner Partei holte Kemmerich bei der Landtagswahl 2019 mit der FDP knapp über fünf Prozent und zog in den Landtag ein. Bei der anschließenden Wahl des Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 erhielten weder der damalige Amtsinhaber Bodo Ramelow (69, Linke) noch der AfD-Kandidat Christopher Kindervater (47) die nötige Mehrheit. Und so trat Kemmerich im dritten Wahlgang an.
Der Rest ist Geschichte: Die AfD um Landeschef Björn Höcke (53) stimmte entgegen der Erwartungen der übrigen Fraktionen diesmal nicht für ihren eigenen Kandidaten, sondern für den FDP-Mann. Kemmerich wurde Ministerpräsident. Ein Foto, auf dem sich Höcke vor ihm verneigt, versetzte das Land in Aufruhr.
Rücktritt von FDP-Landeschef: Dieses Foto machte ihn berühmt
Auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (71, CDU) schaltete sich ein, sprach von einem "unverzeihlichen Vorgang" und forderte, die Wahl "rückgängig" zu machen. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte Merkel damit die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt.
Die lautstarke Kritik führte letztlich dazu, dass Kemmerich knapp einen Monat nach seiner Wahl, am 4. März 2020, als Ministerpräsident wieder zurücktrat.
Bei der letzten Landtagswahl 2024 verpasste er mit der FDP den Wiedereinzug in den Landtag deutlich (1,1 Prozent).
Trotz seines Rückzugs aus der Partei wolle Kemmerich sich nun weiterhin für "freiheitliche Grundwerte" engagieren. Wie genau, ließ er offen.
FDP-Vize tritt nach Parteiaustritt von Kemmerich zurück
Am Vormittag folgte bereits der nächste Tiefschlag für die krisengebeutelten Freien Demokraten in Thüringen.
Der stellvertretende Landesvorsitzende, Gerald Ullrich, teilte seinen Rücktritt mit. Der FDP-Landesverband verliert somit zwei Führungskräfte an nur einem Tag.
Ullrich erklärte, dass er Kemmerichs Parteiaustritt zwar bedauere, aber dennoch nachvollziehen könne. Er betonte: "Der Austritt von Kemmerich aus der FDP trifft mich persönlich."
Anlässlich seines Rücktritts äußerte sich der bisherige Vize-Parteichef noch einmal zu den Geschehnissen rund um Kemmerichs Wahl zum Ministerpräsidenten. Dass Kemmerich damals dazu gezwungen worden sei, das Amt wieder abzutreten, sei für Ullrich "ein schmerzhafter Einschnitt" in die Demokratie gewesen.
"Demokratie muss auch dann gelten, wenn Ergebnisse schmerzhaft sind", schrieb der 62-Jährige in seinem Beitrag auf X.
Erstmeldung 8.57 Uhr. Zuletzt aktualisiert um 13.12 Uhr.